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15.06.13 / Moskaus Aderlass / Experten fliehen aus Russland − Trübe Zukunftsaussichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Moskaus Aderlass
Experten fliehen aus Russland − Trübe Zukunftsaussichten

Lange machte ein Gerücht in Russland die Runde, das nun offiziell bestätigt wurde: Das Ehepaar Putin hat sich getrennt. Nach einem gemeinsamen Ballettbesuch auf ihre Ehe angesprochen, bestätigten beide Putins, dass sie schon seit über acht Jahren getrennte Wege gehen. Die Kommentare in Zeitungen und Blogs ließen nicht auf sich warten. „Ob der FSB ihr wohl schon einen Besuch abgestattet hat?“ oder „Was die First Lady geschafft hat, bringt das Volk nicht zustande.“

In der Tat wünschen sich viele, Putin möge den Präsidententhron räumen, glauben aber, dass er daran „klebt“. Als das renommierte und international anerkannte Meinungsforschungsinstitut „Levada-Zentrum“ im Mai eine Umfrage veröffentlichte, der zufolge 55 Prozent der Russen gegen eine vierte Amtszeit Wladimir Putins sind, geriet das Institut unter Druck. Weil es angeblich „Finanzierung aus dem Ausland“ erhalte, wurde das Levada-Zentrum aufgefordert, sich als „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen. Seit einiger Zeit stehen Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten oder dort Niederlassungen haben, auf diese Weise unter der Kontrolle des russischen Staates.

Unter Druck sehen sich auch vermehrt freie Wissenschaftler. Der namhafte Wirtschaftwissenschaftler Sergej Gurijew, bis vor Kurzem Rektor der Russischen Wirtschaftshochschule und Medwedjews Top-Berater, floh nach Paris, nachdem Justizorgane ihn mehrfach verhört hatten. Sein Vergehen: Der Experte hatte 2011 im Auftrag des Menschenrechtsrats beim Präsidenten Russlands ein Gutachten zum zweiten „Fall Ju- kos“ verfasst, in dem er zu dem Schluss gekommen war, dass Ex-Jukos-Chef Chodorkowskij unschuldig sei. Den Auftrag für das Gutachten hatte noch Dmitrij Medwedjew als Präsident erteilt. Wie Gurijew wurden seit 2011 gegen alle bisherigen Verteidiger Chodorkowskijs Sanktionen verhängt. An Stelle unabhängiger Experten − soweit in Russland überhaupt davon die Rede sein kann − treten Konformisten, die dem Präsidenten nicht gefährlich werden können. So sehen es zumindest Putin-Kritiker.

Vor Kurzem hat mit Vize-Premier Wladislaw Surkow das erste prominente Regierungsmitglied Putins Kabinett verlassen. Er galt als mächtiger Kreml-Ideologe und war einst einer der engsten Vertrauten von Putin. Surkins Umfeld war seit Längerem über Putins rabiaten Kurs verärgert. Man hatte sich eher auf vorsichtige liberale Reformen eingestellt. Zum Zerwürfnis mit Surkow kam es, als Putin der Regierung vorwarf, die Dekrete des Präsidenten nicht angemessen umzusetzen.

Nach seinem Rücktritt schweigt Surkow nicht, sondern er prophezeit Russland düstere Zeiten. Das Bruttoinlandsprodukt lag im ersten Quartal mit nur 1,6 Prozent weit hinter den erwarteten drei bis vier Prozent Wachstum, die Ergebnisse der Industrie nähern sich der Nullmarke. Da 60 Prozent des russischen Haushalts aus Öleinnahmen stammen, müssten die Russen mit einem erheblichen Abbruch ihres Wohlstands rechnen, sollte der Ölpreis verfallen. Der Staat müsse sämtliche Subventionen streichen und sogar die staatliche Altersversorgung einfrieren.

Anzeichen für Stillstand sehen Kritiker auch in der Untätigkeit der Regierung bei der Bewältigung des Migrantenproblems. Zwar wurde ein Gesetzentwurf unterbreitet, demzufolge drei Millionen Illegale ausgewiesen werden sollen, doch Taten folgten bislang nicht. Manuela Rosenthal-Kappi


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