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08.06.13 / Abriss für Straßenerweiterung / Königsberg will Staus vermeiden − Heimatforscher verteidigen Häuser am Litauer Wall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Abriss für Straßenerweiterung
Königsberg will Staus vermeiden − Heimatforscher verteidigen Häuser am Litauer Wall

Königsberg steht vor einem verkehrstechnischen Problem: Das Verkehrsaufkommen wächst beständig, doch die Bebauung sowie die alte Stadtbefestigung lassen Straßenerweiterungen kaum zu. Die für den Verkehr zuständigen Politiker erwägen deshalb einen Abriss von Häusern am Nadelöhr Litauer Wall. Heimatforscher ziehen gegen diese Pläne zu Felde.

Vor Kurzem ließ Bürgermeister Alexander Jaroschuk verlauten, dass die Kreuzung Litauer Wallstraße und Sackheim beim Sack-heimer Tor verbreitert werden soll, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Dafür soll das Gebäude mit der Hausnummer 59 auf dem Litauer Wall weichen, das zur Stadtbefestigung zwischen Litauer Wall und Sack­heimer Tor gehört. Nach Meinung von Heimatforschern zeugt ein typisches Ornament des Deutschen Ordens im Ziegelwerk in Form eines Gitters davon, dass es zu dem Komplex gehört, denn dieses Ornament findet sich auch an der Fassade des Sackheimer Tors.

Die Stadtverwaltung begründet ihr Bestreben, die Straße zu verbreitern, mit den ständigen Staus auf dieser Kreuzung, denn hier laufen einige Einfallstraßen aus den Vororten ins Königsberger Zentrum zusammen. Die Stadtregierung zählt das Gebäude nicht zu den Architekturdenkmälern. Deshalb steht es auch nicht unter Denkmalschutz. Zurzeit befindet es sich im Besitz der Gebietsverwaltung, aber die Stadtverwaltung hat sich schon das Einverständnis zum Abriss eingeholt.

Der Klub der Heimatforscher hat sich an Bürgermeister Alexander Jaroschuk mit der Bitte gewandt, die Abrisspläne zurückzunehmen. Die Heimatforscher schlagen eine eigene Lösung vor, nämlich den Bürgersteig zu verengen und stattdessen die Fußgänger durch das Torgebäude zu leiten, so, wie es ursprünglich einmal war. Gleichzeitig könnte die Nutzung des Tors den Beginn seiner Restaurierung darstellen. Im benachbarten Gebäude könnte ein Hotel oder ein Geschäftszentrum entstehen.

Einige Stadtvertreter wie der Kulturwissenschaftler Alexander Popadin halten den Abriss des Gebäudes nicht für tragisch, da vor dem Krieg in Königsberg auch Häuser und ganze Gebäudekomplexe abgerissen wurden aufgrund von Änderungen der Städteplanung und neuer Straßen.

Bei Befragungen sprechen sich zwei Drittel der Menschen für einen Erhalt des Gebäudes aus, nur ein Drittel ist für den Abriss. Letztere schätzen die Zeitersparnis durch eine Straßenerweiterung als sehr hoch ein. Aus demselben Grund wurden bereits mehrere Straßenbahnlinien in Königsberg eingestellt und die Schienen demontiert. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, waren sie aber eigentlich nicht der Grund für kilometerlange Staus, denn eine Besserung der Verkehrslage ist nicht eingetreten. Da die Fahrgastbeförderung der eingestellten Straßenbahnlinien heute Minibusse übernehmen, verschlimmern diese die Stausituation eher noch.

Die Königsberger nehmen das Ganze mit Humor. Ein Autofahrer scherzte, man könne gleich die ganze Stadt abreißen, um Staus zu verhindern. Alexej, ein Berufsfahrer, findet den Abriss des Gebäudes zwar logisch, glaubt aber nicht, dass dies Staus verhindern würde. Ein Taxifahrer, der häufig Fahrgäste zum Südbahnhof bringt, klagt über ständige Staus zwischen den Toren. Auch er bezweifelt die Zweckmäßigkeit eines Häuserabrisses und meint, dass eine Umgehung über die Labiauer Straße mehr bringen könnte. Überhaupt sei Königsberg auf die steigenden Verkehrszahlen nicht vorbereitet.

Der Klub der Heimatforscher führt zurzeit eine zweiwöchige Unterschriftensammlung für den Erhalt der Häuser am Litauer Wall durch. Jurij Tschernyschew


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