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22.06.13 / Die programmierte Enttäuschung / Vieles spricht dafür, dass der neue iranische Präsident Probleme bestenfalls entschärfen kann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-13 vom 22. Juni 2013

Die programmierte Enttäuschung
Vieles spricht dafür, dass der neue iranische Präsident Probleme bestenfalls entschärfen kann

Nach der Wahl des Geistlichen Hassan Rohani, einem einstigen engen Weggefährten von Ayatollah Khomeini, zum neuen Präsidenten des Iran, sehen viele Iraner Chancen für einen Reformprozess in ihrem Lande.

Der gemäßigte Geistliche Hassan Rohani, der mit knapp über 50 Prozent der Stimmen überraschend die Präsidentschaftswahl im Iran bereits im ersten Wahlgang gewonnen hat, wurde von einer Welle der Sympathie getragen, die dem Kleriker wenige Wochen zuvor noch niemand zugetraut hätte. Erst in den Tagen vor der Wahl hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass Rohani eine ernstzunehmende Rolle spielen könnte. Deshalb wollten Ultrakonservative per Gerichtsentscheid seine Kandidatur noch zu Fall bringen, weil er angeblich im Wahlkampf staatsgefährdendene Aussagen gemacht habe. Entscheidend für den Sieg Rohanis war offenbar die Tatsache, dass mit den beiden Ex-Präsidenten Mohammed Khatami und Ali Akbar Rafsandschani zwei politische Schwergewichte der iranischen Politik für ihn votiert haben.

Rohani gilt vor allem als Hoffnungsträger der urbanen Mittelschicht, die großen Anteil an der Mullah-Revolution von 1979 hatte, aber immer mehr in ihren Wirkmöglichkeiten begrenzt war und unter den Sanktionen am meisten gelitten hatten. Rohani hatte im Wahlkampf angekündigt, verstärkt auf Diplomatie mit dem Westen zu setzen, um eine Milderung der Sanktionen gegen den Iran zu erreichen. Zugute kam Rohani auch, dass das konservative Lager nach acht Jahren Mahmud Ahmadinedschad gespaltener denn je war. Keiner der konservativen Kandidaten, die alle hohen Ämter unter dem abgetretenen Präsidenten innehatten, erreichte 20 Prozent. Besonders das schwache Abschneiden der zwei erzkonservativen Kandidaten Dschalili und Welajati, die als die Wunschkandidaten Ayatollahs Chameneis galten, gilt als große Überraschung. Die Wahl Rohanis als Geistlichem hat auch deutlich gemacht, dass eine Mehrheit der Iraner nicht mehr bereit ist, sich ihre Islamische Revolution von selbsternannten Hasspredigern rauben zu lassen, die nur an sich selbst und ihre Macht glauben, aber nicht einmal über die Grundlagen religiöser Bildung verfügen. Vom introvertierten Geistlichen Rohani wird nun erwartet, dass er Errungenschaften der Islamischen Revolution dem Volk wieder zurückgeben kann und ihre Auswüchse korrigieren kann. Für seine Kampagne wählte Rohani die Farbe Lila, um sich bewusst von der grünen Revolution von 2009 abzugrenzen. Sein Wahlslogan lautete: Besonnenheit und Hoffnung. Bereits während des kurzen Präsidentschaftswahlkampfes übte Rohani harsche Kritik an Ahmadinedschads Atompolitik. Allerdings übte er nie Kritik am Atomprogramm selbst, nur an der Art der Verhandlungen, die nicht so geführt werden sollten, dass das Land in eine politische und wirtschaftliche Krise gerate. Ahmadinedschad warf er vor, das Land an den Rand eines Krieges gebracht zu haben.

Rohani hatte im Wahlkampf eine „Charta der Freiheitsrechte“ versprochen. Er wolle eine Politik der Aussöhnung und des Friedens, versprach er und kündigte an, als Präsident direkte Gespräche mit den Vereinigten Staaten aufzunehmen. Nach achtjährigem Stillstand unter Präsidentschaft Ahmadinedschads soll nun sowohl innen- als auch außenpolitisch ein frischer Wind wehen.

Als Theologiestudent war Rohani ein politischer Gegner von Schah Reza Pahlevi. Deshalb verließ er den Iran und ging in den Westen, wo er 1972 in Glasgow an der polytechnischen Hochschule promovierte. 1979 lernte er den späteren Gründungsvater der Islamischen Republik Khomeini in dessen Exil in Paris kennen und kehrte mit ihm in seine Heimat zurück, wo er als dessen Berater im Militär und beim Staatsfernsehen arbeitete. Ein Sohn Khomeinis hatte Rohani auch im jetzigen Wahlkampf unterstützt. Unter Präsident Rafsandschani amtierte Rohani von 1989 bis 1997 als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates. In diese Zeit fielen jedoch auch zahlreiche spektakuläre politische Morde an Regimegegnern im Ausland, unter anderem auch das Mykonos-Attentat in Berlin. 2003 wurde Rohani zum Chefunterhändler der Islamischen Republik mit der internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEO) ernannt, nachdem iranische Exilkreise im Jahr zuvor das geheime Atomprogramm Teherans bekannt gemacht hatten. Kurz nach dem Amtsantritt von Ahmadinedschad im Sommer 2005 war Rohani wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Präsidenten zurückgetreten und verschwand von der internationalen Bühne.

Vier Jahre nach der Niederschlagung der sogenannten oppositionellen „Grünen Bewegung“ um die 2009 unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi und Mohammad Karoubi hat die Reformbewegung unerwarteter Weise neuen Auftrieb gewonnen. Ob Rohani sein Mandat dazu nutzen kann, seine Wahlversprechen einzuhalten, bleibt abzuwarten. Die Machtzentren liegen weiterhin in der Hand der Konservativen und Revolutionsführer Chamenei. Ein grundlegender Kurswechsel ist kaum zu erwarten. Bei aller Euphorie sollte man nicht vergessen, dass der Iran mit Rafsandschani und Khatami bereits zwei Reformer als Präsidenten hatte, das Land unter ihrer Präsidentschaft sich aber in keinster Weise Reformen geöffnet hatte. Mit Chamenei und Rohani wird der Iran erstmals von zwei Theologen mit gegensätzlichen Auffassungen über den Islam als Staatsfundament geführt werden, eine spannende Geschichte. Bodo Bost


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