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13.07.13 / Massenmord bleibt ungesühnt / Mutmaßliche Täter des Brandanschlags auf Aleviten in Sivas leben unbehelligt in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-13 vom 13. Juli 2013

Massenmord bleibt ungesühnt
Mutmaßliche Täter des Brandanschlags auf Aleviten in Sivas leben unbehelligt in Deutschland

In Berlin haben die aus der Türkei stammenden Aleviten mit einer großen Demonstration des Brandanschlags in der anatolischen Stadt Sivas im Jahr 1993 gedacht. Damals zündete ein sunnitisch-islamistischer Mob ein Hotel an, wodurch 35 Menschen, unter ihnen viele alevitische Künstler und Intellektuelle, ums Leben kamen. Mehrere mutmaßliche Täter konnten nach Deutschland fliehen, wo sie bis heute unbehelligt leben – zum Teil als anerkannte Asylanten.

Die Aleviten werfen Deutschland vor, mutmaßliche Täter des „Massakers von Sivas“ zu schützen. Nach Angaben der Alevitischen Gemeinde Deutschland leben mindestens neun Tatverdächtige in der Bundesrepublik. Einer von ihnen sei eingebürgert worden, andere hätten Asyl erhalten. Einige der mutmaßlichen Täter sind in der Türkei zum Tode verurteilt worden, doch gelang ihnen die Flucht ins Ausland – die Aleviten vermuten, mit staatlicher Hilfe. Unter Berufung auf die Todesurteile ersuchten mindestens neun mutmaßliche Täter in Deutschland um Asyl – oder zumindest Schutz vor Abschiebung in die Türkei – und zwar alle mit Erfolg. Alle Tatverdächtigen in Deutschland sind auf freiem Fuß. Die Aleviten kennen Namen, auch Adressen. Einer zum Beispiel, Vahit K., soll in Berlin-Gesundbrunnen in der Prinzenallee Geschäfte betreiben, ein anderer in Mannheim leben.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Memet Kilic, selbst Alevit, hat versucht, mit Fragen im Bundestag Licht in das auch juristische Dunkel zu bringen. Konkrete Antworten werden jedoch meist unter Verweis auf den Datenschutz verweigert. Im Gespräch mit der PAZ äußert Kilic die Vermutung, Tatverdächtige könnten dem Verfassungsschutz als V-Männer dienen. Die nach Deutschland Geflohenen seien hier von der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs unterstützt worden. Milli Görüs wiederum werde vom Verfassungsschutz beobachtet.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) war noch im Dezember 2011 beim Versuch, einen der mutmaßlichen Täter auszuweisen, vor dem Verwaltungsgericht Aachen gescheitert. Im Urteil heißt es, der Betreffende sei im Dezember 2000 auf dem Luftweg nach Deutschland eingereist. Im Januar 2001 habe er Asyl beantragt. Als Grund habe er vorgetragen, er sei vom Staatssicherheitsgericht in Ankara zum Tode verurteilt worden. Man habe ihm vorgeworfen, in Sivas mit anderen das Hotel in Brand gesetzt zu haben, obwohl er damit nichts zu tun gehabt habe. Das BAMF sah keine politische Verfolgung und erklärte auch, seit 2002 sei die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft. Das Gericht wies das Ausweisungsbegehren des BAMF unter anderem damit zurück, dass das Bundesamt nicht genügend aufgeklärt habe, warum der Kläger zur Todesstrafe verurteilt worden sei; eine Tatbeteiligung sei nicht genügend dokumentiert, außerdem habe in der Türkei ein Militärrichter am Urteil mitgewirkt. Das Gericht sprach von einer „nicht ansatzweise sachlich und nachvollziehbar begründeten und damit willkürlichen Wertung“ des BAMF. Kritik am Bundesamt äußert auch der Abgeordnete Kilic im Gespräch mit der PAZ. Das Amt sei nicht einmal mit einem Prozessvertreter beim Gerichtstermin erschienen. In anderen Fällen gebe sich das Amt mehr Mühe, so Kilic.

Das BAMF wiederum erklärte gegenüber der PAZ, wegen Personalmangel könne nur ein sehr kleiner Teil der Termine vor den Verwaltungsgerichten durch einen Prozessvertreter wahrgenommen werden. Die Teilnahme eines Prozessvertreters an der Verhandlung hätte in diesem Fall, so das BAMF, auch keinen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens gehabt.

Auf die Frage der PAZ, ob das BAMF nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts versucht habe, den Fall weiter aufzuklären, und ob der Kläger Asyl erhalten habe, erklärte das Amt, es könne zu „Einzelfällen – und damit auch zum Fortgang dieses konkreten Falls – aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Stellungnahme abgeben“. Auf die Frage, ob Tatverdächtige im Fall Sivas nicht vor deutsche Gerichte gestellt werden könnten, verwies das BAMF auf das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Artikel 14 Absatz 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Doch das ist falsch: Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts normiert dieser Pakt ein Doppelbestrafungsverbot nur für den innerstaatlichen Bereich, nicht transnational.

Zehn türkische Auslieferungsersuchen wurden deutscherseits als unzulässig oder als zu wenig begründet abgelehnt. Ob es jemals eine deutsche staatsanwaltschaftliche Ermittlung zum Massenmord von Sivas gab, vermag auch der Abgeordnete Kilic nicht zu sagen. Kilic fordert, den Asylstatus Tatverdächtiger zu überprüfen.

Bei der Berliner Aleviten-Demonstration liefen türkische kommunistische Gruppen hinterdrein, wohl als Trittbrettfahrer. Unter ihnen war auch die verbotene „Volksfront“ („Halk Cephesi“, DHKP-C). Sie ist seit 2002 auch auf der europäischen Liste terroristischer Organisationen verzeichnet. Ungehindert konnten ihre Vertreter mit Fahnen und Transparenten mit marschieren. Michael Leh


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