27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.07.13 / Im Pflanzenmeer verschwunden / Die Internationale Gartenschau sollte der Besuchermagnet des Jahres in Hamburg werden, aber der Garten füllt sich nur langsam

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-13 vom 13. Juli 2013

Im Pflanzenmeer verschwunden
Die Internationale Gartenschau sollte der Besuchermagnet des Jahres in Hamburg werden, aber der Garten füllt sich nur langsam

Hamburg ist grün – im ökologischen Sinn. Schon zum achten Mal findet in der Elbmetropole eine Gartenschau statt, was von keiner anderen deutschen Stadt übertroffen wird. Doch das Blumenfest, das auf der Elbinsel in Wilhelmsburg stattfindet, leidet unter einer nicht nur dem Wetter geschuldeten Besucherflaute.

Der Andrang hält sich in Grenzen. Gerade einmal vier Personen stehen in der Schlange an einer der drei Eingänge zur Internationalen Gartenschau (igs) im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Glück gehabt, dass es an der Kasse so schnell geht, und das an einem der bislang seltenen warmen Sommertage, mag sich so mancher freuen. Na gut, morgens um zehn Uhr sind mitten in der Woche auch noch nicht gerade Massen unterwegs, um sich das bunte Blumenmeer anzusehen.

Doch für igs-Verhältnisse sind an diesem Morgen schon Massen auf den Beinen. Denn der späte Frühlingsanfang sowie die vielen kühlen Tage im Mai und Juni haben nicht gerade für einen Besucheransturm gesorgt. Und auch der hohe Eintrittspreis von 21 Euro lädt nicht unbedingt zum Gang in die grüne Oase ein.

Als man Ende April die Gartenschau-Toren öffnete, rechnete man bis zum Ende der Veranstaltung am 13. Oktober mit 2,5 Millionen Besuchern. Von diesem Ziel ist man weit entfernt. Um es noch zu erreichen, müssten täglich 20000 Besucher kommen. Tatsächlich pendelt sich der Schnitt bei 5000 ein. Ob trotz anhaltend gutem Wetter ausgerechnet in der Ferienzeit mit mehr Gästen gerechnet werden kann, darf bezweifelt werden. Selbst für Hamburger Urlaubsmuffel ist der von sozialen Problemen geprägte Stadtteil Wilhelmsburg nicht gerade ein attraktives Reiseziel.

Um dieses Gebiet mit seinen 50000 Bewohnern, die auf der von der Elbe umflossenen größten Flussinsel Europas leben, aufzuwerten, hat die Stadt viel investiert. Denn di­rekt neben der 70 Millionen Euro teuren Schau sind die neuesten architektonischen Errungenschaften der Internationalen Bauausstellung zu besichtigen, in die eine weitere Milliarde Euro investiert wurde (siehe PAZ vom 23. März).

Die beiden Ausstellungen sollten sich ergänzen, so das Kalkül. Wer sich für ein Haus interessiert, der würde sich gleich den passenden Garten aussuchen und umgekehrt. Doch die Synergieeffekte scheinen zu verpuffen, beide Veranstaltungen fristen ein unabhängiges Dasein voneinander.

Die Gartenschau ist in erster Linie eine Familienattraktion. Erstaunlich viele Paare mit Kindern tummeln sich schon gegen Mittag auf den Wegen. Die Kleinen können sich hier richtig Austoben, zwar nicht zwischen den Beten, aber doch an Kletterwänden, auf der Skateranlage oder im Hochseilgarten, wo man sich angeseilt von Baum zu Baum hangeln kann. Simple Kinderrutschen oder Drehscheiben sind von gestern, heute geht es nicht mehr unter technisch hoch komplexen Abenteuerspielplätzen.

Wie gerufen kommt da die Bahn angefahren. Keine Spielzeugeisenbahn, sondern ein High-Tech-Gefährt auf Stelzen. Die „Monorail“ befördert die Besucher mit sagenhaften 18 Stundenkilometer um das Gelände, was einem bei der welligen und kurvenreichen Strecke manchmal wie eine sanfte Achterbahnfahrt unter Einfluss von Narkotika vorkommt. Die Fahrtkosten für die Schwebebahn, die nach Ende der Gartenschau wieder abgebaut wird, sind nicht im Eintrittspreis enthalten. Für eine einfache Fahrt müssen Erwachsene zusätzlich 7,50 Euro berappen.

Aus luftiger Höhe kann man „In 80 Gärten um die Welt“ schweben. Unter diesem frei nach einem Roman von Jules Verne stehendem Motto steht die igs, die sich zur Aufgabe gemacht hat, jeden dieser Gärten motivisch so zu schmücken, dass man den Eindruck einer Weltreise mit nach Hause nimmt. Zwar landet man dann in exotischen Gefilden wie in Afrika mit Termitenhügel und wüstenähnlichen Sandlandschaften oder auch wie in Asien, das anhand gigantischer Holzstäbchen erkennbar ist, doch die darauf gepflanzten Blumen sind weitgehend heimisch.

Die 700 beteiligten Gärtnereien haben wohl bis zu einer Million Nelken, Rosen, Dahlien, Stauden und vieles anderes gepflanzt. Die genaue Zahl kennt keiner. Jedenfalls sind es alles Pflanzen, die das nasskalte Hamburger Klima ganzjährig vertragen, soll doch das Gelände später von den Wilhelmsburgern als Freizeitpark angenommen werden. Ob er so einschlägt wie Planten un Blomen – auf dem von den Hamburgern weithin akzeptierten Gelände in der City wurden zwischen 1897 und 1973 fünf Gartenschauen veranstaltet – bleibt abzuwarten. Ein Erfolg könnte es werden, wenn die Wilhelmsburger Reichsstraße, die jetzt noch quer durch das Gelände verläuft, einmal verlegt wird. Pläne, die vierspurige Schnellstraße, die die City mit Harburg im Süden verbindet, zu verlagern, wurden immer wieder diskutiert, aber nie verwirklicht.

Derzeit muss man sich mit dem lauten Störfaktor abfinden, wie auch damit, dass man immer wieder Umwege um die privaten Schrebergartenkolonien gehen muss, die teilweise mitten im Park liegen. Doch jetzt strahlt erst einmal die Sonne und zum Nachmittag hin ist der Park gut mit Besuchern gefüllt. Auf einer der drei Bühnen sorgen gerade Schauspieler Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys musikalisch für gute Stimmung. Die soll ab sofort dauerhaft auf der igs anhalten. Harald Tews


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren