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08.06.13 / Auf dem Rücken der Tiere / Dressur auf russische Art – Trickreiter der Kreml-Reitschule begeistern Publikum mit akrobatischer Pferdeshow

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Auf dem Rücken der Tiere
Dressur auf russische Art – Trickreiter der Kreml-Reitschule begeistern Publikum mit akrobatischer Pferdeshow

Diese atemberaubende Truppe will ich haben, dachte sich Ulrich Kasselmann. Der Impresario, dessen Name für internationalen Dressursport auf höchstem Niveau steht, hatte das Show-Team der Kreml-Reitschule beim Thronjubiläum der Queen letztes Jahr in Windsor gesehen. Danach stand sein Entschluss fest, Russlands Pferdeakrobaten mit Hilfe des in Deutschland lebenden Reiters und Landsmanns Vladimir Belet-skij zu seinem Reitturnier Horses & Dreams nach Hagen am Teutoburger Wald zu holen.

Sie liegen auf, an und unter ihren Pferden, kriechen unter Hals und Bauch des Vierbeiners hindurch, springen auf ihn und wieder runter, bilden Pyramiden auf dessen Rücken und absolvieren ganze Dressurquadrillen stehend im Sattel. Das alles vorzugsweise auf galoppierenden Pferden bei bis zu 40 Stundenkilometern. Nur im Sattel sitzend, sieht man sie kaum. Kann man bei diesen Akrobaten überhaupt noch von Reitern sprechen? Sie selber nennen ihre Show Trickreiten und sich demzufolge Trickreiter.

Eigentlich aber handelt es sich um „dzhigitovka“, die Beherrschung der russischen Kavallerie-Kampfkunst mit dem traditionellen Kosaken-Säbel auf dem Pferderücken und auf der Erde in Kombination mit Geschick, Mut, Courage und absoluter Kontrolle über das Pferd. Dafür arbeitet jeder Trickreiter täglich 2,5 Stunden mit dem Pferd und absolviert zusätzlich 1,5 Stunden persönliches Training. Dazu gehören Akrobatik, Gymnastik und das Üben im Umgang mit dem Kosaken-Säbel.

Das Säbelrasseln entfiel in Hagen. Denn die Show für Horses & Dreams war speziell für das Gastland vorbereitet worden mit „Tanzeinlagen und extra vielen riskanten Elementen wie der Pyramide“, so Sprecher Andrey Pevitsyn. Erstere vollzogen sich unter anderem vor einem auf dem Hinterteil sitzenden Pferd, das dem Kosakentanz seines Reiters unbeweglich zuschaute. Letztere beeindruckte mit drei Pferden und sechs Reitern, die unteren drei sitzend, die anderen auf deren Schultern stehend, die mit den Händen die Flaggen von Deutschland und Russland hielten – natürlich in voller Fahrt.

Wen sollte man dabei also mehr bewundern? Die Pferde, die wie auf Knopfdruck im Renngalopp abgehen und genauso schnell wieder ruhig stehen bleiben? Oder die in absoluter Körperbeherrschung agierenden Reiter-Akrobaten? Dass bei insgesamt fünf Shows in vier Tagen sich dann doch einmal ein Reiter in der Hektik der rasanten Abfolge der Übungen von seinem Pferd trennte und dieses die Freiheit einige Minuten auskostete, ist fast tröstlich bei der beeindruckenden Präzisionsarbeit, welche Mensch und Tier hier an den Tag legten.

Das Trickreiten ist die reiterliche Krone der Kremlin Equestrian Riding School (KERS), die im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit dem Moskauer Kreml Kommandant-Service des Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation und der Uralsib-Bank zur Wiederbelebung der Reitkunst gegründet wurde. Seit dem ersten Tag an steht sie unter dem Motto: „Die Kultur und Tradition der Reitkunst für den Menschen zu nutzen.“

Das Aushängeschild sind die Showreiter, welche sich der Traditionspflege der Kosakenreiterei verschrieben haben und ihr Können im eigenen Land vorzugsweise auf Militärparaden den staunenden Zuschauern präsentieren. Die eigentliche Zielgruppe der Reitschule aber sind die Kinder. „Zur Förderung eines gesunden Lebensstils und zur Bildung der Jugend durch die Arbeit mit dem Pferd“, wie Andrey Pevitsyn erläuterte.

Rund 400 Schüler hat die Institution, rund 70 Prozent, also etwa 350 von ihnen, sind Jugendliche, die auf diese Weise an den Reitsport herangeführt werden. Dem entspricht der Pferdebestand: 16 Pferde stehen fürs Trickreiten zur Verfügung, 50 für den restlichen Schulbetrieb, davon sind 25 Ponys. Dabei geht es auch um Dressur und Springen, wozu neben den russisch gezogenen Tieren auch schon einmal ein Pferd einer anderen europäischen Rasse importiert wird.

In Moskau arbeiten 118 Personen für die Kreml-Reitschule. Das 27-köpfige Team in Hagen bestand aus 13 Reitern und Reiterinnen, Tierärzten, Pflegern, Managern und Fahrern. Fünf Tage dauerte die Fahrt von Moskau nach Hagen, welche nicht nur die Menschen, sondern auch die zwölf Pferde bei bester Gesundheit überstanden. Kein Wunder, sind die vierbeinigen Show-Stars doch ausschließlich Vertreter der russischen Rassen Don und Budjonny, deren Vorfahren schon seit Tausenden von Jahren in der russischen Steppe lebten und deren harte Konstitution sich bis heute erhalten hat. Als traditionelles Reittier der Donkosaken wurde vor allem das schnelle und furchtlose Don-Pferd durch sein Mitwirken an der Vertreibung Napoleons und dessen Grande Armée weltberühmt.

Der Budjonny, das Edelprodukt des Don, entstand erst in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Um ein schnelles, rittiges und genügsames Kavalleriepferd zu erhalten, kreuzte sein Namensgeber Marschall Semjon Michailowitsch Budjonny das Don-Pferd mit Englischen Vollblütern. 1948 wurde die Rasse offiziell anerkannt und ist heute in Russland weit verbreitet.

Absolut einmalig dürfte der Glanz der Don-Pferde sein. Wie Gold leuchtete ihr Fell in der Frühjahrsonne. Mehr Glamour geht kaum. Russlands moderne Kosaken und ihre Pferde waren in Deutschland erstmals 2008 beim CHIO in Aachen zu sehen. Nach ihrem Auftritt in Hagen a.T.W. wurde nun die Gegeneinladung ausgesprochen. Sollte es dazu kommen, darf man gespannt sein, was deutsche Pferdeflüsterer Russlands Trickreitern und ihren Goldfüchsen entgegenzusetzen haben. Helga Schnehagen


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