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18.05.13 / Revoluzzer nach Noten / Vor 200 Jahren wurde Wagner geboren – Bei ihm verschmilzt Politik mit Kunst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-13 vom 18. Mai 2013

Revoluzzer nach Noten
Vor 200 Jahren wurde Wagner geboren – Bei ihm verschmilzt Politik mit Kunst

Er war Revolutionär im Leben wie in der Kunst. Dafür wird Richard Wagner gefeiert wie verachtet. Viele Opernfreunde lassen sich von seiner Musik berauschen. Andere haben nicht vergessen, dass der Antisemit Wagner in der NS-Zeit politisch instrumentalisiert wurde. Doch wie viel Politik steckt in Wagners Musik?

Im Frühjahr 1849 floh Richard Wagner überstürzt aus Dresden, wo er als Kapellmeister tätig war. Er wurde von der Polizei steck­brieflich gesucht, weil er sich am Maiaufstand beteiligt haben soll. Tatsächlich hatte er revolutionäre Kampfschriften verfasst, stand in Kontakt mit dem russischen Anarchisten Michail Bakunin und transportierte Sprengkörper zu den Aufständischen.

Wer sich heute „Tristan und Isolde“, den „Ring des Nibelungen“ oder „Parsifal“ anhört, kann kaum glauben, dass hier ein Revolutionär am Werk war. Zu dick liegt bereits die Patinaschicht auf diesen Opern mit ihren germanischen Heldensagen, die mit so viel hohlem Pathos angereichert erscheinen, dass sich viele Hitparaden-gewohnte Hörer von Wagners Musik abschrecken lassen.

„Wenn wir über Revolutionen sprechen, müssen wir über den ,Tristan‘-Akkord reden“, sagt Wagner-Dirigent Christian Thielemann in seinem Buch „Mein Leben mit Wagner“. Denn in der Oper hat der Komponist tatsächlich ein System gestürzt. „Er hat das alte System von Dur und Moll aufgelöst und in neue Dimensionen katapultiert“, so Thielemann. Neben der Leitmotivtechnik war auch die Loslösung von der Nummernoper mit einzelnen musikalischen Sätzen hin zur durchkomponierten Oper neu, bei der die Solisten eine gesangliche Marathonleistung hinlegen müssen.

Und wenn im „Ring des Nibelungen“ und erst recht im „Parsifal“ für Wotan und Co. die Götterdämmerung hereinbricht, so kann das auch als Chiffre auf den Abgesang des monarchischen Systems gelesen werden. Siegfried und der Erlöser Parsifal sind die neuen bürgerlichen Helden, für die Wagner an den Dres­dener Barrikaden Partei ergriff.

Indem Wagner sein politisches Programm mit einer bombastisch- ekstatischen Tonsprache zu einem „Gesamtkunstwerk“ erhob, wurde er so zum Alleinherrscher dieser Welt. Sein „Reich“ war das ausgerechnet von einem Monarchen – Bayerns Märchenkönig Ludwig II. – finanzierte Bayreuther Festspielhaus.

Lange nach Wagners Tod hofierte seine Schwiegertochter Winifred Wagner die Nationalsozialisten, die Bayreuth zu ideologischen Zwecken politisch missbrauchten. Richard Wagner aber hatte einen Keim gelegt, der bei dem Wagner-Verehrer Hitler auf fruchtbaren Boden stieß. Die künstlerischen Allmachtphantasien des Komponisten gepaart mit dem ekstatischen Rausch seiner Musik pass­ten nur zu gut zur Glorifizierung des neuen deutschen Reichs.

Hitler selbst soll in seiner Jugend von Wagner fasziniert gewesen sein. Teile des „Rings“ habe er bis zu 160 Mal gesehen und Wagners Frühwerk „Rienzi“ über einen Volkstribun, dem die Massen nachrennen, soll sein Interesse an Politik erst geweckt haben, behauptet der Autor Joachim Köhler in seinem Buch „Wagners Hitler – Der Prophet und sein Vollstrecker“. Tatsächlich wurden die Reichsparteitage in Nürnberg wie pompöse Opern à la Wagner inszeniert und der blonde Siegfried des „Rings“ als arisches Idealbild der NS-Ideologie propagiert – Heils-Grüße wie aus den Wagner-Opern inklusive.

Wagner kann sich postum nicht gegen eine solche ideologische Vereinnahmung wehren. Ihn wegen dieser politischen Instrumentalisierung zu verdammen, ist jedoch fehl am Platz. Aber kann man überhaupt den Musiker Wagner von dem Politiker Wagner trennen? „Ein C-Dur-Akkord ist niemals politisch“, verteidigt Thielemann Wagner. Kritisch hinhören sollte man bei dem Revoluzzer trotzdem. Harald Tews


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