28.03.2024

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06.07.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-13 vom 06. Juli 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es sind nicht immer die großen Suchwünsche, die auf unserem Familien-Schreibtisch landen, und nicht einmal Wünsche oder Fragen, sondern ganz einfach Zuschriften, die bekunden, dass ein Thema Erinnerungen geweckt hat, die man mitteilen möchte. Oder es sind die Schilderungen von kleinen Erlebnissen, die man nicht nur für sich behalten will, für die man aber keinen Ansprechpartner hat. Und manchmal heißt es auch nur: „Das muss ich mir mal von der Seele schreiben“, und das tut gut, denn es hilft, die Eindrücke zu verarbeiten. Nicht immer sind diese Mitteilungen für eine Veröffentlichung geeignet, verlangen vielmehr eine persönliche Antwort, aber einige habe ich heute herausgesucht, die ich an unsere Leserinnen und Leser weitergeben kann oder sogar muss, weil sie doch noch eine versteckte oder offene Frage beinhalten. Kleine Geschichten, liebevoll erzählt – sie passen so recht zu dieser Jahreszeit, wo man tohuus an den langen Sommerabenden auf der Bank unter dem blühenden Holunder saß und sich mit Nachbarn und Freunden „e bätke vertellte“.

So erinnert sich die heute in der Schweiz lebende Edith Ekell an ein Erlebnis, das sie vor längerer Zeit in Königsberg hatte. Die Ostpreußin wollte ihre Heimat wieder sehen, denn sie litt und leidet heute noch an Heimweh, wie der letzte Satz in ihrem Schreiben beweist: „Ich möchte immer noch nach Hause.“ So schloss sie sich im Jahr 1984 einer Reisegesellschaft an, die auch Königsberg bereiste. Was dabei geschah, lasse ich Frau Ekell, die auch Buchautorin („Schatten der Sehnsucht“) ist, selber erzählen: „Wir waren auf dem Wege zum Dom, wo sich das Grabmal Kants an einer Außenmauer befindet. Sonne leuchtete auf unseren Weg, wunderbar leichte Luft atmeten wir ein. Ein kleines russisches Mädchen kam uns entgegen, es hielt einen hübschen Blumenstrauß in den Händen. Plötzlich stand es vor uns und sagte: ,Du Kant!‘ und reichte mir ihren Blumenstrauß entgegen. Ich nahm das Kind mit dem Blumenstrauß in meine Arme und fragte: ,Du Kant?‘ Das Mädchen nickte. So liefen wir zusammen zum Grab des großen Philosophen. Ein liebevolles Gefühl erfüllte mich, ein Gefühl von Gemeinsamkeit und eine große Ruhe. Wir waren ganz einfach glücklich. Zwei Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Nationalität, verbunden mit einem Blumenstrauß wurden sie Freunde.“ Und auch heute schmücken Blumen das Grabmal des großen Philosophen, wenn es auch nur ein bescheidenes Sträußchen ist, wie man auf dem Foto sieht. Der Schauspieler Herbert Tennigkeit hat es gerade auf einer Ostpreußenreise aufgenommen, es ist also ein taufrischer Gruß aus der Heimat.

Als unser Landsmann Werner Nagel aus Hohenwestedt in Folge 20 den Beitrag von Herrn Alfred Götz über das „Klompe machen“ las – den dieser aufgrund der Entdeckung einer „Klumpenbank“ durch Herrn Herbert Skroblin verfasste –, fiel es ihm ein, dass er bereits 1948/50 Eindrücke aus seiner Jugend aufgezeichnet hatte, in denen er auch die Herstellung dieser Fußbekleidung schilderte. Sie wurden die Grundlagen zu seinen „Erinnerungen“, die er später auf dem PC für die Nachfolgegeneration schrieb, und aus denen er uns einen Auszug übermittelte. Werner Nagel war schon als Junge handwerklich sehr geschickt, vor allem, was das Bearbeiten von Holz betraf. Er saß gerne auf der „Schneidbank“ und hat mit dem Spezialmesser – einem geraden oder gekröpften Zugmesser – Stiele für Werkzeuge hergestellt. Sie wurden immer selber angefertigt. Man schnitt natürlich gewachsene, gerade oder leicht gebogene Stöcke entsprechender Stärke aus Büschen am Feldrand oder im Wald. Dafür hatte man stets einen prüfenden Blick und nahm es mit, wenn man etwas Brauchbares gefunden hatte. Nach entsprechender Trocknungszeit wurden die Stile auf der Schneidbank bearbeitet und zugerichtet.

Über das „Klompe machen“ schreibt Herr Nagel: „Vater hat auf dieser erwähnten Schneidbank damals unsere Holzschuhe gearbeitet. Das waren ,Schlorren‘ und ,Klumpen‘, unsere alltäglichen Fußbekleidungen. ,Schlorren‘ bestanden aus hölzernen Schuhsohlen mit Absatz, über die vorne ein Stück Leder genagelt wurde, in das man mit dem Fuß hineinschlüpfen konnte. ,Klumpen‘ gab es zwei verschiedenen Ausführungen. Einmal die, die wir ,Schweizer Klumpen‘ nannten. Sie hatten um die Ferse einen breiten Lederstreifen und saßen damit fest am Fuß. Sie hießen so, weil sie überwiegend von den ,Schweizern‘ im Kuhstall getragen wurden. Die anderen hohen Klumpen waren die ,Zweischnaller‘. Sie hatten ein geschlossenes Oberteil aus Leder und wurden auf der Vorderseite jeweils mit zwei Schnallen geschlossen. Damit die Holzsohlen eine längere Lebensdauer hatten, wurde auch noch Leder darunter genagelt.“ Zur Schlorrenherstellung fehlte dem jungen Werner das notwendige Geschick, außerdem durfte er das dazu benötigte spezielle und trocken gelagerte Holz nicht für seine Versuche nehmen. So blieb er eben bei der Fertigung von Hammer- und Axtstielen – und wird wohl auf seine ersten gelungenen Erzeugnisse sehr stolz gewesen sein.

Über Bernsteinschmuck haben wir eigentlich genug berichtet – dachte ich, aber der Mensch kann sich ja auch irren. Denn nun erreichte mich über Umwegen eine Anfrage aus Österreich, die auch einen Bernsteinschmuck betrifft, diesmal aber einen einwandfrei ostpreußischen. Frau Manuela Zudrell aus Bartholomäberg schreibt: „Meine Oma ist in den Kriegsjahren mit ihrer Tochter von Königsberg nach Nordrhein-Westfalen geflohen. Bei den Kämpfen an der Ostfront ist mein Großvater in russische Gefangenschaft gekommen, und als er wieder frei war, haben er und seine Familie sich wieder getroffen und ein Haus gebaut. Nach Kriegsende ist dann meine Mutter geboren. Meine Oma hat immer ein Heimatkreuz an silberner Kette mit einem Bernstein um den Hals gehabt. Als sie starb, wurde ihr diese Kette mit ins Grab gegeben. Ich wende mich nun mit einer Bitte an Sie: Gibt es noch Heimatkreuze, die man käuflich erwerben kann?“ Soweit Frau Zudrell, die von uns einige Hinweise bekommen hat. Aber nun sind wir neugierig geworden und möchten wissen, was es mit dem „Heimatkreuz“ auf sich hat. Wurde es als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zur Heimat nach dem Krieg angefertigt? Wer besitzt noch solch ein „Heimatkreuz“ und kann uns über diesen ostpreußischen Schmuck einige Angaben machen?

Zwar nicht so weit, aber immerhin bis zum Jahr 2002 zurück geht die Frage von Herrn Alfred Warschat aus Köln. Er fand in einer Folge des Ostpreußenblattes unsere – damals noch bescheidene, kleinräumige – Kolumne, in der ich schrieb: „Aus Rostock bekam ich von drei lieben Ostpreußinnen eine alte Postkarte zugesandt. Sie zeigt Aufnahmen aus Triaken (Schwerfelde), Kreis Insterburg. Leben noch ehemalige Bewohner, die auf der Karte vielleicht ihre alte Schule, die Meierei oder das Geschäftshaus Fritz Wittko entdecken wollen?“ Die Karte fand damals schnell einen Liebhaber, und damit schien die Sache erledigt. Nun aber interessiert sich Herr Warschat für die Angelegenheit, weniger für die Karte, denn er selber besitzt eine solche aus Triaken, sondern für das Ostpreußinnen-Trio aus Rostock. Er schreibt: „Mein Vater ging in Triaken (Schwerfelde) zur Schule. Als Heimatforscher von Triaken und dem ganzen Kirchspiel Jodlauken (Schwalbental) habe ich nahezu alle früheren Bewohner dieses Ortes und aller umliegenden Dörfer erfasst. Ich arbeite an Heimatbüchern über die früheren Ortschaften des Kirchspiels Schwalbental. Darin will ich dokumentieren, wie die früheren Dörfer aussahen und welche Personen dort lebten. Sehr gerne würde ich mit Ihren drei lieben Ostpreußinnen Kontakt aufnehmen. Mit den Kindern von Fritz Wittko, dem erwähnten Geschäftshaus in Triaken, stehe ich heute noch in Verbindung. Ich habe zirka 150 Fotos alleine aus Triaken, aus dem gesamten Kirchspiel Jodlauken/Schwalbental sind es zirka 2400 Fotos. Bitte unterstützen auch Sie mein Wirken gegen das Vergessen!“ Das will ich gerne tun und hoffe, dass sich nicht nur die drei Rostockerinnen bei Herrn Warschat melden, sondern auch andere Leserinnen und Leser, die aus dem Kirchspiel stammen. Auch wenn sie nicht mehr dort geboren sind wie Alfred Warschat, der im Oktober 1945 auf der Flucht in einem dänischen Lager zur Welt kam, und Ostpreuße mit Leib und Seele ist. (Alfred Warschat, Bürgershof 1 in 50769 Köln.)

Über die Zuschriften von Frau Ilse Conrad-Kowalski freue ich mich immer, denn sie bereichern unsere Ostpreußische Familie doch sehr. Diesmal kommt die heute in Lübeck Wohnende auf unsern Beitrag über den Albertus zurück, den wir in Folge 21 brachten. Denn ihre Familie kann stolz einen von Generation zu Generation weiter gegebenen Albertus vorweisen, den sich nun ein Kowalski der jüngsten Generation an das Revers stecken konnte. Dazu Frau Conrad-Kowalski: „Mein Großneffe – also von Ostpreußen an die vierte Generation – trug auf seiner Abiturfeier unseren ,Familien-Albertus‘, der meines Wissens von meinem Urgroßvater gestiftet wurde. Meine Mutter hatte ihn mit anderen Wertsachen und Dokumenten in unserem Fluchtgepäck mitgenommen. In Ostpreußen hatten ihn schon drei Generationen getragen. Ihre Namen und Abiturdaten sind auf angehängten silbernen Täfelchen eingraviert. Jetzt nach so vielen Kowalski-Abi­turienten werden sie nur noch in einem kleine Büchlein festgehalten, das mit dem Albertus weiterwandert – zur nächsten Generation. Ich habe meinem Großneffen noch Ihren Beitrag über die Bedeutung der Alberten geschickt.“ Und der wandert wohl nun mit Albertus und Büchlein weiter. Kaum eine andere ostpreußische Familie dürfte solch eine Albertus-Tradition aufweisen, die über eine lange Reihe von Generationen lebendig erhalten blieb und bleiben wird.

Und dann ist da ein so netter Brief, den ich unseren Leserinnen und Lesern auf keinen Fall vorenthalten möchte. Er kommt von einem Ehepaar, das nicht aus Ostpreußen stammt, aber unsere Heimat liebt und sie auf vielen Reisen entdeckt hat. Und dazu trägt auch unsere Zeitung bei, wie die Schreiberin aus Eppstein bekundet: „Solange ich das Ostpreußenblatt beziehe, lese ich immer Ihre so netten und interessanten Berichte und Suchmeldungen. Ich bin zwar keine Ostpreußin, aber das Land hat mich schon als junges Mädchen interessiert. Und als ich das Alter hatte, dass ich das Land hätte bereisen können, war der Krieg zu Ende, dort lebten jetzt Russen und Polen, und wir durften nicht mehr hin. Aber im Jahr 1893 waren wir endlich dort. Wir sind dann lange Zeit in jedem Jahr für einige Tage nach Ostpreußen gefahren, vor allem in das russisch besetzte Gebiet bis nach Tilsit. Wir fuhren dann weiter nach Trakehnen, unser einst so berühmtes Pferdegestüt. Mein Gott, wie sah das aus! Der lange Pferdestall, der als Kuhstall benutzt wird, geht Stück für Stück kaputt, jedes Jahr ein bisschen mehr, man konnte den Verfall geradezu miterleben. Und es war so vieles, was einen das Herz bluten ließ. In Trakehnen haben wir mit russischen Kindern gearbeitet und versucht, ihnen die deutsche Sprache beizubringen. Die Kinder haben gut gelernt und mit ihren Handpuppen mitgespielt, sie waren begeistert und wir auch. Aber nun können wir aus Altersgründen seit Jahren nicht mehr nach Ostpreußen reisen. Wir bedauern das doch sehr.“ Frau Frerichs schließt viele gute Wünsche für das Weiterbestehen unserer Ostpreußische Familie an, denn diese Verbindung mit Ostpreußen bleibt ja bestehen.

Eure Ruth Geede


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