25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.06.13 / Revolution am Müggelsee

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-13 vom 22. Juni 2013

Revolution am Müggelsee
von Vera Lengsfeld

Der Müggelsee, den die Berliner gern als ihre Badewanne bezeichnen, ist der größte der zahllosen Seen in der Hauptstadt. Er liegt in Treptow-Köpenick, das zu zwei Dritteln aus Wald und Wasser besteht. Es ist aber keineswegs ein Schickimicki-Bezirk, obwohl viele Wohnungen hier über eine Bootsanlegestelle verfügen, die mitvermietet wird.

Geprägt war das Drittel Land von Schwerindustrie, Maschinenbau und Elektrowerken, die eine starke, selbstbewusste Arbeiterschaft beschäftigten. Vielleicht stammt daher der rebellische Geist, der laut Bezirksbürgermeister Oliver Igel schon immer typisch war für diesen Stadtbezirk.

Sein bekanntester Freigeist ist der Hauptmann von Köpenick, der weltberühmt wurde, weil er mit einer Handvoll gutgläubiger Soldaten das Köpenicker Rathaus eroberte, den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte. Gefasst wurde Wilhelm Voigt, Schuhmacher von Beruf, erst Tage später, nachdem er von einem Knastbruder, dem er seinen Plan offenbart hatte, verraten worden war. Er konnte sich damit trösten, dass selbst der Kaiser seinen Streich genial fand.

Während Wilhelm Voigt am Müggelsee nur entspannte, nutzten andere ihren Aufenthalt, um die Obrigkeit ernsthaft zu bekämpfen. Von 1919 bis 1935 befand sich am Nordufer der Arbeiterzeltplatz „Kuhle Wampe“.

Hier wurde an den Sommerwochenenden manche Demonstration und Versammlung vorbereitet. Später diente er als Versteck in den letzten Tagen vor der Emigration. Heute erinnert nur noch ein Schild an diesen geschichtsträchtigen Ort. Die ehemalige Wiese ist längst wieder ein Wald.

Am 13. Juni 1953 warfen kaum mehr als einen Kilometer entfernt in der Ausflugsgaststätte Rübezahl kommende Ereignisse ihren Schatten voraus. An diesem Tag hatten sich die Bauarbeiterbrigaden des Krankenhauses Friedrichshain hier eingefunden. Sie waren auf zwei Dampfern mit den beziehungsreichen Namen „Seid bereit“ und „Triumph“ eingetroffen. Schon auf der Fahrt hatten die Kollegen hitzig die verordneten Normerhöhungen diskutiert. Im „Rübezahl“ sprang einer der Brigadiere auf einen Tisch und verkündete, dass die Baustellenbesatzung ab Montag streiken würde. Damit waren die Friedrichshainer ihren berühmt gewordenen Kollegen von der Stalinallee einen Tag voraus. Wir wissen heute von dieser Geschichte aus den Akten der Staatssicherheit.

Am Wochenende vor dem 60. Jahrestages des 17. Juni hat der Bürgermeister von Treptow-Köpenick einen Gedenkstein enthüllt, der alle Ausflügler, die zum Traditionslokal kommen, daran erinnert, dass der Volksaufstand gegen die SED-Diktatur von hier einen entscheidenden Impuls erhielt.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren