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08.06.13 / Forscher auf Zeit / Hochschulen bieten Nachwuchswissenschaftlern immer öfter prekäre Arbeitsbedingungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Forscher auf Zeit
Hochschulen bieten Nachwuchswissenschaftlern immer öfter prekäre Arbeitsbedingungen

Ein Studium gilt immer noch als bester Schutz vor Arbeitslosigkeit. Doch wie das Statistische Bundesamt jetzt mitteilte, sehen 80 Prozent des wissenschaftlichen Nachwuchses einer ungewissen Zukunft entgegen. 2011 erhielt die Mehrheit der 25- bis 29-jährigen beschäftigten Akademiker an Hochschulen und Forschungseinrichtungen lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag. Damit ist diese Gruppe gegenüber anderen Erwerbstätigen in diesem Alter deutlich benachteiligt.

Die Beschäftigung über Zeitverträge ist von Branche zu Branche unterschiedlich: So betrug beispielsweise die Befristungsquote der 25- bis 29-jährigen Hochschulabsolventen bei Finanz- und Versicherungsdienstleistern gerade einmal sieben Prozent, im verarbeitenden Gewerbe lag sie bei 11,4 Prozent und in der öffentlichen Verwaltung bei 29,2 Prozent. Also sind es fast ausschließlich die Hochschulen, die eigentlich ein massives Interesse haben sollten, sich die Besten der besten Akademiker zu sichern, welche prekäre Arbeitsbedingungen bieten. Dabei gehören derartige Arbeitsverhältnisse keineswegs zu den Lebenszielen der Absolventen oder anderer Erwerbstätiger, insbesondere derjenigen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Lediglich 2,9 Prozent des Nachwuchses wünscht für sich keine Daueranstellung.

Auch bei älteren Beschäftigten im Hochschulbereich sind die Anteile befristeter Verträge überdurchschnittlich hoch. Die Quote lag bei den 30- bis 34-jährigen Wissenschaftlern bei 70 Prozent.

Spätestens Postdoktoranden stehen deshalb vor der Frage, ob sie ihre Karriere an Hochschulen fortsetzen können oder in die freie Wirtschaft wechseln müssen. Gelingt es ihnen nicht, für die Habilitation Forschungsgelder zu akquirieren, stehen sie vor einer beruflichen Neuorientierung. Und obwohl Hochschulen heute eigenverantwortlich über die Mittel verfügen, schaffen sie keine oder kaum unbefristete Stellen für den Nachwuchs, der immer öfter über großes Engagement, wissenschaftliche Kenntnisse, Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse verfügt. Einher geht damit die Gefahr, dass das Know-how in die Wirtschaft oder in das Ausland abwandert, im schlimmsten Fall sogar ungenutzt bleibt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht die Befristung aber als erforderliche Persönlichkeitsentwicklung der Wissenschaftler an. Dabei sei wichtig, „dass sie sich in zeitlich befristeten Projekten in unterschiedlichen Forschungsgruppen profilieren“. Weil Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zunehmend ihre Forschungsarbeiten über Drittmittel finanzieren, würden Dauerstellen die Chancen für die jüngeren Akademiker verbauen, so dass die Mitarbeiter nur für die Projektzeiträume beschäftigt sein sollen. Mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 wollte die damalige CDU-CSU-SPD-Bundesregierung den Hochschulen den nötigen Gestaltungsspielraum geben, um auch kurzfristig planen zu können. Doch nun zeigt sich, dass das zu Lasten der persönlichen Lebensplanung des Wissenschaftsnachwuchses geht.

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft hat nunmehr mit dem Herrschinger Kodex einen Leitfaden für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen vorgelegt. Die GEW schlägt vor, dass bei Drittmittelstellen die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mindestens der Laufzeit des betreffenden Projekts entsprechen muss. Und Wissenschaftlern soll grundsätzlich zunächst eine Vollzeitbeschäftigung angeboten werden.

Bislang ist aber der wissenschaftliche Nachwuchs bis auf wenige Ausnahmen in prekären Beschäftigungsverhältnissen angestellt, oft mit Arbeitsverträgen, die nur wenige Monate laufen. Das funktioniert nur, weil die Forscher ein hohes Maß an Idealismus und auch die nötige Leidensfähigkeit mitbringen. Ulrich Blode


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