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08.06.13 / Ein absolut fahrlässiges Handeln / Der Euro sei von Anfang an schlecht umgesetzt worden, so der Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-13 vom 08. Juni 2013

Ein absolut fahrlässiges Handeln
Der Euro sei von Anfang an schlecht umgesetzt worden, so der Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank

Meinungsfreiheit gilt nicht für jeden gleichermaßen. Zu dieser Feststellung gelangte Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Strittige Gedanken zu äußern mag gutes Marketing für Journalisten oder wissenschaftliche Kommentatoren (und natürlich Buchautoren) sein. Ich musste feststellen, dass es für den Chefvolkswirt eines bedeutenden europäischen Kreditinstitutes etwas schwieriger ist, derartige Vorstellungen zu äußern“, so der Ökonom, der im Frühjahr 2012 seinen Dienst quittierte und seine Gedanken zum Euro bei einem englischsprachigen Verlag herausbrachte. „Europas unvollendete Währung. Wie geht es weiter mit dem Euro“ heißt nun die deutsche Übersetzung, auf deren Buchumschlag sogar Kritiken aus der Feder von Alan Greenspan, Ex-US-Notenbankchef, und Axel Weber, Ex-Präsident der Bundesbank, abgedruckt sind.

In der Bilanz sagt Mayer für jene, die sich bereits mit der Euro-Krise und ihren Hintergründen beschäftigt haben, zwar wenig Neues, doch es ist eben aufschlussreich, dass es aus seiner Feder kommt und dass er betont, dass er all das als Chefvolkswirt der Deutschen Bank so nicht hätte sagen dürfen.

Ganz nüchtern stellt er zu Beginn seiner Ausführungen fest, dass jene, die glauben, dass eine Währung nur ein gesetzliches Zahlungsmittel sei, sich irren. Schon seit Anbeginn seien Währungen auch politisches Symbol, was am leichtesten durch die Köpfe von Königen auf alten Münzen zu erkennen sei. Über die politischen Gründe für die Schaffung und Beibehaltung des Euro schreibt Mayer ausführlich. Ökonomische Argumente hätten von Beginn an nur am Rande eine Rolle gespielt. So soll Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl gegenüber den US-Außenminister James Baker gesagt haben, dass er überzeugt sei, er diene deutschen Interessen, wenn er als Preis für die Erlaubnis der anderen europäischen Staaten zur Wiedervereinigung die D-Mark aufgebe.

Bedauerlicherweise hätten Kohl und seine Nachfolger jedoch nicht nur die D-Mark aufgegeben, betont Mayer, sondern Stück für Stück fast alle Forderungen, die sie an eine Gemeinschaftwährung stellten. Der Autor schildert, wie deutsche Wünsche von vornherein ignoriert oder aufgegeben wurden, weil Deutschland gegenüber den europäischen Partnern nicht als zu dominant dastehen wollte. Und selbst jene Kriterien, die schriftlich festgelegt wurden, seien – oft sogar mit Deutschlands Unterstützung – gebrochen worden. Zwar habe man die Nicht-Beistandsklausel in die Verträge eingearbeitet, gleichzeitig aber keine Vereinbarung getroffen, wie man mitn Staatsbankrotten umgeht, so dass am Ende nichts anders übrig blieb, als den überschuldeten Ländern doch beizustehen, wie inzwischen mehrfach geschehen. Überhaupt habe man keinerlei Schutz oder Maßnahmen für Finanzkrisen festgelegt, was Mayer als ausgesprochen „fahrlässig“ bezeichnet und den Euro zu einer Schön-Wetter-Währung macht.

Doch gerade bei Währungsunionen herrscht oft raues Wetter. Wie die Erfahrungen zeigen. Ausführlich geht Mayer auf die verschiedenen Währungsunionen der Geschichte ein und beschreibt beispielsweise am Deutschen Reich, aber auch an der sich in Auflösung befindlichen Sowjetunion vor welchen Schwierigkeiten Währungsgemeinschaften stehen. Am Ende zieht er das Fazit, dass in den ersten Agrarreichen (3500–800 v. Chr.) auf Kreditkrisen, nichts anderes sei die Ursache der Euro-Krise, Schuldenerlasse gefolgt seien, in modernen Zeiten hingegen würde die Notenpresse aktiv werden.

Eine Chance, die Euro-Krise zu lösen, seien der Verlust der nationalen Souveränität und die zentrale Regelung der Staatsfinanzen von Brüssel aus. Doch Mayer hält eine politische Union für absolut unrealistisch. Sie sei auf demokratischem Weg nicht umsetzbar.

Dann schlägt der Ökonom Lösungen für die Euro-Krise vor. Als Voraussetzung betont er aber, dass die Europäische Zentralbank zwar bei Liquiditätsproblemen den Märkten Überbrückungsfinanzierungen anbieten könne, sie aber nicht, so wie es geschieht, durch billiges Zentralbankgeld künstlich Banken und Staaten am Leben erhalten dürfe. Auch sei es falsch, dass Banken unbegrenzt Staatsanleihen kaufen können, ohne dass sie hierfür Sicherheiten zurücklegen müssen. Dies würde Banken und Regierungen auf unseriöse Weise zusammenschweißen, was einer unheiligen Allianz gegen den Souverän, den Bürger, gleichkomme. Auch räumt Mayer mit der Vorstellung auf, dass Deutschland vom Euro profitiere, weil dieser eine schwache Währung sei. Am Ende schlägt er, genau wie die Partei „Alternative für Deutschland“, die Einführung von Parallelwährungen vor. Und er betont, dass es nicht tragbar sei, solche Positionen als politisch inkorrekt zu bezeichnen. Jeder, der seiner Argumentation gefolgt sei, würde erkennen, dass die jetzige Politik den Todeskampf der Euro-Zone nur verlängere, „ehe die politische Uneinigkeit über unbezahlte Rechnungen zu ihrem endgültigen Auseinanderbrechen führt“. Rebecca Bellano

Thomas Mayer: „Europas unvollendete Währung. Wie geht es weiter mit dem Euro“, Wiley, Weinheim 2013, geb., 237 Seiten, 19,90 Euro


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