19.04.2024

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01.06.13 / Dem Gestern ganz nah / Arno Surminski erzählt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-13 vom 01. Juni 2013

Dem Gestern ganz nah
Arno Surminski erzählt

1974 war das Jahr von Arno Surminski, denn damals hatte der Versicherungsangestellte seinen schriftstellerischen Durchbruch mit dem Roman „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?“. Seitdem hat der 1934 in Ostpreußen geborene Autor zahlreiche weitere Romane und Erzählungen veröffentlicht, einige waren nah dran an der Brillanz von „Jokehnen“, viele Publikationen haben einen Bezug zur Heimat des heute in Hamburg lebenden Surminski oder befassen sich mit dem Thema der Vertreibung.

Vor Kurzem erschien nun „Im Garten des Schönen. Heitere und besinnliche Geschichten aus dem Norden“. Wer vor dem Kauf nicht zuvor genau ins Buch schaut oder absolut über jede Veröffentlichung des Autors informiert ist, der denkt, er hält einen Band mit neuen Erzählungen aus der Feder des Schriftstellers in den Händen. Doch Sprache und Perspektive verraten, dass die Entstehung mancher Erzählungen einige Jahrzehnte zurückliegt. In den 70er Jahren war man eben näher an der Vergangenheit dran und diese Nähe spürt der Leser. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, nur ein echter Surminski-Fan kennt manche der Erzählungen vielleicht bereits und ist deswegen verärgert über den Kauf des Buches, in dem von 17 Texten nur drei bisher unveröffentlicht sind.

Eine der drei Geschichten, nämlich „Die Stradivari von Montana“, ist äußerst gelungen. Schon das Thema ist gut gewählt. Es geht um einen über 80-jährigen Heimatvertriebenen, der seit der Rück-kehr aus seiner Kriegsgefangenschaft in Norddeutschland lebt und der Besuch von einem Studenten aus den USA bekommt, der eine Ausstellung über das Kriegsgefangenenlager vorbereitet, in dem der Senior einst war. „Rosamunde oder Die Schwarzen kommen“ über ein Heavy-Metal-Festival aus Sicht eines älteren Dorfbewohners hingegen wirkt ziemlich aufgesetzt. Und „Assi und Tull“ über den Hamburger Fußballstar der 20er Jahre, Tull Harder, dem in den 50er Jahren gegenüber einem norwegischen Spielerkollegen seine NS-Vergangenheit als KZ-Aufseher unangenehm ist, erscheint zu konstruiert.

Rührend ist die 2010 erstmals veröffentlichte Erzählung „Lisas Vermächtnis“ über eine alte Frau, die 55 Jahre nach Kriegsende ihr Elternhaus nicht verlassen will, weil sie hofft, dass ihr als vermisst gemeldeter Bruder doch noch aus dem Krieg heimkehrt und sie dann da sein will, so dass er ein vertrautes Gesicht sieht, wenn er heimkehrt. Auch die 1991 erschienene Erzählung „Mai in der Neustädter Bucht“ um eine Flüchtlingsfrau, die von ihrer Notunterkunft das britische Bombardement und den Untergang der „Cap Arcona“ mit fast 5000 KZ-Häftlingen an Bord miterlebt, weiß zu überzeugen. Zum Nachdenken regt auch „Letzer Zug nach Ammersby“ an. Hier reist der in Danzig geborene Fritz Broschek in das norddeutsche Dorf, in dem er und seine Mutter nach der Vertreibung untergekommen sind, um das Tafelsilber, das sie nach dem Krieg bei einem Bauern Stück für Stück gegen Essen eingetauscht haben, zurückzukaufen. Hier prallen der alte Groll eines einst Hilflosen und die echte Freude des Bauern über den unerwarteten Besuch aufeinander.

Viele der anderen, etwas über die norddeutsche Mentalität verratenden Geschichten, die zumeist einen Bezug zur Vergangenheit haben, unterhalten gut, sind jedoch schon bald nach der Lektüre wieder vergessen. Ein Schelm, wer da denkt, der Verlag macht sich diesen Umstand zunutze und hofft, die meisten Leser würden die erneute Verwertung der Erzählungen sowieso nicht bemerken. Bel

Arno Surminski: „Im Garten des Schönen. Heitere und besinnliche Geschichten aus dem Norden“, Ellert & Richter, Hamburg 2013, gebunden, 207 Seiten, 14,95 Euro


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