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25.05.13 / Gefährliche Komplexität / Wo ein Kollaps droht?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-13 vom 25. Mai 2013

Gefährliche Komplexität
Wo ein Kollaps droht?

Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, erzählt von vier apokalyptischen Reitern, die über die Erde rasen und Hunger, Krankheiten, Not, Kriege und letztendlich den Tod bringen. Der Autor des Buches „Der plötzliche Kollaps von allem. Wie extreme Ereignisse unsere Zukunft zerstören können“, der US-Mathematiker John Casti, geboren 1943 im US-Staat Oregon, hat eine vergleichsweise einfache These: Durch die zunehmende Komplexität einer globalisierten Welt wächst die Wahrscheinlichkeit, dass extreme Ereignisse („X-Events“) zu Katastrophen führen, die den Bestand der Menschheit unmittelbar bedrohen.

Casti ist in der einschlägigen Literatur kein Unbekannter; zu Problemen der globalen Gesellschaften hat er bereits mehrere vielbeachtete Arbeiten vorgelegt. Hier hat er aber keine Naturkatastrophen wie Erdbeben (Fuku-shima), Hurrikans (Orleans 2005) oder Tsunamis (Südostasien 2004) vor Augen, sondern solche, die aus menschlichem Handeln oder aus der von ihm entworfenen Technik resultieren. Von den elf Beispielen, die er aufzählt und detailliert erläutert, seien einige genannt, deren Zeichen bereits an der Wand stehen: Ein drohender Energiemangel kann zu extremen wirtschaftlichen und politischen Konfrontationen führen. Fast all unsere Einrichtungen, vom privaten Handy bis zu den per Computer überwachten Steuerungssystemen (Banken, Kraftwerke, Verkehrsregelungen, aber auch militärische Anlagen), letztlich alle Kommunikation hängen vom Funktionieren der elektronischen Netze ab. Ein lang anhaltender Internetausfall (Casti spricht von „digitaler Dunkelheit“) oder ein kontinentweiter elektromagnetischer Puls setzen jegliche Zivilisation lahm (Stromausfälle in New York, in Italien, aber auch schon in Deutschland waren warnende Vorboten).

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion wird durch Spekulation auf immer weniger Sorten verengt. Ein über den Globus grassierender tödlicher Keim, der beispielsweise die Mais- oder Reisproduktion lahmlegt, hätte unabsehbare Folgen.

Schließlich zwei Themen aus Politik und Wirtschaft, die schon heute tagtäglich die Schlagzeilen bestimmen: Nicht ausgeschlossen ist, dass die Spannungen zwischen Israel und dem Iran zu einem nuklearen Schlagabtausch führen, der mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Region beschränkt bliebe. Und die seit dem Jahr 2008 andauernde Finanzkrise scheint nicht nur nicht überwunden, sondern verschärft sich, wie die Euro-Krise zeigt, fast täglich. Selbst zurückhaltende Beobachter wollen einen Zusammenbruch der Weltfinanzmärkte nicht mehr ausschließen.

Alles hängt mit allem zusammen, die Welt wird immer komplexer, die Komplexitäten müssen, um beherrschbar zu bleiben, ständig gesteigert werden (mehr Bürokratie, mehr Überwachung, intensivere Kontrollen), so dass es, wie Casti drastisch zeigt, letzten Endes zum katastrophalen Kollaps kommen kann. Die Technik wächst über uns hinaus, der Mensch hat Mühe, sie im Zaum zu halten.

Casti wäre nicht Amerikaner, wenn er nicht doch einen etwas optimistischen Ausblick gäbe. Es kann alles so kommen, es muss aber nicht so kommen. Es liege, so sein Fazit, an uns selbst, bedrohlichen Entwicklungen die Spitze zu nehmen. Das setzt viel Vernunft und Einsicht voraus, aber ist denn der Mensch nicht ein vernunftbegabtes Wesen? Dirk Klose

John Casti: „Der plötzliche Kollaps von allem. Wie extreme Ereignisse unsere Zukunft zerstören können“, Piper, München Zürich 2012, 397 Seiten, 22,99 Euro


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