20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.05.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Kein Blick zurück / Wieso sich die Grünen ungern an E10 erinnern, wie Steinbrück die Taschen der Banken füllte, und wie Syrien zum Irak wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-13 vom 04. Mai 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Kein Blick zurück / Wieso sich die Grünen ungern an E10 erinnern, wie Steinbrück die Taschen der Banken füllte, und wie Syrien zum Irak wird

Was meinen Politiker eigentlich damit, wenn sie immerzu sagen: „Wir müssen den Blick in die Zukunft richten!“ Ist das bloß Geschwafel? Auf den ersten Blick könnte man das meinen. Aber weit gefehlt – dahinter steckt ein genau berechnetes Kalkül: Wir sollen in die Zukunft blicken, damit wir übersehen, was für einen Blödsinn unsere Parteienlenker in der Vergangenheit verzapft haben. Es ist eine geschickte Ablenkungstaktik.

Die Grünen sind ja sowieso die Partei der Zukunft. Deshalb spielten gewisse Themen auf dem Parteitag vergangenes Wochenende auch gar keine Rolle mehr. Oder haben Sie noch etwas vom „Ökokraftstoff“ E10 gehört? War irgendwie kein Thema mehr. Das war mal anders. In der Ära der rot-grünen Koalition war Ökosprit eine ganz große Nummer bei den Grünen. Hier solle, wie bei der Solarenergie, Deutschland die Vorreiterrolle übernehmen. Dann wären wir nicht nur die Retter der Welt, sondern obendrein noch die Gewinner der Geschichte, denn als Vorreiter würden wir den Zuspätkommern eine Nase drehen und massenhaft Gewinne und Arbeitsplätze absahnen.

Bei der Solarenergie finanzieren heute deutsche Stromkunden mit ihren überhöhten Rechnungen die chinesischen Hersteller. Die haben den Vorreiter gern in die Kostenfalle reiten lassen, derweil sie nun anschließend das Geld verdienen.

Und bei E10? Da wirkte die grüne Vorarbeit noch bis weit in die schwarz-gelbe Koalition hinein. Wieder sollte Deutschland Vorreiter sein: Um zu verhindern, dass in Übersee Urwälder abgeholzt werden, um Pflanzen für Biosprit anzubauen, sollten die Rohstoffe fürs Öko-Öl streng kontrolliert werden und erst dann ein Zertifikat erhalten. Nur zertifizierte Rohstoffe sollten dann zu Sprit verarbeitet werden dürfen.

Vor allen anderen schuf Deutschland 2010 scharfe Regeln nach EU-Norm, während die übrigen EU-Partner sich mit ihrem Eifer noch arg zurückhielten. Überall in Deutschland blühten nun die Raps- und Maisfelder. Ein Bombengeschäft, das die anderen Europäer verpasst hatten. Das dachten wir zumindest. Doch mitten in der Erntezeit 2012 änderte Brüssel einfach die Regeln, plötzlich gilt der streng kontrollierte deutsche Raps nicht mehr als offiziell nachhaltig. Ein Desaster für die Bauern, die nun auf ihrem Raps sitzen blieben.

Denn: Von da an kauften die europäischen Biosprit-Hersteller nicht mehr in Deutschland, sondern lieber in Übersee. Das Zeug von dort bekam sofort das neue EU-Gütesiegel, obwohl sehr zweifelhaft ist, wie „ökologisch“ der Anbau da unten vonstattengeht. Doch die EU hat kaum Möglichkeiten, den „ökologischen“ Anbau in entfernten Regionen zu überprüfen. So darf merkwürdiger Sprit mit hochamtlichem EU-Siegel frei auf den europäischen Markt, während die Deutschen ihren streng kontrollierten Ökosprit nicht loskriegen.

Resultat: Die Deutschen sind mit ihrem grünen Übereifer der Länge nach auf der Nase gelandet, Brüssel hat die Deutschen regelrecht ausgetrickst. Man scheint dort richtig Freude daran zu haben, die teutonischen Musterschüler zu schikanieren.

Und was sagen die Grünen dazu? Nichts gehört. Dafür wurde auf dem Parteitag ordentlich gegen den „entfesselten Finanzkapitalismus“ gewettert, der nur durch die „unverantwortliche Liberalisierung der Märkte“ so viel Schaden habe anrichten können.

Wann war das eigentlich noch gleich mit der „Entfesselung“? Ach ja: Im Jahre 2003 beschloss der Bundestag, den Handel mit „Kreditderivaten“ in Deutschland zu „entwickeln“. Die Kreditderivate waren 2008 Auslöser der Finanzkrise, Milliardeninvestor Warren Buffett nannte die Derivate danach „Massenvernichtungswaffen. Wer war 2003 an der Macht? Hatte die Mehrheit im Bundestag? Rot-Grün.

