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15.06.13 / Das Menschsein verloren / Ostpreußischer Sinti erinnert sich an NS-Verfolgung und Heimatverlust

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-13 vom 15. Juni 2013

Das Menschsein verloren
Ostpreußischer Sinti erinnert sich an NS-Verfolgung und Heimatverlust

Anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin am 24. Oktober 2012 erschien das Buch: „Ich wollte nach Hause, nach Ostpreußen! Das Überleben eines deutschen Sinto“. Im Rahmen der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas wurde das Buch von Jana Mechelhoff-Herezi und Uwe Neumärker herausgegeben. Die Biografie gibt die Erinnerungen des ostpreußischen Sinto Reinhard Florian wieder, die Erlebnisse und Schicksalsschläge, die ihm und den ostpreußischen Sinti in der Zeit 1933 bis 1945 widerfuhren.

Florian wurde im Alter von 19 Jahren im Dezember 1942 mit zirka 5000 weiteren Menschen ins Arbeitslager Mauthausen verschleppt, wo die Gefangenen zur Arbeit im Steinbruch gezwungen wurden. Das Buch gibt Florians Erinnerungen an die schreck-lichen Stunden wieder, als er mit Tausenden von anderen Männern wie Vieh aus den vergitterten Zugwagons zum Arbeitslager getrieben wurde.

In der Biografie werden sämtliche grausamen Details des von den Nationalsozialisten geplanten Lagerlebens geschildert, an die sich der 90-Jährige noch heute erinnert. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass, egal wie viele der schrecklichen Erlebnisse der unzähligen Grausamkeiten des Lagerlebens er dem Leser als Nichtbetroffenen auch offenbaren würde, dieser nie das gesamte diabolische Ausmaß des Ganzen begreifen könnte. „Später kam ich noch nach Auschwitz, Stammlager und Monowitz, Rydultau, Melk, Ebensee. Durch alle diese Lager bin ich durch … Wer das miterlebt hat, dem erscheinen die nachwachsenden Generationen wie nichtsahnende, unschuldige Kinder. Ob jemand verstehen kann, was ich damit meine? Anders gesagt: Auch mit dem besten, genauesten Wissen über diese Verbrechen hat man nicht die geringste Vorstellung davon, was es bedeutet, das selbst erlebt zu haben, das ertragen zu haben.“

Eindringlich schildert Florian den Prozess der eigenen Entmenschlichung, welcher durch die harte Arbeit, die Prügel, die Strafen, den Hunger, die Ängste und den Tod unzähliger anderer Gefangenen stetig voranschritt. Mit Schaudern nimmt der Leser Florians Geständnis zur Kenntnis, dass dieser nach diesen grauenhaften Erfahrungen nie wieder von Herzen lachen oder sich ernsthaft freuen konnte. Das Leben in den Arbeitslagern hatte zu viel in ihm, in seiner Seele zerstört.

Die Frage, wieso sich die Häftlinge nicht zusammengerottet und einen Aufstand versucht haben, zerstreut Florian mit desillusionierenden Anekdoten und Äußerungen wie: „Wenn es um den großen Hunger, also um den drohenden Hungertod geht, dann ist einem jeder gleichgültig. Wir waren praktisch einer des anderen Feind.“

Die Herausgeber des Buches erinnern durch die Erzählungen Reinhard Florians jedoch nicht nur an das Verfolgungsschicksal, sondern auch an die vergessene und ausgelöschte Welt der ostpreußischen Sinti. Vanessa Ney

Reinhard Florian: „Ich wollte nach Hause, nach Ostpreußen! Das Überleben eines deutschen Sinto“, MKL Druck GmbH & Co. KG, Ostbevern 2012, zahlr. Abb., broschiert, 149 Seiten, 5 Euro


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