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25.05.13 / Das Beste von beidem / In den Umgebindehäusern in der Oberlausitz vereinen sich slawische und fränkische Architektur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Das Beste von beidem
In den Umgebindehäusern in der Oberlausitz vereinen sich slawische und fränkische Architektur

Eigenartig sehen die Häuser aus: Schlank und hoch, halb Fachwerk, halb Stein, oft mit Schieferschindeln dekorativ verkleidet. Die sogenannten „Umgebindehäuser“ bestehen, wenn man sie genau betrachtet, aus vier unterschiedlichen Teilen: einer Blockstube, einem gemauerten Stall und einem Fachwerk-Obergeschoss, das auf einer „Umgebinde“-Konstruktion aufliegt.

Insgesamt 16000 Umgebindehäuser soll es noch im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Polen geben, davon auf deutscher Seite – in der Region zwischen Zittau, Görlitz und Bautzen – etwa 6000 Objekte. Die örtlichen Tourismuszentralen haben für die Region das Wort „Umgebindeland“ (www.umgebindeland.de) geprägt.

Nach der „Wende“ stand ein Großteil der für die Oberlausitz typischen Bauten leer und verfiel. Manche Häuser wurden abgerissen, viele schnell und falsch saniert. Um den drohenden Untergang der traditionellen Architektur zu stoppen, wurde eine Umgebindehaus-Stiftung ins Leben gerufen; über eine „Umgebindehaus-Börse“ werden leerstehende Häuser vermittelt; mit einem Umgebindehaus-Preis werden vorbildliche Sanierungen ausgezeichnet.

Die Mühen der vergangenen zwei Jahrzehnte hatten Erfolg. Immer mehr Häuser wurden inzwischen vorbildlich saniert und werden heute oftmals als Ferienhäuser genutzt. Ferien im „Umgebinde“ ist beliebt geworden – die Kombination Blockstube, Steingewölbe und Fachwerk hat im Alltag und erst recht in den Ferien seinen Reiz.

Aber der Reihe nach. Die Block-stube, die eine Erdgeschoss-Hälfte des Umgebinde-Hauses, erinnert an Blockhäuser aus sibirischer oder amerikanischer Wildnis und lässt an Bauformen in abgelegenen Alpentälern denken. Sie besteht aus dicken, behauenen Stämmen, die gut gegen Kälte und Wärme isolieren. Ein typisches Merkmal sind innere Schiebeläden, die bei Dunkelheit und als Kälteschutz vor die Fenster geschoben werden. Auch die niedrigen Raumhöhen – manchmal deutlich unter zwei Meter – ermöglichen im Winter eine angenehme Raumwärme.

Neben der Blockstube liegt ein gemauerter Gebäudeteil. Er beherbergt den zentralen Flur, das Treppenhaus und ehemals auch einen Stall. Oftmals findet man in den alten Ställen ein Gewölbe – was die Räume, längst zu Wohnzwecken genutzt, noch attraktiver werden lässt.

Jedes Umgebindehaus ist anders; es gibt unzählige Abweichungen von der Regel. Zu den häufigsten Varianten gehört der Typ, bei dem der Stall gegen eine zweite Blockstube ersetzt wurde, bei dem allein das Treppenhaus aus Stein aufgemauert ist. Meist entstanden diese Doppelstuben-Bauten im 19. Jahrhundert, als die Bedeutung der privaten Viehhaltung zurückgegangen war.

Das Obergeschoss der Umgebindehäuser ist stets als Fachwerk-Konstruktion ausgeführt. Das Fachwerk lagert nur auf dem gemauerten Stall, nicht aber auf der Blockstube. Um die Konstruktion hier zu stützen, liegt vor der Blockstube das „Umgebinde“ – äußere Pfeiler mit Lasten abfangenden Rundbögen. Unter dem Umgebinde könnte man die Block-stube wie eine Schublade aus dem Haus herausziehen, ohne dass dieses in seiner Stabilität gefährdet wäre – bei Blockstuben-Sanierungen wird das sogar gelegentlich gemacht.

Das Krüppelwalm- oder Satteldach der Umgebindehäuser ragt meist hoch auf und wurde früher als Speicher genutzt – oftmals ist noch heute ein Türöffnung im Giebel sichtbar, durch die einst das Heu nach oben geschafft werden konnte. Die Giebelseiten sind verbrettert, manchmal mit Schieferschindeln verkleidet. Verschiedenfarbige Schindeln ergeben dekorative Muster – besonders im „Denkmaldorf“ Obercunnersdorf zu bewundern, aber auch in den Orten Eibau, Oderwitz und Oybin.

Zu erwähnen ist die Eingangstür, die bei fast allen Häusern durch eine Sandstein-Einfassung herausgehoben ist (nicht selten mit dem eingemeißelten Baujahr). Häufig sind die alten Haustüren und auch die dekorativen Umrahmungen der Fenster erhalten geblieben – die Mangelwirtschaft der DDR hat sich hier als Segen erwiesen.

Die ersten Umgebindehäuser entstanden vermutlich im 15. oder 16., die letzten im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bauherren waren Weber, die in der Blockstube oder in den beiden Blockstuben eines Hauses Webstühle betrieben. Aber auch Gasthöfe wurden gerne in den gemütlichen Umgebindehäusern ansässig.

Einer der ältesten erhaltenen Vertreter des unverwechselbaren und einmaligen Bautyps steht heute noch in Ebersbach, das sogenannte „Hugenottenhaus“ aus dem Jahre 1601; es wartet als gesicherte Ruine seit Jahren auf einen Käufer.

Weshalb wurden die Umgebindehäuser so und nicht anders gebaut? Gibt es eine Erklärung für diese eigenartige Bauweise? Manche Bauexperten vermuten, dass die Weber die Blockstuben geschätzt haben, da die Vibrationen des Webstuhls dank der konstruktiven Trennung nicht auf das übrige Haus übertragen wurden. Eine andere Theorie betont die klimatische Qualität der Blockstuben, die sogar heutigen Anforderungen einer energiesparenden Bauweise genügt. Schließlich wird behauptet, dass das Haus die Vermengung von slawischen und fränkischen Bevölkerungssteilen in der Oberlausitz dokumentiert. Auf der slawischen Blockstube entstand das fränkische Fachwerk – eine völkerverbindende Architektur, einzigartig in Europa.

Wenn man allerdings auf der Suche nach dem Umgebindehaus über die Grenzen nach Tschechien und Polen fährt, findet man viele traurige Ruinen. In den Nachbarländern fehlt vielfach noch das Bewusstsein, dass eine regionale Architektur ein Argument sein kann, mit dem sich um zahlende Touristen werben lässt. Bestrebungen, das Umgebindeland zum Weltkulturerbe zu erheben – einen ersten Antrag auf Landesebene gab es 2012 – werden wohl erst Chancen haben, wenn es gelingt, die beiden Nachbarländer in eine Antragsstellung miteinzubeziehen.Nils Aschenbeck


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