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11.05.13 / Schwarz-Rot-Gold statt Wilhelm I. / Vor 60 Jahren wurde der Reiterstandbild-Sockel am Deutschen Eck in ein Mahnmal umgewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-13 vom 11. Mai 2013

Schwarz-Rot-Gold statt Wilhelm I.
Vor 60 Jahren wurde der Reiterstandbild-Sockel am Deutschen Eck in ein Mahnmal umgewidmet

Seit 1993 ziert wieder ein Reiterstandbild des ersten Deutschen Kaisers den Denkmalsockel am Deutschen Eck, wie dieses auch schon in den Jahrzehnten nach 1897 der Fall gewesen war, dem Fertigstellungsjahr des Kaiser-Wilhelm-I.-Denkmals der preußischen Rheinprovinz. Dazwischen diente es mit einem Fahnenmast statt des Standbildes jahrzehntelang als „Mahnmal der deutschen Einheit“.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Reiterstandbild von einer US-amerikanischen Artilleriegranate getroffen. Ob hier übermütige GIs Schießübungen vornahmen, ob hier ein Befehl des Oberbefehlshabers der alliierten Streitkräfte in Europa Dwight D. Eisenhower umgesetzt wurde oder ob der Kunsthistoriker im Staatsdienst Mario Kramp mit seiner US-freundlichen Vermutung richtig liegt, dass „die Befürchtung der Amerikaner, dass sich deutsche Soldaten im Denkmalbereich verschanzt hielten“, die Ursache gewesen sei, sei dahingestellt, doch die Zerstörung am emotional und symbolisch hoch aufgeladenen Deutschen Eck war Fakt und irgendwie musste sich die westdeutsche Politik dazu verhalten.

Entsprechend dem westdeutschen Föderalismus fiel die Entscheidung in den Kompetenzbereich von Rheinland-Pfalz. Vor der Gründung des Landes hatte sich bereits die französische Militärregierung der Frage angenommen. Einer Rekonstruktion des Denkmals an den preußischen König, welcher der Grande Nation die deutsche Einheit abgetrotzt hatte, zog sie verständlicherweise andere Lösungen vor. Das Ergebnis war die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbes. Ein Friedensdenkmal und eine Marienstatue wurden dabei ebenso vorgeschlagen wie Cafés und Garten-Restaurants. Aus Kostengründen kam es jedoch zu keiner Umsetzung.

Nachdem die Besatzungsmacht die Frage ungeklärt Rheinland-Pfalz überlassen hatte, versuchte dessen Landesregierung den Schwarzen Peter an Koblenz weiterzureichen, indem es der Stadt die Anlage schenkte. Die Stadt verweigerte jedoch die Annahme und so machte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier einen Vorschlag, der die anderen Länder mit ins Boot holte und zudem kostengünstig war. Das Denkmal wurde in ein „Mahnmal der deutschen Einheit“ umgewandelt, wozu an die Stelle der zerstörten Herrscherdarstellung ein Fahnenmast mit der Deutschlandflagge trat.

Die dem Denkmal einst als Sockel dienende Säulenhalle war weitgehend unzerstört geblieben und wurde nun entsprechend dem neuen Zwecke umgestaltet. Dem Föderalismus der inzwischen gegründeten Bundesrepublik wurde unter anderem im unteren Rundgang des Denkmals durch Bronzetafeln mit den Wappen der Bundesländer Rechnung getragen. Des Weiteren wurden auf der Spitze des Deutschen Ecks Fahnenmasten mit den Flaggen der Bundesländer angebracht. Das Saarland, das erst 1957 zur Bundesrepublik kam, sowie die Länder und Provinzen Mittel- und Ostdeutschlands waren nicht durch Flaggen und Wappen, aber dafür durch die namentliche Nennung auf zwei Tafeln in Form von Adlern vertreten, welche die Aufreihung der Bundesländerwappen flankierten.

Der Zeitplan war knapp, aber zum geplanten Einweihungstermin waren die Renovierungs- und Umbaumaßnahmen abgeschlossen. Dabei ist es einmal wieder bezeichnend, dass mit dem 18. Mai nicht etwa ein Jahrestag nationaler Bedeutung gewählt wurde, sondern der sechste Verfassungstag von Rheinland-Pfalz. Die Einweihungsfeier wurde gezielt als großes Spektakel angelegt. Schulen und Vereine in Koblenz und der näheren Umgebung erhielten Einladungen und ab 16 Uhr wurden die Festteilnehmer durch ein über Lautsprecher übertragenes Standkonzert eingestimmt. „Es waren Tausende, als der Zeiger der Uhr auf 17.30 zeigte: Menschen in sommerlichen Kleidern, kunterbunt gemischt, von der Arbeit aus den Büros kommend, Mütter mit Kinderwagen, die jüngsten Schängel in Krachledernen und mit gummibereiften Rollern, dazwischen geschäftstüchtige Limonadenverkäufer, Obsthändler und auch ein Würstchenverkäufer. ,Ein ordentlicher Wasserwerfer wär’ mir lieber!‘, meinte einer der Schulbuben, der mit seinen Kameraden zum Spalierbilden anrückte.“ So und ähnlich beschrieb die örtliche Presse anschließend die Volksfeststimmung.

Kurz nach 18 Uhr war es dann soweit. Bundespräsident Theodor Heuss und Ministerpräsident Altmeier trafen ein und platzierten sich am unteren Denkmalsockel um ihre Festansprachen zu halten. Nach der Ansprache des Ministerpräsidenten, während der die Fahnen der Bundesländer an der Spitze des Deutschen Ecks aufgezogen wurden, ging der Bundespräsident, in gewisser Hinsicht der damalige Nachfolger Kaiser Wilhelms I., auf die lange Geschichte des Deutschen Ecks ein. Es sei nur natürlich, so das Staatsoberhaupt, dass man in dieser Stunde von einer Stätte des Deutschen Ordens aus an die von ihm geschaffenen Länder deutscher Art im Osten denke. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal sei gebaut worden als ein Symbol der gewonnenen Einheit. Die Nachgeborenen hätten die Pflicht, den Charakter des stellvertretenden Symbols zu retten und zu erneuern. Das Denkmal, einst errichtet als stolzer Dank für gewonnene Einheit, sei nun ein Bekenntnis zu einer wieder zu gewinnenden Einheit. Am Schluss seiner Ausführungen wurde die Bundesfahne am Mast hochgezogen und die Feierstunde mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes und Böllerschüssen von der Festung Ehrenbreitstein beendet.

„Die am 18. Mai 1953 aufgezogene Bundesflagge soll daher solange auf dem Denkmalsockel wehen, bis die Einheit Deutschlands in Freiheit wieder vollendet ist. Dann sollte der Zeitpunkt gekommen sein, eine dem Gedanken entsprechende endgültige Gestaltung für dieses Deutsche Eck zu wählen.“ Eigentlich hatte Altmeier diese Zeilen 1958 dem Koblenzer Oberbürgermeister Josef Schnorbach geschrieben, um immer wieder aufkommende Forderungen nach einer Wiedererrichtung des Reiterstandbildes abzuwehren. Aber er stellte damit dem von ihm initiierten „Mahnmal der deutschen Einheit“ ein Verfallsdatum aus, das 1990 tatsächlich ablief. Trotz eines großzügigen Stifters sollte es dann allerdings noch einmal drei Jahre dauern, bis die Zweckentfremdung endete und der Denkmalsockel wieder dem Zwecke diente, für den er von seinen Erbauern erschaffen worden war. Manuel Ruoff


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