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29.06.13 / An Lebenswirklichkeit vorbei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-13 vom 29. Juni 2013

An Lebenswirklichkeit vorbei
von Rebecca Bellano

Leider haben wir momentan noch keinen Schlafraum für die Kleinen“, bedauert die Erzieherin bei der Führung durch die städtische Kindertagesstätte mit Hinblick auf den ab August geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder. „Und ein Wickelraum muss auch noch eingerichtet werden. Aber wenn zum neuen Schuljahr die Hortkinder wegfallen, haben wir ja auch zusätzliche Räume.“ Was in den Ohren berufstätiger Eltern von Kleinkindern gut klingt, dürfte sich für viele Eltern von den rund 6,7 Millionen Kindern zwischen sechs und 14 Jahren als Ärgernis erweisen.

Durchweg alle Parteien betonen, wie wichtig für sie das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei, sieht man aber, wie wenig durchdacht manche Pläne von Bund, Ländern und Gemeinden sind, so fragt man sich, ob all jene beteiligten Politiker selber keine Kinder haben oder einfach bewusst derart lückenhafte Ergebnisse abliefern, da sie auf diese Weise Geld sparen. Ganz konkret sieht man diese Arbeitsweise bei dem Plan, die Hortbetreuung zugunsten der Ganztagsschule abzuschaffen und auf diese Weise in den Horten Platz für Kleinkinder zu schaffen. Diese sind dann zwar mehr oder weniger gut betreut, aber was ist dann mit Grundschülern? Denn während der Kinderhort fünf Tage die Woche nachmittags geöffnet hat, bieten viele Schulen nur an drei oder vier von fünf Tagen Ganztagsschule an, diese ist dann auch oft nur bis 16 Uhr, aber welcher vollberufstätige Elternteil kann um 15.30 Uhr Feierabend machen, um pünktlich um 16 Uhr sein Kind abzuholen? Und was ist mit der Ferienzeit? Nur wenige Schulen bieten bisher auch dann Betreuung an. Ist die Mutter Hausfrau, sind sechs Wochen Sommerferien in Sachen Kinderbetreuung kein Problem, aber da das traditionelle Familienmodell politisch nicht mehr gewünscht beziehungsweise aufgrund der Lebenshaltungskosten eine Familie von einem Alleinverdiener auch nicht mehr finanzierbar ist, müsste der Staat eigentlich eine Möglichkeit bieten, diese lange Ferienzeit, die er ja selbst vorgibt, zu überbrücken.

Als vorvergangene Woche Familienministerin Kristina Schröder und Finanzminister Wolfgang Schäuble ihre Familienpolitik lobten, nervte das Eigenlob schon ziemlich. Grundsätzlich ist der Plan, dass der Staat den Rahmen vorgibt, damit jeder sein Familienmodell leben kann, das er favorisiert, schon richtig, nur ist die Realität noch sehr weit von diesem Rahmen entfernt. Zudem mischt sich die Politik durchaus ziemlich viel ein oder verstimmt durch Fehlplanung. Da beispielsweise in der Stadt Lebenshaltungskosten sehr hoch sind, müssen mehr Mütter auch arbeiten, zumindest in Teilzeit, doch Qualität und Quantität von Betreuungsplätzen sind oft mäßig. Das sich anbahnende Chaos in Sachen Hortschließung zugunsten Ganztagsschule ist ein weiterer Beleg staatlicher Fehlplanung.


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