Sehen Sie, die Grünen haben wirklich einigen Grund, nur noch „in die Zukunft“ zu blicken. Das populäre Gepolter gegen die „entfesselte Bestie“ macht sich im Wahlkampf nicht gut, wenn die Leute beim Blick in die Vergangenheit erkennen, wer die Fesseln damals zerschnitten hat.

Der SPD geht es übrigens kaum besser. Mit großem Getöse stürmen die Sozialdemokraten derzeit gegen die goldenen Tore des großen Geldes, das seiner Steuerpflicht nicht nachkomme. Alles Asoziale, denen man’s zeigen werde! Schwarz-Gelb hingegen stelle sich auch noch schützend vor die Ganoven.

Kaum hat die Kampagne so richtig Fahrt aufgenommen, kommt das hier ans Licht: Von 2002 bis 2007 standen Banken und Fonds eine Gesetzeslücke zur Verfügung, durch die sie Milliarden am Fiskus vorbei schleusen konnten, weil sie sich die Kapitalertragssteuer mehrfach vom Staat erstatten lassen durften. Finanzminister 2002? Hans Eichel, SPD.

Im Jahre 2007 stieß dann doch ein Gesetz in die Lücke, das im Endeffekt aber nur dafür sorgte, dass die gemachten Gewinne legalisiert wurden und weitere per Umweg übers Ausland erzielt werden konnten. Insgesamt sind dem deutschen Staat so zwölf Milliarden Euro durch die Lappen gegangen. Finanzminister 2007? Peer Steinbrück, SPD.

Ach, Peer! Der Kandidat kann von Glück sagen, dass die große Mehrheit der Medienleute rot-grün-freundlich gestimmt ist, sonst würden die den ganz anders auseinandernehmen. Doch selbst die große Sympathie vermag nicht zu verdecken, dass dem armen Mann wirklich gar nichts zu gelingen scheint.

Gut, die Jagd auf Uli Hoeneß ist sicherlich publikumswirksamer als die Hatz auf anonyme Geldhäuser. Die Häuser haben kein Gesicht, das man der Masse zum Hassen vorzeigen kann.

Aber was ist mit der Minderheit, die rechnen kann? Die könnte sich schon fragen, wie glaubwürdig das sein soll, wenn da einer eine Riesenaffäre macht aus einigen Millionen, während er das Mehrtausendfache auf der anderen Seite still durchrutschen lässt. Da bleibt Peer Steinbück keine Wahl: Er wird dazu aufrufen müssen, „sich jetzt nicht an den Fehlern der Vergangenheit abzuarbeiten“, sondern „den Blick in die Zukunft“ zu richten.

Dabei darf sogar die Gegenwart nicht stören. Wer die Wahlprogramme von SPD und Grünen vor der Nase hat, fragt sich, ob das nicht die deutsche Übersetzung von François Hollandes Programm von 2012 ist: Steuern rauf, wo es geht, und umverteilen, so viel man (eigentlich gar nicht mehr) kann. Je mehr Staat, desto besser. Für die Franzosen war das der rasante Weg in eine wirklich interessante Gegenwart, das Land steht am Rande des Ruins. „Nur am Rande? Das können wir besser!“, ist die Botschaft der rot-grünen Steuerpläne.

Den Blick ausschließlich in die Zukunft zu lenken, ist auch global ein probates Mittel, wie sich jetzt im Syrien-Konflikt erweist. Die USA und Großbritannien haben die grausige Entdeckung gemacht, dass Diktator Assad Chemiewaffen einsetzt. Damit habe der Syrer eine „rote Linie“ überschritten, sprich: Jetzt haben wir ihn endlich, unseren Kriegsgrund.

Höre ich ein zynisches Lachen? Nun ja, den Blick mal kurz von der „Zukunft“ gelöst in Richtung jüngste Vergangenheit sieht man nur noch Irak, Irak, Irak. Damals waren es die „Massenvernichtungswaffen“, die US-Präsident Bush in der Wüste des Zweistromlandes entdeckt haben will, um seinen Kriegsgrund zu bekommen. Wie sich herausstellte, war das mit den Massenvernichtungswaffen eine Lüge. Heute ist der Irak ein zerfetztes Land, die Christen muss­ten fast alle fliehen oder wurden ermordet. Syrien dürfte ein ähnliches Schicksal blühen, wenn es erst mal befreit ist, und die Befreiung duldet nach dem Fund der Chemiewaffen bestimmt keinen Aufschub mehr.

„Blick in die Zukunft“ hin oder her. So ganz vergessen können wir die Vergangenheit eben doch nicht. Also erwarten wir, beim zweiten Anlauf zur selben Lüge wenigstens ein bisschen intelligenter belogen zu werden. Das mit den Chemiewaffen ist schon fast beleidigend billig.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren