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22.06.13 / Wie ein Fotograf der Stars / Vor Anton Graff saßen alle Genies seiner Zeit still – Vor 200 Jahren starb der Schweizer Porträtist in Dresden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-13 vom 22. Juni 2013

Wie ein Fotograf der Stars
Vor Anton Graff saßen alle Genies seiner Zeit still – Vor 200 Jahren starb der Schweizer Porträtist in Dresden

Auf der Sonderbriefmarke, die am 14. Februar 2012 anlässlich des 300. Geburtstags Friedrichs des Großen herausgegeben wurde, ist das berühmte Porträt des preußischen Königs von Anton Graff aus dem Jahr 1781 abgebildet. Der Maler und Kupferstecher wurde am

18. November 1736 im schweizerischen Winterthur geboren und lebte nach Stationen in Ansbach, Augsburg und Regensburg von 1766 bis zu seinem Tod 1813 als Hofmaler in Dresden. In Berlin hielt er sich häufig auf, da er mit Sophia Luise, geborene Sulzer, verheiratet war, der Tochter des Berliner Philosophen Johann Georg Sulzer.

Da es Friedrich II., mit einer Ausnahme, abgelehnt hat, einem Maler Porträt zu sitzen, war der Künstler darauf angewiesen, während der Truppenparaden in einiger Entfernung Skizzen von ihm anzufertigen. Anton Graffs Bildnis des Königs, das als sein Hauptwerk angesehen wird, ist im Schloss Charlottenburg ausgestellt. Wahrscheinlich wies es eine große Ähnlichkeit mit dem König auf. Es vermittelt ein wenig den Eindruck einer Momentaufnahme und blieb unerreicht in der Schärfe des Ausdrucks. Kein Porträt Friedrichs des Großen wurde häufiger kopiert und reproduziert. Graff selbst stellte davon mehrere Repliken her. 1986 schuf der amerikanische Künstler Andy Warhol im Rahmen einer Serie mit Porträts berühmter Persönlichkeiten einen Siebdruck von Graffs Friedrich-Bildnis.

Anton Graff war als Porträtist einer der bedeutendsten und meistbeschäftigten Maler am Übergang des Rokoko zum Biedermeier, dem Zeitalter des Bürgertums. Kein anderer Maler hat so viele berühmte und weniger berühmte Zeitgenossen dargestellt wie er. Seine Werke sind in den Museen von Dresden, Leipzig, Berlin und Winterthur gut vertreten. Nach eigenen Angaben schuf er 297 Porträts zwischen 1756 und 1766 und von 1766 bis 1813 insgesamt 943 Bildnisse, darunter auch einige Gruppenbilder und Landschaften. Hinzu kommen hunderte Kopien, Miniaturen und 322 Silberstiftzeichnungen. Häufiger als Graff hat kein Maler des 18. Jahrhunderts sich selbst dargestellt. Die meisten seiner Selbstporträts schenkte er Freunden und Gönnern.

Trotz eines verlockenden Rufes, der ihn aus Berlin erreichte, blieb er der Stadt Dresden zeitlebens treu. In der sächsischen Metropole waren weit mehr Künstler und Kupferstecher beheimatet als in den meisten deutschen Residenzstädten, was er als geselliger Mensch zu schätzen wusste, und woraus er Motivation schöpfte.

Seine Kunst erfreute sich in allen gesellschaftlichen Schichten großer Beliebtheit. Am häufigsten erhielt er Aufträge von Adeligen, Gelehrten und Künstlern. Zu den bekanntesten und aus heutiger Sicht wichtigsten Arbeiten von Graff, die zum Teil mehrfach in Kupfer gestochen und immer wieder abgebildet wurden, gehören diejenigen von Lessing, Gellert, Gluck, Mendelssohn, Kleist, Dorothea Schlegel, Wilhelm von Humboldt, Johann Heinrich Tischbein und der Schauspielerin Corona Schroeter. Mit Ausnahme von Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen – der ab 1806 den Titel König Friedrich August I. von Sachsen trug – bestellten Herrscher und Mitglieder von Adelshäusern ein oder mehrere Bildnisse von Graff, unter anderem die verwitwete Königin Elisabeth Christine von Preußen, König Friedrich Wilhelm II. und Prinz Heinrich von Preußen.

Graffs Schwiegervater Sulzer hatte ihm den Weg zum Rheinsberger und Berliner Hof geebnet, und durch seine Vermittlung verkehrte er in den Häusern der wichtigen Berliner Familien. Der Kreis seiner Auftraggeber aus Dresden und Leipzig erweiterte sich durch seine Reisetätigkeit, hauptsächlich um Karlsbad und die Schweiz, und durch Mundpropaganda um Schleswig-Holstein, Dänemark und das Baltikum. Nur auf Wunsch zeigte der Maler seine Modelle in Posen wie etwa den berühmten Schauspieler August Wilhelm Iffland. Ihm ging es darum, die Persönlichkeit seines Gegenübers auf die Leinwand zu projizieren. Er wollte die Menschen so darstellen, wie sie sich in ihrer privaten Umgebung gaben. Die Voraussetzung dafür ist eine ungezwungene Haltung, sei es im Knie-, Ganz- oder Halbporträt oder im Brustbild. Wenn es das Format eines Bildes erlaubte, deutete er durch die Staffage auf den Beruf oder Stand des Dargestellten hin.

Dass so viele der von Anton Graff dargestellten Frauen und Männer gelöst und heiter dreinschauen, mag auf den Künstler selbst zurückzuführen sein, dessen liebenswürdiges Wesen be­zeugt ist. Andererseits haben einige Personen, die ihm stundenlang Modell sitzen mussten, nach eigenem Bekunden seinen forschenden, mitfühlenden Blick kaum ertragen. Vielleicht hat sich Goethe einer derartigen „Durchleuchtung“ nicht unterziehen mögen, denn merkwürdig ist es doch, dass er Graff nicht mit einem Porträtauftrag bedacht hat. Wieland, Herder und Schiller, die mit Goethe das Viergestirn der Weimarer Klassik bildeten, ließen sich von ihm abkonterfeien. Das Bildnis des jungen Schiller erreichte dabei einen bis heute extrem hohen Bekanntheitsgrad.

Seinen Lebensabend wollte Anton Graff nach dem Tod seiner Ehefrau in seinem Geburtsort Winterthur verbringen, da sich die politische Lage in Deutschland seit Napoleons Russlandfeldzug 1812 erneut zuspitzte. In Dresden wurden nach der Schlacht bei Bautzen am 20./21. Mai 1813 Tausende Verwundete, teils in Privatquartieren, untergebracht. Der fast erblindete Künstler zog aus diesem Grund zu seiner Tochter in die Rampische Gasse, wo er, vermutlich an Typhus, schwer erkrankte und am 22. Juni 1813 starb. D. Jestrzemski


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