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22.06.13 / »Vierte Gewalt« – nur eine Anmaßung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-13 vom 22. Juni 2013

»Vierte Gewalt« – nur eine Anmaßung

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Zu Recht wird sie im Grundgesetz ausdrücklich geschützt. Aber wie weit darf sie gehen, wo sind die Grenzen? Und ist Meinungsfreiheit identisch mit Pressefreiheit?

Unsere Medien sehen sich als Träger der öffentlichen Meinung, also auch als Objekt der staatlich geschützten Meinungsfreiheit. Gern nennen sie sich „Vierte Gewalt“. Aber sind sie das wirklich?

Einmal abgesehen davon, dass unser Grundgesetz eine „Vierte Gewalt“ überhaupt nicht kennt – die freie Presse hat die Aufgabe, die drei Gewalten des demokratischen Rechtsstaats – Gesetzgebung, Exekutive, Justiz – zu kontrollieren und das Volk als obersten Souverän darüber zu unterrichten. Sie hat nicht die Aufgabe, die Organe des Staates zu ersetzen.

Genau das aber maßen sich viele Journalisten und Publizisten an. Sie wollen nicht mehr „nur“ Beobachter und Kommentatoren sein, sondern Ermittler, Richter und Henker in Personalunion. Da werden Verdächtigte schon vor dem ersten Prozesstag in Schlagzeilen verurteilt und dämonisiert. Da werden missliebige Politiker falsch oder bewusst unvollständig zitiert. Wer mit allzu aufdringlichen Enthüllern nicht reden will, wird – Waffenfreunde, aufgepasst! – mit vorgehaltenem Mikrofon genötigt. Und die Verkommenheit korrupter Wirtschaftsbosse lässt sich mit nichts so demonstrieren wie mit vertraulichen Papieren, die man für ein saftiges Schmiergeld von einem Justizbeamten gekauft hat.

Solche Journalisten sollten nicht auch noch behaupten, sie seien „die Öffentlichkeit“. Was sie schreiben und senden, ist nicht öffentliche Meinung, sondern ihre eigene veröffentlichte Meinung. H.J.M.

 

Zeitzeugen

Elisabeth Noelle-Neumann – Die 2010 im Alter von 93 Jahren verstorbene Professorin gilt als Mitbegründerin der wissenschaftlichen Demoskopie in Deutschland. Am von ihr aufgebauten Allensbacher Institut entwickelte sie eigene Wege, um die politische Stimmungslage in Deutschland – insbesondere vor Wahlen – zu erforschen. Einerseits legte sie die Mechanismen der veröffentlichten Meinung offen (was von Meinungsmachern in Verlagen und Funkhäusern heftig kritisiert wurde). Andererseits stützte sie ihre Prognosen auf direkte, wissenschaftlichen Methoden verpflichtete Befragungen, also auf die wirkliche öffentliche Meinung – und lag meist richtig.

Axel Springer – Der Hamburger Zeitungsverleger (1912–1985) baute nach dem Krieg den nach ihm benannten Pressekonzern auf, zu dem unter anderem „Welt“, „Bild“ und „HörZu“ gehören. In späteren Lebensjahren wurde ihm zunehmend bewusst, in welchem Dilemma er sich selber befand: Einerseits wollte er, frei nach Martin Luther, „dem Volk aufs Maul schauen“ und in seinen Blättern öffentliche Meinung authentisch wiedergeben. Andererseits war ihm durchaus bewusst, dass er als Großverleger selber Teil eines Systems veröffentlichter Meinung war. Der Versuch, den Zwiespalt zu lösen, indem man die eine Zeitung für wahrhaftigen Edeljournalismus und die andere für Auflage und Gewinne zuständig macht, gilt aus heutiger Sicht als gescheitert – auch bei Springer hat die veröffentlichte über die öffentliche Meinung gesiegt.

Erika Steinbach – Die Frankfurter CDU-Politikerin hat sich nicht nur als BdV-Präsidentin einen Namen gemacht, sondern auch als profilierte Konservative. Und nicht zuletzt auch als Opfer veröffentlichter Meinungs- und Stimmungsattacken. Dargestellt wird sie häufig als aggressive Verfechterin radikaler oder gar extremistischer Thesen. Wer sie persönlich erlebt (auch auf größeren Veranstaltungen mit viel Öffentlichkeit), erlebt eine charmante Frau mit breitem Bildungshorizont, die ihre Sache prinzipientreu, aber im Ton stets verbindlich vertritt und sich von extremen Positionen bewusst fernhält – nicht aus Opportunität, sondern aus Überzeugung. So unterscheidet sich die öffentliche Meinung über Frau Steinbach deutlich von der über sie veröffentlichten.


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