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22.06.13 / »Unverrückbare Wirklichkeit« / Bundespräsident legt Grundstein für Schlossneubau – Kritiker befürchten Kostenexplosion

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-13 vom 22. Juni 2013

»Unverrückbare Wirklichkeit«
Bundespräsident legt Grundstein für Schlossneubau – Kritiker befürchten Kostenexplosion

Der Grundstein für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist gelegt. Nach zwei Jahrzehnten politischer Dis­kussionen hat damit der Bau eines der bedeutendsten Kulturprojekte Deutschlands offiziell begonnen.

Es war ein in mehrfacher Hinsicht dicker Brocken, der am Mittwoch vergangener Woche durch Bundespräsident Joachim Gauck im Herzen Berlins gelegt wurde. Die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum hatte als Bauherr extra einen großen Steinquader des originalen Baus ausgraben und als Grundstein herrichten lassen. Nicht minder groß dürfte der Stein gewesen sein, der den Initiatoren des Mammutprojekts in diesem Moment vom Herzen gefallen ist, gilt die Grundsteinlegung doch als Meilenstein auf dem Weg zu dessen Vollendung. Kurioserweise war es der DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker, der 1988 den Wiederaufbau der Preußenresidenz erstmals erwogen hatte. Die Pracht der Paläste, in denen er bei Staatsbesuchen in Paris und Madrid empfangen worden war, hatte Honecker so beeindruckt, dass er in seiner Hauptstadt etwas Vergleichbares schaffen wollte. Im kleinen Kreis von Politbüromitgliedern bedauerte er, dass sein Vorgänger Walter Ul­bricht das Berliner Stadtschloss habe sprengen lassen, so dass die DDR nun nicht ebenfalls so glanzvoll repräsentieren könne. Die Zeitläufe haben Honecker hinweggefegt, nicht aber seine Idee. Und hier liegt ein weiteres Kuriosum, denn wäre der von ihm errichtete „Palast der Republik“ am alten Standort des Schlosses nicht reif für die Abrissbirne gewesen, wäre seine Idee wohl mit ihm untergegangen.

Die ersten, die sie gleich nach der Wende aufgriffen, waren der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, Christoph Stölzl, und der Publizist Joachim C. Fest. Sie beklagten die Zerstörung des Schlosses als „Akt der Kulturbarbarei“ und forderten seinen Wiederaufbau, um Berlin seine Mitte wiederzugeben. Das war ein Gedanke, der selbst seinen Befürwortern geradezu aberwitzig erschien, wurde das Gebäude bei seiner Zerstörung 1950 doch in kleinste Stücke zerschlagen. Nichts war geblieben, was wiederverwendbar gewesen wäre, kein altes Baumaterial, keine Zierelemente der Fassade und noch nicht einmal genaue Pläne. Doch die Skeptiker und Zauderer hatten nicht mit dem Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien gerechnet. Im Jahre 1992 gründete er den Förderverein Berliner Schloss e.V. und wurde fortan der Spiritus Rector des Projekts. Es folgten 20 Jahre politischer Diskussionen sowie finanzieller und juristischer Probleme bis endlich der Grundstein gelegt werden konnte.

Auch wenn mit diesem feierlichen Akt der Schlossbau laut Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) „unverrückbare Wirklichkeit“ geworden ist, wollen dessen Kritiker nicht verstummen. Nicht nur für das Schloss selbst, sondern auch für die Kritik an dem Bauvorhaben gibt es ein historisches Vorbild. Bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts regte sich „Berliner Unwille“ gegen den Vorgängerbau des Schlosses an dieser Stelle. Berliner und Cöllner Bürger stritten sich mit ihrem Landesherrn Friedrich II. um die Errichtung einer Burg auf der Spree­insel und die damit verbundene Verpflichtung zur Abgabe von Land. Daraus entwickelte sich eine generelle Auseinandersetzung über die städtischen Freiheiten, die letztendlich überwiegend zu Gunsten des Landesherrn entschieden wurde. Dagegen muten die Argumente der Kritiker von heute profan an, geht es ihnen doch vor allem ums Geld. Sie befürchten eine Kostenexplosion und verweisen auf das finanzielle Desaster bei anderen Großbauprojekten.

Ganz unbegründet sind ihre Vorbehalte nicht. Bei der Bewilligung der Mittel durch den Deutschen Bundestag 2007 wurde mit Kosten in Höhe von 552 Millionen Euro kalkuliert. Drei Jahre später legte der Bund bereits eine Kostenobergrenze von 590 Millionen Euro fest. Von den 80 Millionen Euro Spendengeldern, die Boddiens Förderverein zur Errichtung der barocken Fassade sammeln will, sind erst 27 Millionen Euro zusammengekommen. Aus Unterlagen des Bundesbauministeriums geht hervor, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages das Ministerium bereits im Oktober 2012 ermächtigt habe, bei noch fehlenden Spenden die Fassade aus öffentlichen Mitteln vorzufinanzieren, obwohl die vollständige Finanzierung durch Spenden ursprünglich Voraussetzung für die Finanzierung durch den Bund gewesen war. Den Zuschlag für den Bau hat pikanterweise das Unternehmen Hochtief erhalten, das als Generalunternehmer für den Hamburger Skandalbau Elbphilharmonie verantwortlich ist.

Bundesbauminister Ramsauer gibt sich dennoch optimistisch. Laut seiner Aussage liegt das Schlossbauprojekt „im Zeit- und Kostenrahmen“. Wenn das so bleibt, wird das Berliner Stadtschloss spätestens im Jahre 2019 wiedererstanden sein und in seinem modernen Inneren als Humboldtforum eine der bedeutendsten kulturellen und völkerkundlichen Sammlungen sowie die Zentral- und Landesbib­liothek Berlin beherbergen. Wer dann vor diesem internationalen Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung steht, an historischem Ort in der Mitte Berlins und im politischen Zentrum Deutschlands, werde es zu schätzen wissen, so die Erwartung der Initiatoren. Sie könnten recht behalten. Von dem damaligen DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl sind seine Worte überliefert, als er der Beseitigung der letzten Reste des Stadtschlosses beiwohnte: „Jetzt schreien alle, und wenn das Schloss weg ist, dann kräht kein Hahn mehr danach.“ Hier irrte Grotewohl, denn nun wird es wiederauferstehen. Und wenn es vollendet ist, dürfte kein Hahn mehr nach den Mühen, Debatten und Kosten krähen. J. Heitmann


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