28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.06.13 / Kann Barack Obama Berlin erneut bewegen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Gastkommentar
Kann Barack Obama Berlin erneut bewegen?
von Klaus Rose

Wer erinnert sich nicht an die Begeisterung der Deutschen und vor allem der deutschen Medien, als der US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama an der Siegessäule in Berlin seine große Politik des Friedens und der Zusammenführung aller Menschen, gleich welcher Rasse und Hautfarbe, verkündete? Im Juni, also nach fünf Jahren, kommt der US-Präsident zum zweiten Mal nach Berlin. Welche Erwartungen hat Deutschland dieses Mal an ihn?

Wer damals nicht mitjubeln wollte, musste sich als Aussätziger empfinden. Es war die Zeit der größtmöglichen Beschimpfung des amtierenden US-Präsidenten George W. Bush. Nur ein völliger Politikwechsel schien die richtige Antwort auf die „Kriegspolitik“ der US-Amerikaner zu sein. Obama ist inzwischen zum zweiten Mal als Präsident gewählt und kann die für ihn letzten Jahre mit vollem Elan anpacken. Die ersten vier Jahre hatte er mit einem seltsamen persönlichen Politikwechsel hinter sich gebracht. Man kann sogar von einem Bruch mit den hehren Versprechungen aus seiner Kandidaten-Zeit sprechen. Denn er hatte nicht bloß Guantánamo beibehalten, sondern auch den Krieg mit unbemannten Drohnen ausgeweitet – für einen vorzeitig zum Friedensnobelpreisträger gekürten Politiker auf jeden Fall äußerst überraschend. Kein Wunder, dass man jetzt sogar den berüchtigten „Kriegstreiber“ und Vorgänger von Obama,

George W. Bush, rehabilitiert. „Vom Buhmann zum Vorbild“, las man in einer großen süddeutschen Tageszeitung, weil Bush zu Ehren eine Gedenkbibliothek eingerichtet wird, zu deren Eröffnung alle seine noch lebenden Amtsvorgänger und sein Nachfolger ihr Kommen zugesagt haben. Wie einst bei Ronald Reagan lernt Amerika jetzt bei Bush jr. dazu.

Zur Ehrenrettung von Obama muss gesagt sein, dass er die vorgegebenen politischen „Rahmenbedingungen“ nicht völlig ändern konnte. Er musste den Afghanistan-Krieg so zu Ende führen, dass dieser aus US-amerikanischer Sicht nicht zum Desaster wurde. Er musste auf den „Arabischen Frühling“ so reagieren, dass einigermaßen demokratische Strukturen entwickelt werden konnten und möglichst wenig Blutvergießen eintrat. Er muss im Fall Syrien ein drittes Blutbad, nach Irak und Afghanistan, vermeiden und trotzdem Hoffnung geben, dass die USA notfalls helfend und schützend eingreifen. Er darf nicht den Eindruck eines „Isolationismus“ erwecken, der wegen schwerer innenpolitischer Probleme nur zu verständlich wäre. Ein US-Diplomat sagte kürzlich auf einer Tagung nahe Passau, also nahe des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“, der die Region in den toten Winkel abgeschoben hatte, „eine isolationistische Außenpolitik scheint auf den ersten Blick verführerisch, sie verschiebt aber nur die Problemlösung und ist daher kontraproduktiv“.

Die USA müssen also auch unter Präsident Barack Obama mehr als präsent sein. Man macht seinem Land stets Vorwürfe, wenn es nicht eingreift – weil man ja von Russland, China oder der EU ohnehin keine größeren Truppen-Kontingente in ferneren Ländern erwartet. Die Rolle der USA als „Weltpolizist“ oder als „Friedenssheriff“ hat sich seit dem Ersten Weltkrieg entwickelt. Das war nur selten angenehm. Sie hat viele Opfer gekostet, menschliche wie finanzielle. Sie hat auch die innenpolitische Lage in den Vereinigten Staaten mehr als vernachlässigt. Sie hat vor allem den Anti-Amerikanismus befördert, besonders wenn er gepaart war mit unangenehm wirkenden Verantwortlichen.

Obama hat in Europa den Vorteil, dass ihm gegenüber die Öffentlichkeit nie so ablehnend oder gar gehässig auftritt wie bei seinem aus Texas stammenden Vorgänger. Er kann, wenn man so will, deutlicher werden, ohne dass man ihn gleich verurteilt. Er kann – und das hoffen viele – den Europäern auch den Weg weisen zu mehr Eigenverantwortung, zu mehr Initiativen, besonders zur gemeinsamen Verteidigungspolitik. Denn obschon es in den 1990er Jahren deutliche Ansätze zu einer europäischen Verteidigungspolitik gegeben hat, mit der deutsch-französischen Brigade, mit dem Eurokorps oder mit dem Ziel einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) unter Führung von Ex-Nato-Generalsekretär Xavier Solana, scheint inzwischen alles gescheitert zu sein. Der nationale Egoismus lässt auf keine Souveränitätsrechte verzichten, der nationale Kleingeist bietet keine Chance, einen substanziellen Beitrag zu großen militärischen Verpflichtungen zu erbringen. Die EU dümpelt aus dieser Sicht tragisch dahin. Zu „braven Friedenssoldaten“ reicht es gerade noch, aber zu militärischer Führung? Niemand erwartet von Österreich oder Belgien eine entscheidende militärische Stärke. Doch Deutschland versagt, wenn es seine zentrale europäische Lage und wirtschaftliche Führungskraft nicht in einen überzeugenden sicherheitspolitischen Anspruch umsetzen kann.

Wer kümmert sich in Deutschland um diesen Anspruch? Spötter sagen: „Für jedes Schlagloch auf Deutschlands Straßen gibt es Staatssekretäre, für jede Kunstausstellung mindestens einen Staatsminister.“ Nur wenige Abgeordnete drängen aber auf jährliche parlamentarische Groß-Debatten zur Sicherheitslage. Von den Linken im Parlament kann man dies nicht erwarten – obwohl die DDR damals in viele Länder der Welt Soldaten entsandt hatte. Bei den Christ- und Sozialdemokraten, die einst wichtige Minister wie Franz Josef Strauß, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Georg Leber, Manfred Wörner oder Volker Rühe aufzubieten hatten, müsste eine außen- und sicherheitspolitische Strahlkraft aber selbstverständlich sein. Es geht nicht um Säbelrasseln, es geht um weise Voraussicht. Kann Barack Obama bei seinem Berlin-Besuch wieder aufrütteln?

Vor knapp 100 Jahren schlitterte Europa in den Ersten Weltkrieg. Jahrzehntelang hatte man sich in Deutschland sicher gefühlt – und die falschen Bündnisstrategien gewählt. Wiederholt sich etwa die Geschichte? Die so bedeutende und unverzichtbare Pressefreiheit muss man hierzulande nutzen, mehr als Steuersünder oder Landtags-Schwächlinge jene Schlafmützen an den Pranger zu stellen, die die großen Sicherheitsfragen der Nation vergessen. Wird Obama im Juni den richtigen Denkanstoß geben? Es hat sich nämlich nichts geändert am alten klassischen Satz: „Wer den Frieden will, rüste sich zum Krieg.“

 

Klaus Rose (CSU) war von 1974 bis 1977 Mitglied des Bayerischen Landtags und von 1977 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren