20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.06.13 / Privatisierung mit Schattenseiten / Seit Liberalisierung des Schienenverkehrs tummeln sich immer mehr ausländische Staatsbahnen in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Privatisierung mit Schattenseiten
Seit Liberalisierung des Schienenverkehrs tummeln sich immer mehr ausländische Staatsbahnen in Deutschland

Gewinnrückgang, schrumpfender Güterverkehr, Verzögerungen bei der Lieferung neuer Züge und der Verlust von Regionalverkehrsstrecken quälen die Deutsche Bahn. Doch anstatt zu handeln, verrennt sich der Vorstand in Träume von unrealistischen Wachstumszahlen.

Auf den ersten Blick mag ein Betriebsergebnis von 470 Millionen Euro für die ersten vier Monate in diesem Jahr nach einer erfreulichen Nachricht klingen, doch Bahnchef Rüdiger Grube war keineswegs beglückt. Eigentlich hatte die Deutsche Bahn AG 660 Millionen Euro für besagten Zeitraum angestrebt und das sollte nur eine Etappe beim großen Ziel von vier Milliarden Nettoergebnis im Jahr 2018 sein. So waren für dieses Jahr insgesamt 2,9 Milliarden Euro angepeilt, doch nun zeichnet sich ab, dass zwei Milliarden Euro schon ein erfreuliches Ergebnis wären.

Und während der Konzern noch vom Wachstum träumt, bröckelt ihm das Fundament weg, ohne dass alle hochfliegenden Pläne zum Scheitern verurteilt sind. Zwar bekennt man bei der Deutschen Bahn, dass der Schienengüterverkehr schon wieder Verluste schreibt, doch schiebt man diese Einbrüche überwiegend auf die schlechte Konjunktur aufgrund der Euro-Krise. Richtig stimmig ist dies jedoch nicht, denn deutschen Unternehmen geht es vergleichsweise gut und deren Waren werden weiterhin transportiert, auch konsumieren deutsche Verbraucher fleißig Waren aus dem Ausland. Dass der Bereich in den letzten Monaten um rund fünf Prozent schrumpfte, beruht eher auf dem Umstand, dass die Bahn immer mehr Konkurrenz bekommt.

Was bei dem Güterverkehr erst allmählich geschieht, ist im Regionalverkehr bereits im vollen Gange. Bisher galt die Sparte DB Regio als Goldesel des Konzerns. Der Schienennahverkehr, der vom Bund mit sieben Milliarden Euro pro Jahr subventioniert wird, wird jedoch immer mehr zur Achillesverse des Konzerns, der auch ein großer Arbeitgeber ist.

So mancher Berufspendler und regelmäßiger Bahnkunde hat in den letzten Jahren selbst erlebt, dass auf seiner Strecke statt der Deutschen Bahn ein anderer Anbieter fährt. Oft lösten diese Veränderungen eine positive Erwartungshaltung und auch ein wenig Schadenfreude darüber aus, dass die große Deutsche Bahn, die viele Kunden mit Verspätungen und unfreundlichem Personal assozieren, keineswegs mehr allmächtig ist. Die Privatisierung des Schienenverkehrs sollte für mehr Wettbewerb in diesem Bereich sorgen. Und dieser erwischt die Bahn derzeit kalt. Denn Stück für Stück verliert ihre DB Regio das Recht, von Kommunen vergebene Strecken zu befahren. Inzwischen wird ein Viertel der Nahverkehrsstrecken von neuen Betreibern bedient. Diese haben oft neuere Züge und sind manchmal billiger, pünktlicher, freundlicher und auch flexibler, da es aber auf den ersten Blick so viele verschiedene neue Anbieter gibt, sind Verallgemeinerungen nicht möglich. Oft jedoch geht der Anbieterwechsel mit Stellenstreichungen bei der Deutschen Bahn einher und insgesamt mit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, denn noch heute zehren die DB-Mitarbeitern von den Privilegien, die ein Staatskonzern in sich birgt. Hinzu kommt eine starke gewerkschaftliche Durchdringung. Und so ist es auch die bei der Bahn mit tonangebende Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, die betont, dass die neuen Wettbewerber schlechtere Arbeitszeitregelungen und niedrigere Löhne hätten. Sachsen-Anhalts Nachverkehrsgesellschaft, die Anfang des Jahres den S-Bahn-Verkehr im Raum Halle an den Bahnkonkurrenten Abellio vergeben hat, erwidert jedoch, dass man durchaus darauf geachtet habe, dass das neue Unternehmen Tariflöhne zahle. Das ist auch der Fall, nur liegt der Branchentarif der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (ehemals Verkehrsgewerkschaft GDBA und Transnet) in diesem Fall unter dem, was die Deutsche Bahn zahlt, auch sind die Mitarbeiter jünger, was niedrigere Grundgehälter bedeutet.

Aus Sicht des Deutsche-Bahn-Vorstandes sind auch die niedrigen Löhne der Konkurrenz Ursache dafür, dass bei Ausschreibungen inzwischen nur noch knapp 50 Prozent der Strecken zurück an die Deutsche Bahn als Betreiber gehen.

Wer die Namen der vielen neuen Konkurrenten der Deutschen Bahn liest, glaubt immerhin an eine gelungene Privatisierung des Schienenverkehr. Doch davon kann nicht die Rede sein. Die Hauptkonkurrenten der Deutschen Bahn sind nämlich neben regionalen, in der öffentlichen Hand befindlicher Verkehrsverbünder ausländische Staatsbahnen. So ist beispielsweise Abellio eine Tochter der niederländischen Staatsbahn. Die Keolis Deutschland GmbH, die in Nord-rhein-Westfalen und Nordhessen aktiv ist, ist wiederum die Tochter einer öffentlichen französischen Eisenbahngesellschaft. Und wer bei der Dieselnetz Südwest GmbH, die gerade die Ausschreibung für zehn Eisenbahnstrecken in Rheinland-Pfalz gewonnen hat, an ein deutsches Unternehmen denkt, irrt. Zwar ist das Unternehmen eine Tochter der Regentalbahn AG, die wiederum gehört zum Netinera-Konzern, der zu 51 Prozent der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato und dem französisch-luxemburgischen Infrastrukturfonds Cube gehört. Netinera hatte 2010 das Deutschlandgeschäft der britischen Gesellschaft Arriva übernommen, die von der Deutschen Bahn aufgekauft worden war, doch da die DB sich aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht selbst Konkurenz machen durfte, fiel das Deutschlandgeschäft an Netinera, die nun zweitgrößter Anbieter im Personennahverkehr werden wollen. Dies ist zurzeit noch Veolia Verkehr GmbH, die dem französischen Mischkonzern Veolia (Wasser, Abwasser, Strom) und der französischen Staatsbank CDC gehört. Veolia Verkehr betreibt in Deutschland beispielsweise die Bayerische Regiobahn. Doch da der französische Mutterkonzern Veolia nach starken Verlusten Unternehmensteile verkauft, bot sie der im heimischen Revier stark zurückgedrängten Deutschen Bahn ihr Osteuropageschäft an.

Und während also die Deutsche Bahn AG, die trotz allem als profitabelste europäische Eisenbahngesellschaft gilt, in ihrem Mutterland eher schrumpft als wächst, breitet sich ihre Tochter DB Arriva in Osteuropa aus. Nach Polen, Slowakei und Tschechien kommen nun auch noch Kroatien, Serbien und Slowenien im Bahn- und Busverkehr hinzu. Die „Privatisierung“ des europäischen Schienenverkehrs macht es möglich. Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren