25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.07.13 / Das kleinere Übel?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-13 vom 06. Juli 2013

Moment mal!
Das kleinere Übel?
von Klaus Rainer Röhl

Überall in der Welt, wohin die Auslandskorrespondenten unserer Massenmedien auch schauen und mit ihren Kamerateams für uns live dabei sind, ist mehr oder weniger die Hölle los. Böswillige oder auch nur altersschwache Regime brechen auseinander, neue Bewegungen sind dabei, sie „hinwegzufegen“ und eine neue Welt aufzubauen, was ohne Gewalt natürlich nicht geht, denn die alten Mächte wollen nicht abtreten. Also marschiert die Jugend voller Wut und Kraft los zu irgendeinem Treffpunkt, stürmt die Plätze, schichtet Barrikaden auf oder sperrt sogar, wie in Istanbul, ganze Straßenzüge ab und erklärt das Gebiet zur befreiten Zone.

Vornehmlich geschieht das alles in der islamistisch bestimmten Welt, aber bei der weltweiten Verbreitung der bewegten Bilder und minutenschnellen Übermittlung von Informationen ist die Wut am nächsten Tag auch in Chile oder Venezuela angekommen und erzeugt die gleichen Bilder: Jugendliche marschieren mit lautem Tamtam, rhythmischem Schreien und Kampfparolen in die Regierungsviertel. Polizeigewalt, Tränengas, Steine und Benzinbomben, nach ihrem unsterblichen Erfinder und Stalins Außenminister immer noch „Molotow-Cocktails“ genannt, werden eingesetzt: die Artillerie der Armen.

Der Schwarm der Protestierenden kommt nicht aus ohne Helden, und wenn die Polizei nicht höllisch aufpasst, gibt es Tote, werden die Helden zu Märtyrern und Volkshelden oder Heldinnen. Nach so viel Helden und Heroinen: Wie langweilig und angepasst stellt sich dagegen unsere Welt dar! Nicht einmal die letzte Sitzung des Bundestags in der vorigen Woche brachte die von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (im SPD-Jargon „Pannenpeer“) erhoffte Konfrontation mit der Kanzlerin. Ein letztes Mal wurde die Erwartung auf ein großes Rededuell enttäuscht. Ein Duell unter Gleichberechtigten sah die letzte Sitzung des Bundestags nicht. Das lag vor allem an Angela Merkel, die auf die scharfen Attacken ihres Herausforderers gar nicht erst einging. Warum sollte sie auch? Steinbrücks mit lauter Stimme und betonter Schärfe vorgetragener Satz über die Kanzlerin, sie wirtschafte so schlecht, dass, wenn sie die Wüste regiere, der Sand knapp würde, war nicht einmal von ihm. Das mit dem knappen Sand ist eine allgemeine, häufig verwendete Redensart für Verschwendung und Misswirtschaft, der die Kanzlerin, in ganz Europa eher als geizig und knauserig verschrien, nun gänzlich verfehlte. Die „scharfen Attacken“ waren hilfloses Gepolter, so hilflos wie die Szene vor den laufenden Kameras mit seiner Frau, wo sie bedauerte, dass er sich „das“ (die Kanzler-Kandidatur!) antun müsse, und er darüber so gerührt war, dass er zwei Minuten keine Worte fand. Ein gelungener Versuch, ihn uns „menschlich näher zu bringen“, wie die „FAZ“ etwas zynisch fand, aber gerade kein erfolgreicher Auftritt, um als zukünftiger Staatsmann in Erscheinung zu treten.

Und dann gab es noch eine weitere öffentlichkeitswirksame Panne. SPD-„Urgestein“ Günter Grass, sozusagen der letzte Getreue der Partei, führte auf einem SPD-Podium für Steinbrück einen bissigen Angriff auf die Mitgliedschaft Merkels in der FDJ der DDR. Doch dieser Angriff des freiwilligen oder unfreiwilligen Mitglieds der Waffen-SS ging gänzlich nach hinten los und ihm wurde auch noch am gleichen Tag von der SPD widersprochen. Am nächsten Tag ließ die Partei wissen, dass weitere Auftritte von Grass in diesem Wahlkampf nicht geplant seien.

Die Union ist weiter auf dem Vormarsch. Sie hat in den aktuellen Befragungen ihre Zustimmungswerte sogar noch verbessert, die Arbeitslosenzahl hat mit 6,8 Prozent den absoluten Tiefstand seit vielen Jahren erreicht, und die Zahl der möglichen SPD-Wähler ist noch einmal um ein Prozent gesunken. Die CDU sei nun „ausmobilisiert“, meinte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zu dem mit 43 Prozent höchsten Zustimmungswert für die Union beim ZDF-Politbarometer seit 2005. Das könne man, spottet die „FAZ“, von Gabriels Partei nun nicht gerade behaupten, obwohl sie bis zum letzten Waffen-SS-Veteranen so ziemlich alles an die Wahlkampffront geworfen habe.

Auch die Union mobilisiert ihre Reserven. Wie wir an dieser Stelle wiederholt vorausgesagt haben, hat sich Merkel kurz vor den Wahlen einmal wieder der deutschen Vertriebenen erinnert, die mit einem Gedenktag und einer Ausstellung über die Vertreibung geehrt werden sollen und bald – achten Sie auf meine Worte – werden Merkels Berater ihr Herz entdecken für die Mehrheit der Bewohner der Bundesrepublik, die Deutschen. Das Wort Deutschland wird wieder auftauchen ebenso wie die Achtung der deutschen Sprache, die Betonung der einfachen Tugenden wie Ordnung und Sparsamkeit und Unbestechlichkeit und Sauberkeit im Bankgeschäft.

Ist Merkel also wirklich „das kleinere Übel“? Trauen wir der behutsamen Alltagspolitik gegen die großen und lauten Wutbewegungen in Deutschland und in der Welt? Wir verfügen ja durch die 68er-Revolte über einschlägige Erfahrungen. Wo vorne Rudi Dutschke als Held voran marschierte, kam hinterher Andreas Baader und seine Killertruppe heraus. Wohin man in der Geschichte und in der Gegenwart blickt, von der großen Vietnam-Demonstration in Berlin über Stuttgart 21 bis zum Taksimplatz und dem Gezipark, sieht man, dass sich immer die Lautesten, Kräftigsten, Aggressivsten und Militanten durchgesetzt haben. Egal, ob sie, wie 1968, sich durch skandierte Ho-Tschi-Minh-Rufe anfeuern oder, wie gestern in Kairo, durch Trommeln, Tanzen und Parolen, die anderen mitzureißen suchen, am Ende stand und steht immer der „Terror der Guten“. Im Nahen Osten der radikale Islamismus. Die Helden von Kairo und Ankara werden ihn vielleicht reformieren, aber nicht abschaffen.

Misstrauen wir dem Heldentum der lauten Bewegungen. Versuchen wir, ohne Helden auszukommen. Ein Volk, das große Männer und Helden braucht, ist schlecht dran, sagt Brecht. Deshalb freuen wir uns über den glanzlosen und langweiligen Alltag im Deutschen Bundestag, über die Demokratie überhaupt, diese Minibeteiligung der Menschen an der Politik, die keine großen Männer und Helden braucht. Dafür aber Hoffnung. Immerhin gibt es die „Alternative für Deutschland“ (AfD), die die Tugend-Parteien gar nicht erst hochkommen lassen wollten und die, ob mit drei oder fünf Prozent der Stimmen, der Union nicht im Wege stehen wird bei der Regierungsbildung. Die drei oder – wie wir hoffen – fünf Prozent für die AfD schaden der guten Sache nicht, wie man uns einreden will. Denn die Wahl wird nicht am konservativen Rand entschieden, sondern durch Schwächung der Grünen, Linken und ganz Linken. Vertrauen wir nicht auf „Pannenpeer“ und seine Fehler. Es gibt immer noch Anhänger der Volksfront zwischen Grün, Rot und ganz Rot. Wenn die eine Koalition bilden können, dann gute Nacht, Deutschland.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren