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15.06.13 / Unerwünschte Erdogan-Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Unerwünschte Erdogan-Kritik

Kritik an dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan galt bis vor Kurzem als nicht opportun. Bloß nicht das Offensichtliche sagen, denn es könnte das von Europa erwünschte Bild vom netten Herrn aus Ankara zerstören. Diskriminierung von Christen, Manipulationsversuche bei den Deutsch-Türken, Leugnung des Genozids an den Armeniern, mangelnder Versöhnungswille bei der Kurden- und Zypernfrage, Entmachtung des Militärs und der Justiz, Aushöhlung der Demokratie und der Pressefreiheit; die Liste könnte durchaus noch verlängert werden, doch sie hatte keine ernstzunehmenden Folgen auf die Haltung Deutschlands und der allermeisten anderen EU-Staaten inklusive Brüssel gegenüber dem türkischen Regierungschef.

Und wer behauptete, Erdogan sei Islamist, musste damit rechnen, von der veröffentlichten Meinung als islamophob oder türkeifeindlich hingestellt zu werden. Nun aber kommt der Vorwurf aus der Türkei selber und das in einer Lautstärke, die überrascht. Ja, Erdogan will ein säkulares Zentrum, das an den Gründungsvater der Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, erinnert, abreißen lassen und dafür eine Moschee an der Stelle bauen, aber Ähnliches hat er zuvor auch schon getan. Während seiner zehnjährigen Amtszeit wurden bisher rund 17000 Moscheen gebaut. Auch hat er das Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen, auf das die säkulare Türkei so stolz war, aufgeweicht. Seine Frau und seine beiden Töchter tragen das mit vielen Emotionen und viel Politik verbundene Stück Stoff demonstrativ. Auch hat er Koranunterricht an den Schulen zur Pflicht gemacht und versucht, Stück für Stück ein Alkoholverbot durchzusetzen. Zwar ist Erdogans Islamisierungsstrategie nicht neu, doch offenbar reicht es den Türken nun. Bel

 

Zeitzeugen

Recep Tayyip Erdogan – Wer den türkischen Ministerpräsidenten als Wolf im Schafspelz bezeichnet, der macht es sich zu einfach. So hat der 59-Jährige aus seinen Plänen, aus der seit Atatürk im Grunde säkularen Türkei einen islamischen Staat zu machen, nie ein Geheimnis gemacht. Zwar gab es Zeiten, in denen er sein Vorhaben nicht ganz so lautstark propagierte, doch ein Blick in seine Biografie und seine Äußerungen belegen schnell, dass er seine selbstgewählte Mission stets im Blick hatte. So war er in jungen Jahren in verschiedenen Parteien Mitglied, die alle verboten wurden, weil ihnen Sympathien zum Dschihad und Pläne zur Einführung der Scharia unterstellt wurden. „Gott sei Dank sind wir Anhänger der Scharia“ und „Unser Ziel ist der islamistische Staat“ sind Zitate, die von Erdogan stammen. Auch saß er 1998/1999 zehn Monate in Haft, weil er mit der Verbreitung des folgenden Gedichts aus fremder Feder gegen die türkische Verfassung verstoßen hatte: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette ...“

Abdullah Gül – Immer wenn Erdogan einen Strohmann braucht, dann stand bisher der Wirtschaftswissenschaftler und Parteifreund Gül zur Stelle. Nach seiner Haft 1999 durfte Erdogan keinerlei politische Ämter mehr ausüben, doch der ehemalige Istanbuler Bürgermeister wollte das nicht hinnehmen. Nach dem überragenden Sieg der von Erdogan und Gül neugründeten Partei AKP bei den Parlamentswahl 2002 wurde Gül erst Ministerpräsident bis Erdogan nach einer Verfassungsänderung das Amt 2003 übernehmen konnte. Gül war dann unter Erdogan Außenminister, bis er 2007 das Präsidentenamt übernahm. Da Erdogan laut Verfassung nicht erneut als Ministerpräsident kandieren darf, wollte er eigentlich 2014 Güls Amt übernehmen.

Mustafa Kemal Atatürk – Auf den Gründer der aus dem Osmanischen Reich 1919 hervorgegangen Republik Türkei sind viele Türken noch heute stolz. Vor allem das Militär sieht sich in der Tradition des Mannes, der den Namen Atatürk, Vater der Türken, als Zeichen größter Ehrerbietung erhielt. Vor allem die von ihm durchgesetzte Trennung von Staat und Religion wurde bis in die letzten Jahre hinein hochgehalten.


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