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11.05.13 / Vermieter werden zum Hass-Objekt / Berlin: Linke Szene nutzt angebliche Welle von Zwangsräumungen zur Kampagne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-13 vom 11. Mai 2013

Vermieter werden zum Hass-Objekt
Berlin: Linke Szene nutzt angebliche Welle von Zwangsräumungen zur Kampagne

Tausende Mieter werden jedes Jahr in Berlin vor die Tür gesetzt, müssen ihre Wohnung aus verschiedensten Gründen verlassen. Im April starb die Rentnerin Rosemarie Fließ (67) kurz nach Räumung ihrer Wohnung. Der Fall löste massive Proteste und Gewaltdrohungen gegen Vermieter aus. Aktuelle Demonstrationen gegen steigende Mieten haben neben Großinvestoren nun ein neues Feindbild: Vermieter.

„Wohnraum in Mieterinnenhand“ forderten im Berliner Wedding Demonstranten eines Protestzuges gegen steigende Mieten und soziale Ausgrenzung am Vorabend des 1. Mai. Zwar blieb es in jener für Ausschreitungen berüchtigten Nacht sowie am folgenden Tag ruhig, doch in der linksautonomen Szene kocht die Stimmung. Ein Blick auf die Seite des Bündnisses „Zwangsräumungen verhindern“ zeigt: Nur wegen Aufschub eines aktuell brisanten Räumungsfalls kam es am 1. Mai nicht zum großangelegten Protest.

Vor allem die Räumung von Rosemarie Fließ lieferte hierfür den Zündstoff, hatte die schwerbehinderte Rentnerin doch selbst oft an Demos teilgenommen, war entsprechend bekannt. Zwei Tage nachdem sie ihre Wohnung verlassen musste, war die Frau in einer Obdachlosenunterkunft gestorben.

Seither kursieren Gewaltaufrufe im Internet gegen ihren Vermieter Ralph H. Der steht unter Druck, denn die Sozialbehörde gab an, sie habe die ausstehende Miete übernehmen wollen: „Wir hatten auch Kündigungen wegen unsachgemäßen Verhaltens ausgesprochen“, sagte der Vermieter nun der linken „taz“. Die Frau schuldete demnach nicht nur Miete, sie bedrohte auch Nachbarn, beschmutzte wiederholt Wohnung und Treppenhaus. Der Vermieter schaltete den sozialpsychiatrischen Dienst ein, doch die offenbar psychisch kranke Frau ließ sich nicht helfen, so die Erfahrung von Vermieter wie Behörden. „Hätte sie sich angemessen verhalten, hätte sie in ihrer Wohnung bleiben können“, sagt der Vermieter. Ein Wille, die Frau unbedingt auf die Straße zu setzen, lässt sich also nicht erkennen.

Zwangsräumung bleibt letztes Mittel, und doch fürchten Kenner des Berliner Wohnungsmarktes eine Zunahme aufgrund steigender Mieten. Die noch von der rot-roten Vorgängerkoalition der jetzigen SPD-CDU-Regierung verantworteten Sparmaßnahmen beim sozialen Wohnungsbau heizen die Mietpreise an.

Im Fall Fließ schieben die Behörden nun die Verantwortung dem Vermieter zu. Und heizen damit die Emotionen noch an, die auch in Gewalt münden: In Friedrichshain ging vergangenen August ein 52-Jähriger aus Angst vor Zwangsräumung mit dem Messer auf sein Vermieterehepaar los und muss laut einem gerade gefällten Gerichtsurteil für acht Jahre in Haft. Anfang April verstellten in Berlin-Neukölln rund 70 Demonstranten einer Gerichtsvollzieherin bei einer Räumung den Weg. Mit dem Ruf „Räumung is’ nich’“ demonstrierte die Gruppe Selbstbewusstsein über das Gesetz hinweg.

Der Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet. Aus der Szene indes schlägt ihm die Ankündigung entgegen, man werde künftig „vorbeischauen“. In der Liebigstraße 14, einem geräumten Treff Links­autonomer, hatte es Brandanschläge nach der Räumung gegeben. Galt damals das „Vorbeischauen“ eher dem szeneinternen Frustabbau, kann sich die linke Szene von den aktuellen Räumungen ein weit größeres Mobilisierungspotenzial erhoffen.

Zwar gibt es kaum verlässliche Daten zu den anstehenden Räumungsfällen, doch schätzen Experten laut „Berliner Morgenpost“ einen Anstieg von rund 9000 Fällen 2009 auf rund 11000 im Jahre 2011. Der Bereich enthält aber alles zwischen Räumung wegen Eigenbedarf und langjährigen Streitfällen. Der Berliner „Kurier“ bezifferte im Februar Berlins Räumungen auf 5000. Viel mehr noch als eine messbare Zunahme, die nur mäßig zu belegen ist, bestimmt also die öffentliche Wahrnehmung das Thema.

Carsten Brückner, Vorstandsvorsitzender der Eigentümer-Schutzgemeinschaft Haus & Grund Berlin, beteuert: „Nennenswerte Änderungen oder Zunahmen bei Räumungen sind uns nicht bekannt, der Ärger aber ist ungebrochen groß.“ Vermieter wollen demnach selten darüber sprechen: „Bei jeder Zwangsräumung gibt es immer eine sehr lange Vorgeschichte und der Gerichtsvollzieher kommt erst, wenn mindestens ein Gericht den Fall geprüft hat.“ Uwe Heinrich Rath, Jurist und Justiziar beim Vermieterschutzverein Deutschland e.V., ringt um Verständnis vor allem für die Vielzahl kleiner Privatvermieter: „Oft hat ein Vermieter lebenslang fleißig bei kleinem Einkommen von 2000 bis 3000 Euro monatlich gespart und vermietet jetzt, um im Alter selbst eine Wohnung zu haben – dann hat er einen Mieter, der nicht einmal die Kaution bezahlt und mit dem er zweieinhalb Jahre um die Miete kämpft. Den Verlust bekommt er nie ersetzt.“

Rath vertritt mit seinen Kollegen vor allem Eigner weniger Mietobjekte. Das Bild vom Großinvestor, der Mieter wegsaniert und räumt, um danach teuer zu verkaufen, trifft in der Tat nur für einen Bruchteil des Marktes zu. Vielmehr sind es die Eigentümer einer oder weniger Wohnungen, die bei auflaufenden Mietrückständen selbst schnell in finanzielle Nöte geraten. Dann drängen oft die Banken zum Handeln, zur Räumung. Sverre Gutschmidt


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