20.04.2024

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25.05.13 / Hohenschönhausen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Hohenschönhausen
von Vera Lengsfeld

Das Gebiet um den Oranke- und Obersee ist eines der schönsten Wohnviertel Berlins. Die Villen sind kleiner als im Berliner Westen, dafür schmiegen sie sich anmutig in die Park- und Seenlandschaft. Wer hier wohnt, gehört zu den Privilegierten.

Zu DDR-Zeiten trugen die Schilder an den Briefkästen keine Namen, sondern „Ober“- und „Untergeschoss“, falls es sich um ein Zweifamilienhaus handelte, sonst war nur die Hausnummer angegeben. Hier wohnten die leitenden Angestellten des nahen Stasikomplexes in der Genslerstraße, rund um die Zentrale Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit. Im etwa einen Quadratkilometer großen Sperrgebiet befanden sich auch zahlreiche Abteilungen der sogenannten Hauptverwaltung Aufklärung, unter anderem eine Passfälscherwerkstatt.

Spionagechef Markus Wolf rühmte sich, niemals einen „Kundschafter des Friedens“ wegen eines unprofessionell gefälschten Passes verloren zu haben. Es gab auch ein Stasi-eigenes Archiv von NS-Akten, aus dem viele Kampagnen wegen angeblicher und wirklicher Naziverstrickungen westdeutscher Politiker gespeist wurden. Nach der Vereinigung stellte sich heraus, dass es auch die Akten des Prozesses gegen die „Weiße Rose“ enthielt, samt den Gestapo-Vernehmungs­protokollen.

Was man mit Hohenschönhausen hauptsächlich verbindet, ist die Gedenkstätte im ehemaligen Stasigefängnis. Von 1951 bis 1889 waren, erst im ehemaligen NKWD-Keller, später im Neubau, die „gefährlichsten“ Gegner des DDR-Regimes inhaftiert. Von Walter Janka über Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs bis zu Bärbel Bohley: Die Gefangenenliste liest sich wie ein „Who is Who“ der DDR- Opposition. Wer hier eingeliefert wurde, wusste nicht, wo er sich befand, sah niemals etwas von der Umgebung, hatte anfangs keinen, später nur stark eingeschränkten Kontakt zur Familie, bekam einen Rechts­anwalt erst nach Monaten zu sehen, wenn der Prozess bereits fest stand, und er war, solange er in Einzelhaft saß, isoliert von seinen Mitgefangenen. Die Stasi bediente sich systematischer Reizdeprivation, um die Insassen zu brechen.

Nach der Vereinigung stand das Gefängnis einige Jahre leer. Es sollte abgerissen werden, um einem Gewerbegebiet Platz zu machen. Das verhinderten ehemalige politische Gefangene, die nach Aufräumarbeiten begannen, Führungen anzubieten. Diese Führungen wurden bald so nachgefragt, dass sich eine Gedenkstätte daraus entwickelte, deren Besucherzahl ständig stieg und heute bei 340000 jährlich liegt.

Darunter viele Schulklassen, die hier lernen, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern verteidigt werden muss. Eine Berliner Erfolgsgeschichte.


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