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01.06.13 / Pickelhaube Gottes / Vor 20 Jahren wurde der im Weltkrieg schwer beschädigte Berliner Dom wiedereröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-13 vom 01. Juni 2013

Pickelhaube Gottes
Vor 20 Jahren wurde der im Weltkrieg schwer beschädigte Berliner Dom wiedereröffnet

Wohl kaum ein anderes Gotteshaus ist so oft umgebaut, angebaut und völlig neu erfunden worden wie die Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin. Am 6. Juni 1993 wurde die Predigtkirche nach aufwendiger Rekonstruktion wiedereröffnet.

Als der erste Brandenburgische Kurfürst aus dem Geschlecht der Hohenzollern, Friedrich I. Eisenzahn (1413–1471) im Jahr 1443 mit dem Bau seines Schlosses in Cölln an der Spree begann, ließ er darin auch eine Kapelle errichten. Papst Paul II. weihte sie 1456 offiziell zum Dom. Kurfürst Joachim II. (1505–1571) wünschte sich etwas Repräsentativeres für seine Andachten und konfiszierte kurzerhand das Dominikanerkloster. Die Mönche mussten weichen, und das Kloster wurde aufwendig umgestaltet. Zur Regierungszeit Friedrich des Großen war der Backsteinbau zum Sicherheitsrisiko geworden. Fried­rich ließ ihn wegen akuter Baufälligkeit 1747 abreißen.

Der große Feldherr war auch ein großer Bauherr. Der Niederländer Johann (Jan) Boumann und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erhielten den Auftrag, im Lustgarten einen neuen Dom im Stil des Barocks zu errichten. Wie bei seinem Schloss Sanssouci, das soeben fertig geworden war, skizzierte der Alte Fritz den Grundriss selbst. Das Ergebnis war ein 68 Meter langes Gotteshaus mit umlaufenden Emporen.

Mit der Industrialisierung wuchs die Bevölkerung Berlins rasant. Um 1800 wohnten bereits 172000 Menschen in der Stadt. Der Dom erwies sich als zu klein. Anfang des 19. Jahrhunderts rückten wieder Bauarbeiter an, diesmal unter der Leitung von Karl Friedrich Schinkel.

Nach der Gründung des Deutschen Reiches erschien der „Schinkeldom“ den Hohenzollern aber als zu provinziell im Vergleich mit Notre Dame in Paris und dem Petersdom in Rom. Ein kompletter Abriss wurde beschlossen. Julius Raschdorff, Professor an der Technischen Hochschule in Berlin, entwarf ein Gotteshaus mit einer Nutzfläche von 9000 Quadratmetern im Stil der römischen Spätrenaissance. Die Kuppel war deutlich der des Petersdoms nachempfunden. Die Berliner erinnerte sie an etwas anderes. Sie nannten den Dom „Pickelhaube Gottes“.

Bei den Luftangriffen auf Berlin während des Zweiten Weltkriegs wurde der Dom schwer getroffen. Am 24. Mai 1944 stürzte die Kuppel ein, durchschlug den Boden und beschädigte die darunter liegende Gruft mit den Sarkophagen der Hohenzollern schwer. Jahrzehntelang stand der Dom als Ruine gegenüber dem „Palast der Republik“. Nur zu gern hätten die DDR-Machthaber dieses vermeintliche Denkmal des Imperialismus ebenso wie das Berliner Schloss in die Luft gejagt. Die Sprengung hätte aber die Statik der Museen auf der Spreeinsel gefährdet.

Ende der 1950er Jahre begannen die westlichen Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gemeinden im Osten finanziell zu unterstützen. Die EKD konnte dem Staatsrat der DDR die Zustimmung zum Wiederaufbau des Berliner Doms abringen. 1983 war die äußere Hülle hergestellt, die Kosten von 100 Millionen Mark trug allein die Kirche Westdeutschlands. Die Rekonstruktion des Innenraums zog sich noch zehn Jahre lang hin. Am 6. Juni 1993 wurde der Dom mit einem Festgottesdienst wiedereröffnet. Skeptiker meinten, er würde nur die Funktion eines Museums erfüllen, denn die Kirchengemeinde zählte damals, bedingt durch die vorangegangene Teilung Berlins, nur noch 190 Seelen. Inzwischen hat sich die Zahl mehr als verfünffacht.

Für Berlin-Touristen ist der Dom mit einem Aufstieg in die Kuppel und einem Abstieg in die Gruft ein Muss. Hier ruhen mit einem Großteil der Hohenzollernherrscher 500 Jahre deutscher Geschichte. Nach und nach sind die prachtvoll verzierten Sarkophage der Könige und ihrer Angehörigen mit Namen und Wappen restauriert worden. Seit Ende 1999 ist die Grabstätte wieder geöffnet. Ihre Größe – mit rund 2000 Quadratmetern ist sie die wohl bedeutendste in Europa – und die Vielzahl der Särge raubt einem den Atem. 94 Mitglieder aus dem brandenburgisch-preußischen Geschlecht fanden hier ihre Ruhestätte.

Einige Sarkophage gingen bei der Umbettung in den von Fried­rich dem Großen in Auftrag gegebenen neuen Dom verloren. Überhaupt ließ es der Alte Fritz an Pietät im Umgang mit seinen Vorfahren fehlen. Er brauchte immer Geld für seine Kriegszüge und dachte daran, die Zinnsärge einzuschmelzen. Nur der Hinweis, dass die Sarkophage eine sehr geringe Menge an Gold enthielten, konnte ihn davon abbringen.

Auf der Suche nach Gold und anderen wertvollen Dingen machten sich immer wieder Grabräuber an der königlichen Ruhestätte zu schaffen. Hochwasser auf der Spreeinsel beschädigte etliche Sarkophage und die Kleidung der Toten schwer. Nicht mehr zu retten war der Sarg Friedrich Wilhelm II. (1744–1797), des Nachfolgers des Alten Fritz. Er erhielt im Zweiten Weltkrieg einen Volltreffer.

Im diffusen Licht der Gruft sind bekannte und eher unbekannte Persönlichkeiten der Hohenzollern versammelt: König Friedrich I. (1657–1713) mit seiner zweiten Gemahlin Sophie Charlotte, Elisabeth Christine (1715–1797), die ungeliebte Gemahlin von Fried­rich II., zahlreiche Prinzen und Prinzessinnen sowie schließlich auch die tot geborene Tochter von Prinz Albert (1915) in ihrem kleinen Kindersarg. Bis zum Zweiten Weltkrieg bedurfte der Besuch der Gruft einer Genehmigung des Hauses Hohenzollern. Heute ist er im Eintrittspreis des Doms inbegriffen. Klaus J. Groth


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