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08.06.13 / Viel Lärm um Nichts / Die mit viel Wirbel gestartete Merkel-Biografie bietet wenig Neues

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Viel Lärm um Nichts
Die mit viel Wirbel gestartete Merkel-Biografie bietet wenig Neues

Um es gleich vorweg zu sagen: „Das erste Leben der Angela M.“ ist ein wenig unterhaltsames Buch. Und es gäbe wohl kaum einen Grund, sich durch die 290 Seiten Nettotext zu quälen, wenn „M.“ eben nicht für „Merkel“ stehen würde. Wieder einmal haben sich zwei Biografen an der ersten deutschen Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden abgearbeitet, die 1954 als Angela Dorothea Kasner das Licht der Welt erblickte und seit ihrer Eheschließung 1977 den Namen Merkel trägt, obwohl diese Ehe bereits nach vier Jahren wieder geschieden wurde und 1998 eine zweite Heirat mit dem Quantenchemiker Joachim Sauer erfolgte. Derlei Verwirrspiel mutet fast schon ein wenig konspirativ an, womit auch gleich der entscheidende Punkt erwähnt wäre, um den sich die neue, nunmehr sechste große Merkel-Biografie vorrangig dreht: Hat die angeblich mächtigste Frau der Welt etwas aus ihrer Vergangenheit zu verbergen?

Laut dem Historiker Ralf Georg Reuth und dessen Co-Autor Günther Lachmann auf jeden Fall. Zum Ersten könne man Merkels Elternhaus keineswegs als systemkritisch bezeichnen – immerhin habe Vater Horst Kasner (Spitzname nicht ohne Grund: „Roter Pastor“) äußerst aktiv an der von der Staatssicherheit initiierten Spaltung der gesamtdeutschen Kirchenorganisation mitgewirkt. Zum Zweiten sage die Kanzlerin die Unwahrheit, was ihr gesellschaftspolitisches Engagement in der DDR betreffe. So sei sie am Zentralinstitut für physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda sowie Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung gewesen und keine schlichte „Kulturbeauftragte“. Zum Dritten ergebe sich ihre Nähe zum DDR-Staat auch aus dem Umstand, dass sie seit 1986 zum hochexklusiven Kreis der „NSW-Reisekader“ gehört habe, der das Monopol auf Dienstreisen in den Westen gehabt habe. Und zum Vierten könne man die Merkel von vor März 1990 mit Fug und Recht als Reformkommunistin bezeichnen. Davon zeuge ihr Engagement für einen demokratischen Sozialismus innerhalb einer reformierten und eigenständig bleibenden DDR.

Als Beweis für diese Haltung führen Reuth und Lachmann Merkels Aktivitäten in der Reformpartei Demokratischer Aufbruch (DA) an, der sie bis zur verlorenen Volkskammerwahl von 1990 als Pressesprecherin diente. Der DA hielt noch bis zu seinem Leipziger Parteitag im Dezember 1989 an der Vision eines besseren Sozialismus im Osten Deutschlands fest.

Dabei kam dieser Kurs keineswegs von ungefähr. Im wohl interessantesten Teil des Buches wird dargelegt, wer hinter der reformwilligen, aber prosozialistischen und prosowjetischen Opposition gegen Erich Honecker und Co. stand, nämlich der sowjetische Geheimdienst KGB. Der Chef von dessen Berliner Auslandsdienststelle, General Anatoli G. Nowikow, hatte bereits im April 1988 die extrageheime Arbeitsgruppe „Lutsch“ (zu deutsch: „Strahl“) gebildet, welche von Oberst Boris W. Laptijew geleitet wurde und die Anti-Honecker-Freunde betreute beziehungsweise im Sinne Mos-kaus steuerte, bis die vom Kreml inszenierte „Wende“ sukzessive aus dem Ruder lief – nicht zuletzt, weil die Stasiverstrickungen von Personen wie Wolfgang Schnur, dem Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruchs, aufflogen.

Und das war dann auch die Stunde der Angela Merkel: Noch in der Nacht nach der Wahl vom 18. März 1990, in der der Demokratische Aufbruch wegen der Schnur-Affäre gerade einmal auf 0,92 Prozent der Stimmen gekommen war, diente sich die Pressesprecherin der gescheiterten Partei Lothar de Maizères, dem Vorsitzenden der siegreichen DDR-CDU, an. Und da die Väter der beiden einstmals schon gemeinsam für die Belange der Kirche im Sozialismus eingetreten waren, die Familien sich also kannten, stellte es für den Stasi-IM „Czerni“ alias de Maizère dann auch quasi eine Ehrensache dar, Merkel den Weg zu einer neuen Karriere im bald wiedervereinigten Deutschland zu bahnen. Wolfgang Kaufmann

Ralf Georg Reuth, Günther Lachmann: „Das erste Leben der Angela M.“, Piper, München 2013, geb., 336 Seiten, 19,99 Euro


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