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06.07.13 / Zerreißprobe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-13 vom 06. Juli 2013

Jan Heitmann:
Zerreißprobe

Ägyptens Muslimbruder Mohammed Mursi und der türkische Möchtegern-Sultan Recep Tayyip Erdogan haben etwas gemeinsam. Sie müssen sich der Wut eines großen Teils ihres Volkes erwehren und gehen mit Gewalt gegen dieses vor. Beide scheinen dem Irrtum zu unterliegen, die Legitimation durch eine freie Wahl sei zugleich ein Freibrief für eigenmächtige Entscheidungen, zur rückständigen Islamisierung eines Landes und zur Unterdrückung Andersdenkender. Doch Millionen Menschen zeigen ihnen mit ihrem Protest, dass sie Demokratie auch außerhalb der Wahlkabine spüren wollen. Sie wollen sich nicht vom Staat bevormunden und ihre Lebensweise vorschreiben lassen. Der Staat ist keine religiöse Moralinstanz, die aus den Bürgern mit Gewalt „bessere“ Muslime macht. Er kann es nicht sein und in einer Demokratie darf er es auch nicht sein.

Ägypten und die Türkei belegen die These, dass der politische Islam mit seinem aggressiven religiösen Gestaltungsanspruch zu einer Polarisierung der Gesellschaft führt und Zentrifugalkräfte erzeugt, die am Ende das ganze Staatswesen zerreißen können. Mursi und Erdogan stehen somit vor einer Art Zerreißprobe. Wollten sie das verhindern, müssten sie vom Kurs der Islamisierung der Gesellschaft abrücken sowie ihre säkularen und religiösen Landsleute zusammenbringen. Das ist jedoch unwahrscheinlich. In beiden Ländern haben sich die Streitkräfte in der Vergangenheit als einzig funktionierender Ordnungsfaktor er- wiesen. Eine vorübergehende Machtübernahme durch das Militär könnte sich in beiden Fällen auch heute als nicht die schlechteste Option erweisen.


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