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15.06.13 / Aal Grün, Majolika und Heiliger Stein / Erinnerungen an die Haffuferbahn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Aal Grün, Majolika und Heiliger Stein
Erinnerungen an die Haffuferbahn

Wenn auf unserer Familienseite eine Bezeichnung auftaucht, die auf Ostpreußen hinweist, wird jeder von uns hellhörig. Und zumeist keimt dann eine Erinnerung auf, in die dieses Wort eingebunden ist. So erging es mir mit der „Haffuferbahn“, die Herr Timmreck im Rahmen seiner Sucharbeit nach den letzten Flüchtlingszügen erwähnte. Wir hatten in Folge 18 nur kurz erwähnt, dass eine Lokomotive der Haffuferbahn einen Zug mit Flüchtlingen von Braunsberg nach Lüneburg gebracht hatte. „Haffuferbahn“ – das Erinnerungskarussell rotierte. Nein, ich bin nie mit ihr gefahren, leider, denn sie soll eine der schönsten Strecken Ostpreußens gewesen sein, wie mir wenige Jahre nach der Flucht ein Landsmann versicherte, der aus Braunsberg stammte. Bei dem Wort „Haffuferbahn“ bekam er glänzende Augen. Mit ihr verband er damals noch taufrische Erinnerungen und eine Fahrt schien ihm immer wieder erzählenswert: Das war die sehr fröhliche Zufallstour mit dem Preußenprinzen Louis Ferdinand, die von Braunsberg bis Cadinen führte. Allerdings machte sich in der Kleinbahn sein zuvor genossenes Leibgericht „Aal grün“ bemerkbar, der Fisch schien im Magen plötzlich wieder lebendig zu werden und war nur mit einem vorsorglich mitgenommenen Kornus zu beruhigen. Vermutlich auch mit mehreren.

Dass es sich bei der Haffuferbahn wirklich um eine sehr schöne Strecke handelte, belegt auch der „Grieben Ostpreußen“ aus den 30er Jahren. Er widmet ihr ein ganzes Kapitel, beginnend mit dem Ausgangspunkt Elbing. Nach zwölf Kilometern wird bei Steinort das Frische Haff erreicht. „Rechts erhebt sich das Ufer zu ansehnlicher Höhe, die Elbinger Höhe sendet ihre Ausläufer bis an das Haff. Weiterfahrt an der außerordentlich reizvollen Haffküste nach Succase Haffschlösschen, dem beliebten Ausflugspunkt.“ Besonders zur Baumblüte muss diese Fahrt wunderschön gewesen sein, zumal sich auch der nächste Ort, das 20 Kilometer entfernte Cadinen, als Besucherziel anbot. Nicht nur als „Herrschaft Cadinen“, dem ehemaligen Richthof des Deutschen Ritterordens, seit 1898 Sommersitz der Hohenzollern mit der 1000-jährigen Eiche im Schlosspark, sondern auch mit der berühmten Majolikafabrik. Dass hier an der Haffküste das Kunsthandwerk einen hohen Stand hatte, bewies auch das 22 Kilometer entfernte Tolkemit mit seiner Töpferei und Handweberei. Uralter prussischer Boden mit noch sichtbaren Zeichen dieser frühen Zeit, der Fluchtburg Tolkemita. Von hier aus konnte man mit dem Dampfer in 35 Minuten das auf der Frischen Nehrung liegende Seebad Kahlberg erreichen. Der Fahrplan Tolkemit (Haffuferbahn)–Kahlberg ist sogar im Großprospekt „Seedienst Ostpreußen 1939“ verzeichnet. Die Haffuferbahn führte weiter an dem bei Wieck-Luisental im Haff liegenden „Heiligen Stein“, einem sagenumwobenen Findling, vorbei, zu dem – auch optischen – Höhepunkt der Fahrt: Frauenburg mit dem weit über Land und Haff ragenden Dom. Kurz danach wandte sich die Bahn landeinwärts und erreichte nach den letzten 43 Kilometern Braunsberg, wo sie in die D-Zug-Strecke Elbing–Königsberg einmündete.

So beschreibt auch Herr Dirk Oelmann die Haffuferbahn in seinen Ausführungen zu der von Herrn Timmreck aufgeworfenen Frage, in denen er vor allem auf die dort eingesetzten Lokomotiven eingeht. In der letzten Zeit hat er einige Bücher und Zeitschriften zu dem Thema „Ostpreußische Eisenbahnen“ gesichtet, dabei fiel ihm das sehr interessante Heft „Eisenbahn Kurier Special 52“ aus dem Jahr 1999 in die Hände. Darin entdeckte er genaue Angaben zu den Lokomotiven der Haffuferbahn. Im Besitz der „Haffuferbahn Aktiengesellschaft, Königsberg/Ostpr.“ befanden sich sieben Lokomotiven, 26 Personenwagen und 119 Güterwagen, was auch die wirtschaftliche Bedeutung dieses Verkehrsweges bezeugt. Die modernsten Lokomotiven waren gebraucht gekaufte Staatsbahn-Loks der Baureihe T3, T4, T11 und eine ELNA-Lok von Krauss aus dem Jahr 1922. ELNA-Loks wurden nach einheitlichen Regeln in verschiedenen Bauformen für Privatbahnen gebaut. Die preußische Staatsbahn verwandte das T vor der Zahl als Bezeichnung für Tenderlokomotive. Die alten zweiachsigen Loks der Haffuferbahn waren wahrscheinlich nur bis 1930 im Betrieb. Für den Flüchtlingszug von Braunsberg nach Lüneburg kämen nach Meinung von Herrn Oelmann eigentlich nur die Lokomotiven T3, T11 und die ELNA infrage. Wo die in Lüneburg gelandete Lok verblieb, konnte Herr Timmrick allerdings bisher noch nicht klären. R.G.


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