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11.05.13 / Die Schönste unter Hundert / Königsberg belegt ersten Platz im russischen Städtewettbewerb −Königsberger schauen lieber gen Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-13 vom 11. Mai 2013

Die Schönste unter Hundert
Königsberg belegt ersten Platz im russischen Städtewettbewerb −Königsberger schauen lieber gen Westen

Zum zweiten Mal in Folge führt Königsberg die Rangliste der „100 schönsten Städte Russlands“ an. Staatliche Agenturen und Zeitungen hoben die Pregelmetropole auf diesen Platz, doch deren Bewohner sehen die große Ehre mit Skepsis.

Staatliche Agenturen und Zeitungen bewerten jährlich Hunderte russische Städte hinsichtlich verschiedener Kriterien ihrer Entwicklung. In diesem Jahr, wie auch schon im vergangenen, hat Königsberg dieses „Ranking“ gewonnen. Das Handelsblatt „RBK“ zählt Königsberg immerhin zu den sieben schönsten Städten des Landes. Bewertet werden Städte und Kreise mit über 100000 Einwohnern, wobei die Großmetropolen Moskau und St. Petersburg ausgenommen sind. Insgesamt wurden 13 verschiedene Kriterien bewertet, nach deren Auswertung Königsberg mit weitem Abstand vor Jekaterinburg und Belgorod führt.

Folgende Kriterien flossen mit ein: der durchschnittliche Umsatz des Einzelhandels, berechnet auf einen Warenkorb, die Zahl der Studenten und die der Ärzte auf 10000 Bewohner, wie viele Vorschulkinder auf einen Kindergartenplatz kommen, die durchschnittliche Wohnfläche, der Umfang von Wohnraumneubauten pro Einwohner, die durchschnittlichen Investition in das Grundkapital und das durchschnittliche Steueraufkommen.

Die Autoren der Rangliste führen den Spitzenrang Königsbergs auf seine Lage als Sonderwirtschaftszone und seine Nähe zur Europäischen Union zurück: „Königsberg ist ein hervorragendes Beispiel für Unternehmertum, das durch Steuer- und Zollvergünstigungen vorangebracht wurde.“

In anderen Bereichen kann Königsberg allerdings nicht solche Erfolge nachweisen. In der Rangliste der Städte mit den komfortabelsten Lebensbedingungen, die vom St. Petersburger Institut für räumliche Planung „Urbanica“ gemeinsam mit dem Architektenverband erstellt worden ist, nimmt die Metropole an der Pregel von 100 getesteten Städten nur den 28. Platz ein.

Noch bescheidener sehen Königsbergs Ergebnisse bei einer anderen Aktion aus. Im Rahmen des Projekts „Russische Stadt. Nationale Wahl 2012“, die mit Unterstützung der Staatlichen Tourismusagentur durchgeführt wurde, haben Millionen Russen geäußert, welche Stadt ihrer Meinung nach die beste sei. Die Befragung war Teil des „Jahres der russischen Geschichte“. Mit diesem Projekt sollten nationale Werte gebildet und gefestigt werden sowie auch das Interesse an der Geschichte russischer Städte überhaupt geweckt werden.

Diesen Wettbewerb gewann Smolensk, Königsberg landete auf Rang 67. Natürlich basieren diese Ergebnisse nicht auf professionell erstellten Kriterien, sondern sie geben allein die Meinung der Städter wieder.

Die Königsberger sind ohnehin nicht geneigt, ihre Stadt mit russischen zu vergleichen, sondern sie nehmen lieber benachbarte europäische zum Beispiel, die sie ständig besuchen können. Deshalb ruft der erste Platz für die schönste Stadt Russlands bei vielen Gefühle von Ironie und Unverständnis hervor. Vertreter der Stadt- und Gebietsregierung erklären die Skepsis der Königsberger damit, dass sie nur wenig von den Städten in Russland kennen, sondern mehr nach Europa tendieren. Die Exklavenbewohner fragen sich unweigerlich: Wenn bei uns fast alles bemerkenswert ist, wie leben dann die, deren Stadt nur den 50. oder 90. Platz erlangt hat?

Die Königsberger können selbst am besten beurteilen, wie ihre Alltagssituation aussieht. Selbst wenn statistisch das Zahlenverhältnis zwischen Ärzten und Einwohnern sowie zur Verfügung stehenden Kindergartenplätzen und Vorschülern positiv beurteilt wurde: Die Wartelisten für einen Kindergartenplatz sind gewaltig, weil sich in der postsowjetischen Zeit ihre Zahl drastisch verringert hat. Kindergärten mussten Hochhäusern und Handelszentren weichen. Einzelne Bauprojekte für neue Kindergärten können die Lage nicht wesentlich verbessern.

Ein weiteres brennendes Problem ist die Gesundheitsversorgung. Zwar ist die Lage im Königsberger Gebiet nicht schlechter als in den meisten Regionen der Russischen Föderation, aber selbst offizielle Vertreter der Regierung sehen den kläglichen Zustand der medizinischen Einrichtungen. Zahlreiche Maßnahmen und Versuche, die Situation zu verbessern, haben nur wenig Wirkung gezeigt.

Das Einzige, worin die Königsberger ohne Widerspruch mit dem Rating übereinstimmen, ist die auf jeden Einwohner kommende Zahl der Handelszentren, die auf den Plätzen der Stadt gebaut worden sind. Jurij Tschernyschew


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