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25.05.13 / Aschenputtel lässt grüßen / Telenovela: Entspannender Import aus Lateinamerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Aschenputtel lässt grüßen
Telenovela: Entspannender Import aus Lateinamerika

Vor vielen Jahren geisterte der Begriff „Seifenopern“ durch alle Medien. Die heißen so, weil die ersten Serienproduzenten in den USA große Waschmittelfirmen wie Procter und Gamble oder Colgate Palmolive waren. Dort fand man also den Zusammenhang zum Badezimmerutensil. Unerwartet schlug einem in jüngerer Vergangenheit dann eine neuer Begriff um die Ohren: Telenovela.

Bereits 2004 startete das ZDF die erste deutsche Telenovela, die ARD zog im September 2005 nach. Und, weil das alles noch nicht reichte, krönte das ZDF das Ende des ersten sofort mit dem Anfang eines neuen TV-Romans. Spanisch: Telenovela. Wandelte zunächst eine gewisse Bianca auf verstaubten Pfaden zum Glück, versucht dann irgendeine Julia den gleichen Trampelpfad zu beschreiten, gefolgt von einer Tessa. Vielleicht haben die Autoren den Ehrgeiz, das ganze Alphabet weiblicher Vornamen durchzugehen. Dann wäre überraschungsfreie Unterhaltung an unseren Nachmittagen bis etwa zum Jahre 2030 gesichert. Interessant ist, dass das Ganze seinen Ursprung in spanisch sprechenden Ländern hatte. Es gibt unendlich viele Fakten über Telenovelas. Konzipiert wurde diese Unterhaltungsform in Lateinamerika. Seit den 1990er Jahren strahlt man die TV-Romane auch in anderen Regionen der Welt aus, zunehmend in Nordafrika und Osteuropa. Ihren Ursprung haben die Telenovelas im vorrevolutionären Kuba. Während die Arbeiterinnen in den Zigarren-Fabriken ihrer Arbeit nachgingen, bekamen sie Romane vorgelesen in Portionen, täglich eine Fortsetzung. 1930 übertrug man dann erstmals in Kuba eine Radio-Novela, zu Hörspielen umgearbeitete Romane.

So unbekannt ist uns Europäern der Fortsetzungsroman nicht. Schon im 18. Jahrhundert erschienen populäre Werke der Weltliteratur in Zeitschriften. Begeisterte Leser spornten dann die jeweiligen Autoren an, ihre Geschichte immer wieder zu verlängern, was sich auf diese durchaus lukrativ auswirkte. Irgendwann, genaugenommen in den 1950er Jahren, begann man in Lateinamerika diese Fortsetzungsromane im Fernsehen zu senden.

Sehr erfolgreich und zu den besten Sendezeiten laufen die Produktionen in Mexiko und Brasilien. Hier wie dort findet man stereotype Charaktere sowie einfache Handlungsstränge und ein immer wiederkehrendes Märchenmotiv des armen, gutaussehenden Mädchens, das sich in den reichen Erben verguckt. Stets wird die Geschichte aus der Sicht des mehr oder weniger geschundenen Mädchens erzählt. Während die „Soap Opera“ ihre Handlungsstränge auf unbegrenzte Zeit wachhält, weicht die Telenovela hiervon ab und lässt ein Happy End erwarten. In der auf wenige Monate begrenzten Erzählzeit, wird das Publikum täglich durch den sogenannten Cliffhanger, ein offenes Ende jeder Folge, dazu gezwungen, am nächsten Tag weitersehen zu wollen. Das klassische Märchenmotiv des Aschenputtels oder Schneewittchens, in dem die böse Stief- oder Schwiegermutter dem lieben Mädchen Leiden verschafft, wird häufig verwendet und bietet somit Identifikationsmöglichkeiten. Intensives Miterleben findet über die Anteilnahme an den Schick-salen der beteiligten Personen statt. Man kann mit ihnen gefahrlos leiden, gehört in gewisser Weise dazu, muss aber etwaige Konsequenzen nicht tragen.

Leid, Traurigkeit und Freude, Genuss an ungebrochenen Gefühlen, Akzeptanz und Ausleben unterdrückter Emotionen. Alles das wird, soll man den literarischen Ausführungen Glauben schenken, durch das tägliche Einschalten einer Telenovela ermöglicht. Knapp 60 Minuten Therapie für umsonst und frei Haus. Warum beim Therapeuten viel Geld bezahlen, wenn eine Gesundung auch einfacher zu haben ist? Silvia Friedrich


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