28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.06.13 / Provokationen aus Rom / Südtiroler wollen immer weniger zu Italien gehören – Politiker tragen Hauptschuld

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Provokationen aus Rom
Südtiroler wollen immer weniger zu Italien gehören – Politiker tragen Hauptschuld

Es ist eine ganz spezielle Hinterlassenschaft, die Italiens abgewählter Premier Mario Monti seinem Nachfolger Enrico Letta vermacht hat. Nicht einmal anderthalb Jahre im Amt hat der nüchterne „Technokrat“ Monti gebraucht, um das Verhältnis zu Südtirol nachhaltig zu vergiften. Bei seiner Suche nach zusätzlichen Einnahmen fiel die Entscheidung, Südtirol für die Jahre 2013 und 2014 Einnahmen von über 800 Millionen Euro zu entziehen.

Diese Entscheidung könnte sich im Nachhinein gesehen als letzter Auslöser für einen Stimmungsumschwung in Südtirol entpuppen. Die gestrichenen Gelder sind für Südtirol mit einem Haushalt von fünf Milliarden Euro nicht nur eine starke Bürde, sondern mehr noch, ein politischer Affront. Rom bricht damit das Mailänder Abkommen von 2010, demzufolge 90 Prozent aller Südtiroler Steuereinnahmen in Bozen verbleiben sollen. Zusätzlich angeheizt wurde die Stimmung obendrein durch umstrittene Äußerungen Montis, wonach es sich bei Südtirol um „inneritalienische Probleme“ handele und die Schutzfunktion Österreichs überholt sei. Auch dies steht klar im Widerspruch zum 1972 beschlossenen Autonomiestatus. Dass Silvio Berlusconi und der Ex-Kommunist Luigi Bersani ebenfalls glaubten, mit ähnlichen Äußerungen bei ihren Wählern auftrumpfen zu müssen, verschlechterte die Stimmung zusätzlich. Italiens neuer Premier Enrico Letta setzt im Gegensatz dazu nun offenbar auf eine Entspannung mit Südtirol. Offen ist, ob dies nach den Aktionen Montis noch Früchte trägt, denn Rom könnte bereits zu viel Porzellan zerschlagen haben. Obendrein ist die Koalition Lettas von Berlus-coni abhängig, dem die gesamte Südtiroler Autonomie ohnehin ein Dorn im Auge ist.

Als für den Stimmungsumschwung in Südtirol noch entscheidender denn die politischen Provokationen aus Rom könnte sich am Ende allerdings ein ganz anderer Faktor herausstellen. In Südtirol wächst die Sorge, dass man in den Strudel der anhaltenden italienischen Wirtschaftskrise mit hineingezogen wird. Deutlich sichtbar war die geänderte Atmosphäre bereits bei dem vom Schützenbund initiierten Südtiroler Unabhängigkeitstag zu Pfingsten in Meran. Die Veranstaltung war so gut besucht wie nie zuvor. Selbst innerhalb der Südtiroler Wirtschaft wird die Option eines „Südtirols außerhalb Italiens“ nicht mehr generell verworfen. An dieser Entwicklung haben nicht nur die italienische Wirtschaftskrise und Scharfmacher aus Rom ihren Anteil. Auch die bereits seit 1945 in Bozen regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) als Befürworterin einer Autonomie innerhalb Italiens ist in eine Krise geraten.

Bei Umfragen ist die SVP zwar immer noch mit Abstand die stärkste politische Kraft Südtirols, die Strahlkraft der SVP hat aber nachgelassen. Die Partei gilt als ausgelaugt, durch Filz und Skandale angeschlagen. Dass sich die SVP bisher beharrlich weigert, über Alternativen zur „weltbesten Autonomie“ auch nur nachzudenken, könnte bei den Wahlen im Herbst Kräften wie den Freiheitlichen und der „Süd-Tiroler Freiheit“ Auftrieb verschaffen, die sich für eine Unabhängigkeit von Italien stark machen.

Zusätzlichen Rückenwind könnte die „Los von Rom“-Stimmung erstaunlicherweise von einer bereits länger anhaltenden Entwick-lung unter dem italienischsprechenden Bevölkerungsanteil in Südtirol erhalten. Viele Italiener haben inzwischen durchaus Gefallen an den speziellen Südtiroler Verhältnissen gefunden. Weit verbreitet ist die Erkenntnis, dass man den Wohlstand in Südtirol nicht zuletzt dem Abstand zum italienischen Staat verdankt. Exemplarisch ablesbar ist diese Haltung an einem Umstand, den die Südtiroler Volkspartei nicht groß an die Glocke hängen will: Zwei ihrer 18 Mandate und damit die absolute Mehrheit im Südtiroler Landtag verdankt die SVP mittlerweile den Stimmen italienischer Wähler.

Auch im Bildungssystem ist die geänderte Einstellung eines Teils der italienischsprechenden Südtiroler inzwischen deutlich erkennbar: Angehörige der Mittelschicht haben die Vorzüge der deutschsprachigen Schulen erkannt, sie schicken immer öfter ihre Kinder auf deutsche Schulen. Für diese Entwicklung, die langfristig die italienische Sprache im öffentlichen Raum weiter zurückdrängen wird, gibt es gleich mehrere Gründe. Die deutschen Schulen gelten zum einen generell als disziplinierter und besser, zusätzlich schicken Immigranten aus Albanien oder Pakistan ihre Kinder im Normalfall auf die italienischen Schulen Südtirols. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren