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06.07.13 / Westerwelles Türkeipolitik nährt bösen Verdacht / Wem dient der Kompromissvorschlag des Außenministers, der möglicherweise bald ohne Amt dasteht?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-13 vom 06. Juli 2013

Westerwelles Türkeipolitik nährt bösen Verdacht
Wem dient der Kompromissvorschlag des Außenministers, der möglicherweise bald ohne Amt dasteht?

Westerwelle in Höchstform Es war starkes Geschütz, das die französische „Le Monde“ unlängst gegenüber EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso aufgefahren hatte: Gemünzt auf dessen auffällig eilfertigen Einsatz für das transatlantische Freihandelsabkommen warf die Zeitung Barroso vor, ein „Chamäleon auf der Suche nach einem guten Posten bei der Nato oder der Uno“ zu sein. Aktuell ist es der Eifer eines deutschen Politikers, bei dem leicht ein entsprechender Verdacht in diese Richtung aufkommen könnte.

Während das Auswärtige Amt unter Guido Westerwelle (FDP) einen schleichenden Bedeutungsverlust erlitten hat, ist dem Außenminister zum Ende seiner Amtszeit noch einmal ein diplomatisches Kunststück geglückt – zumindest aus der Perspektive Westerwelles. Nach drei Jahren Stillstand bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei schienen die Verhandlungen mit Ankara vor Kurzem endgültig in der Sackgassen gelandet zu sein: In Istanbul waren Demonstranten brutal von der Polizei zusammengeknüppelt worden. Premier Recep Tayyip Erdogan hatte die Protestierenden anschließend als „Pack“ und „Gesindel“ bezeichnet. Als daraufhin in Europa Kritik laut wurde, drohte Erdogans Europaminister Egemen Bagis Kanzlerin Merkel hinsichtlich der anstehenden Bundestagswahl: Sie solle an seine in Deutschland lebenden „3,5 Millionen Blutsbrüder“ denken, von denen viele das Wahlrecht in der Heimat der Kanzlerin haben. Spätestens als dann aus Ankara der deutschen Regierung ein Ultimatum gestellt wurde, bis wann die Beitrittsverhandlungen wieder aufzunehmen seien, hätte dies bis auf Weiteres das Ende der EU-Ambitionen für die Türkei bedeuten müssen.

Allerdings weit gefehlt. Weder das Standardargument „Menschenrechte“, das sonst schnell zur Hand ist, noch Selbstachtung oder Staatsräson verhinderten, dass Westerwelle einen „Kompromissvorschlag“ aus dem Hut zauberte. Die Verhandlungen mit Türkei können weiter gehen, nachdem im Herbst die EU ihren „Fortschrittsbericht“ zur Türkei vorgelegt hat. Westerwelles Begründung für seinen kaum bemäntelten Taschenspielertrick: „langfristige strategische Interessen“.

Offen bliebt vorerst, wessen Interessen Westerwelle dabei im Blick hat: Die strategischen Perspektiven der USA bei der Neugestaltung des Nahen Ostens mit dem Verbündeten Türkei an der Seite oder die Interessen Deutschlands, des größten Nettozahlers in die EU-Töpfe. Schon seit Jahren werden zur Vorbereitung des türkischen EU-Beitritts Milliarden nach Ankara überwiesen, mit der Vollmitgliedschaft würde die Türkei zum größten Empfänger von EU-Geldern werden. Mit seinem Einsatz hat Westerwelle der türkischen Regierung zu einem vollen Erfolg verholfen. Das Verhältnis zu Merkel dürfte freilich erst einmal vergiftet sein: Die Kanzlerin bevorzugt für die Türkei eine „privilegierte Partnerschaft“ statt einer EU-Vollmitgliedschaft. Noch negativer ist allerdings die außenpolitische Wirkung. Die Türkei hat einen Vorgeschmack geliefert, was mit ihr als EU-Mitglied blüht. Statt Abgabe von Souveränität setzt die Türkei auf Dominanz und wird hierfür von Westerwelle, dem im Falle eines FDP-Wahldebakels im September ein Amtsverlust droht, auch noch belohnt.

Dass bei Spitzenpolitikern bei auffallendem Diensteifer mittlerweile regelmäßig der Verdacht auf persönliche Motive aufkommt, hat gute Gründe. Speziell mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist bereits der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD) negativ aufgefallen. Während seiner Brüsseler Amtszeit legte sich Verheugen auffällig stark für die Türkei ins Zeug – inzwischen zählt ein türkischer Wirtschaftsverband zu den Kunden seiner Beraterfirma. N. Hanert


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