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25.05.13 / Berlusconi ist zurück im Spiel / Auch wenn der italienische Politiker nicht in der Regierung ist, so zieht er doch im Hintergrund die Fäden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Berlusconi ist zurück im Spiel
Auch wenn der italienische Politiker nicht in der Regierung ist, so zieht er doch im Hintergrund die Fäden

Noch vor einem Jahr galt Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi als Auslaufmodell. Inzwischen scheint aber nicht nur das Schick-sal Italiens erneut in den Händen des „Cavaliere“ zu liegen, auch das Schicksal der Euro-Rettung hängt zum Teil von ihm ab.

Einen schlechteren Start hätte Italiens neuer Premier Enrico Letta kaum hinlegen können. Erst seit Ende April im Amt, hat die große Koalition aus Lettas Demokratischer Partei (PD) und Berlusconis Volk der Freiheit (PdL) bereits ihren ersten handfesten Krach hinter sich. Für den Fall, dass es zu keiner Rücknahme der erst vor einem Jahr eingeführten Immobiliensteuer kommt, war von Berlusconi mit dem Bruch der Koalition gedroht worden. Und obwohl die Steuer bis zu zwölf Milliarden Euro in die leeren Staatskassen Italiens bringen würde, ist die Immobiliensteuer inzwischen ausgesetzt worden.

Der Vorgang bietet einen Vorgeschmack auf das, was Italien mit der großen Koalition blüht. Zwar ist der Ex-Premier Berlusconi nicht Mitglied der Regierung, aber er zieht im Hintergrund weiterhin die Fäden in seiner Partei. Berlusconi hat es in der Hand, jederzeit die Koalition platzen zu lassen. Allerdings stellen die Prozesse, die ihm gerade gemacht werden, ein Risiko dar. Zu vier Jahren Haft verurteilt ist Berlusconi bereits wegen Steuerbetrug. Noch für den Mai wird im sogenannten Ruby-Prozess ein Urteil erwartet. Der Vorwurf gegen Berlusconi: In seiner Villa in Arcore habe es „systematische Prostitution zur Befriedigung des Ex-Premiers“ gegeben. Noch brisanter ist allerdings der Vorwurf, dass Berlusconi als Ministerpräsident Amtsmissbrauch begangen habe. Als die Prostituierte Ruby 2010 wegen eines Ladendiebstahls festgenommen worden war, soll Berlusconi bei der Polizei die Freilassung des Mädchens erwirkt haben. so der Vorwurf. Berlusconi habe behauptet, bei dem ertappten Mädchen würde es sich um eine Verwandte von Ägyptens Präsident Husni Mubarak handeln. Falls sie nicht freikomme, würden diplomatische Verwicklungen drohen. Von der Anklage gefordert sind nicht nur sechs Jahre Haft für Berlusconi, sondern auch, dass der 76-jährige auf Lebenszeit von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen wird.

Auch wenn nach Medienberichten die Beweislage beim Vorwurf des Amtsmissbrauchs eindeutig sein soll, Berlusconi könnte es abermals schaffen, Italiens Justiz vorzuführen. Zunächst einmal steht ihm der Weg offen, bei dem erstinstanzlichen Prozess in Revision zu gehen. Obendrein scheint der „Cavaliere“ auf eine bereits früher erfolgreiche Taktik setzen zu wollen – er macht sich unabkömmlich. Gegenüber Letta bereits angemeldet hat er den Anspruch, bei einer Kommission, die Reformvorschläge zum Wahlrecht ausarbeiten soll, den Vorsitz zu übernehmen. Bekommt er den Posten, hat Berlusconi ein Mittel in der Hand, die Prozesse gegen ihn bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschleppen. Schon in der Vergangenheit hat er regelmäßig die Vertagung von Gerichtsverhandlungen bewirkt, indem er wichtige politische Termine geltend gemacht hat.

Misslingt diese Taktik, hat es Berlusconi immer noch in der Hand, die Koalition mit Letta platzen zu lassen und damit Neuwahlen zu erzwingen – mit sich selbst als Spitzenkandidaten. Behalten die neuesten Umfragen Recht, würde Berlusconis Partei bei Neuwahlen wieder als deutlich stärkste Partei Italiens hervorgehen.

Auf den ersten Blick erscheint dies eine erstaunliche Entwick-lung zu sein. Gemeinhin gilt der auf eine Totalopposition setzende Beppe Grillo als wahrer Profiteur der großen Koalition. Zurecht hat der Südtiroler Politologe Günther Pallaver im „Standard“ auf die Zusammensetzung von Grillos Wählerschichten hingewiesen. Ein Drittel kommt von Mitte-links, ein Drittel von Mitte-rechts. Unter den linksorientierten Grillo-Wählern ist inzwischen deutlich die Verärgerung erkennbar, dass Grillo mit seiner Total-Blockade-Haltung letztendlich Berlusconi zurück ins politische Spiel gebracht hat. Entladen hat sich dieser Frust bereits bei der Regionalwahl im Friaul, wo seine Partei massiv Stimmen verloren hat.

Egal für welches Szenario sich Berlusconi in den nächsten Monaten entscheidet, die Gefahr ist groß, dass Italien, politisch gelähmt, noch tiefer in die Krise schlittert. Von Premier Letta sind in seiner schwachen Position keine Konfrontationen mit Gewerkschaften, Lobbyisten oder Berlusconis Partei zu erwarten.

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich Premier Letta statt für eine Fortsetzung des ohnehin zaghaften Reformkurses seines Vorgängers Monti längst für ein flexibles „Durchlavieren“ entschieden hat. Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei Lettas Antrittsbesuch die Zusage erhielt, man wolle in Rom am Sparkurs festhalten, verkündete Letta andernorts, „Sparprogramme allein sind tödlich“. In dieser Situation könnte die EZB noch stärker als bisher versucht sein, Italien mit dem Ankauf von Staatsanleihen unter die Arme zu greifen. Die Wahrscheinlichkeit, dass selbst bei einem Stopp aller Reformen und Sparanstrengungen bei der EZB die Druckerpresse für Italien angeworfen wird, ist hoch, denn Italiens neuer parteiloser Finanzminister Fabrizio Saccomanni gilt als enger Vertrauter von EZB-Chef Mario Draghi. Norman Hanert


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