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20.07.13 / Korruptionsskandal könnte Euro erschüttern / Spanien: Regierung Rajoy gerät nach neuen Enthüllungen stärker unter Druck – Auch für Deutschland folgenschwer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Korruptionsskandal könnte Euro erschüttern
Spanien: Regierung Rajoy gerät nach neuen Enthüllungen stärker unter Druck – Auch für Deutschland folgenschwer

Dass es bei ihnen ein wenig korrupter zugeht als im vermeintlich aufgeräumten Deutschland, das quittierten die Spanier lange Zeit mit sarkastischem Lächeln. Natürlich sind die Politiker nicht „sauber“, hilft der Bauunternehmer gern ein wenig nach, damit es mit dem Auftrag der Stadt auch klappt. So ist das eben.

An diesen Gleichmut des Volkes hatte sich die politische Klasse gewöhnt, weshalb man recht ungeniert die Taschen aufhielt. An dieser Gewohnheit mag es liegen, dass Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy alle Rück­trittsforderungen bislang abprallen ließ (Stand Anfang dieser Woche). Er hat nicht verstanden, dass sich etwas geändert hat auf der iberischen Halbinsel. Oder er will es einfach nicht wahrhaben.

In Zeiten des Booms konnten die meisten Spanier den Eindruck gewinnen, dass Korruption nun mal zu dem Spiel gehöre, von dem am Ende alle profitieren. Der eine mehr, der andere weniger zwar, dennoch: Nie war der allgemeine Lebensstandard so rasant und so breit angestiegen wie in den letzten Jahren vor dem Ausbruch der Finanz- und Euro-Krise. Was sollte also falsch sein? Zumal man den „ordentlichen“ Deutschen dabei zusehen konnte, wie sie in der Krise festklebten während der Jahre 2002 bis 2006, derweil sich in Spanien die Rekorde stapelten: mehr Gehalt, mehr Konsum, mehr Wohnungen.

Dann der brutale, sich quälend hinziehende Absturz. Auf einmal schien sich das „spanische Modell“ als große Mogelpackung zu entpuppen, die nun alle in den Abgrund reißt. Und mitten in der entsetzlichen Talfahrt erfahren die Spanier, dass ihr Ministerpräsident ganz persönlich jahrelang Gelder von Bauunternehmen erhalten haben soll, schwarz, allein 1998 umgerechnet mehr als 25000 Euro.

Der Ex-Finanzminister und von 1990 bis 2009 Schatzmeister von Rajoys Volkspartei (PP), Luis Bárcenas, sitzt mittlerweile im Gefängnis. Zahlreiche PP-Größen stehen auf den „Lohnlisten“, welche die Presse vor Monaten veröffentlicht hat. Auch die PP-Parteikasse soll reichlich bedacht worden sein. Bárcenas wird vorgeworfen, zudem 48 Millionen Euro an Schmiergeldern auf Auslandskonten versteckt zu haben.

Die PP verfolgte eine doppelte Gegenstrategie. Einerseits hat sie die Listen mit Geldsummen und Empfängernamen, welche die Zeitung „El País“ im Januar veröffentlichte, als „Fotokopien von Fotokopien“ heruntergespielt, sprich: als plumpe Fälschungen. Andererseits versuchte Rajoy, möglichst viel Abstand zu Bárcenas herzustellen. Er könne sich gar nicht mehr erinnern, wann er zuletzt mit „diesem Individuum“ Kontakt gehabt habe.

Doch nun sind weitere Dokumente aufgetaucht, welche die Zahlungen zu belegen scheinen. Und Anfang der Woche veröffentlichte die (eigentlich eher PP-nahe) Zeitung „El Mundo“ Texte von Kurzmitteilungen (SMS), die Rajoy noch im März an den Ex-Schatzmeister richtete. Inhalt: Wir stehen zu dir, doch: Bewahre Ruhe.

Das klingt, als ob der Premier seinen Parteifreund um jeden Preis zum Schweigen bewegen wollte. Bárcenas selbst hat sich von seiner Partei und dem Premier vor allem Schutz vor juristischer Verfolgung erhofft. Nun sitzt er aber im Gefängnis und ist offenbar zutiefst verbittert. Er fühlt sich verraten und sinnt auf Rache. Er könne, so lässt Bárcenas verbreiten, jederzeit eine „Atombombe“ zünden.

Dass es in Spanien noch zu keinen das Land bewegenden Demonstrationen, ja Unruhen gekommen ist wegen der Korruptionsaffäre, sollte nicht als Desinteresse oder gar stillschweigendes Einverständnis gewertet werden. Nach den lautstarken Protesten von 2011 befinden sich die Spanier in einer Stimmung bleierner Resignation. Der Blick auf politische Umstürze der Geschichte aber zeigt, dass solche scheinbar toten Phasen oft einer politischen Explosion vorangingen.

Für den Fall eines Sturzes der Regierung und Neuwahlen müssen sich EU und Euro-Zone auf turbulente Entwicklungen einstellen. Neben der regierenden PP haben auch die oppositionellen Sozialisten erheblich an Boden verloren. Das gesamte etablierte Parteiensystem könnte erodieren und damit auch der Rückhalt für die Euro-Politik. Kaum jemand in Madrid geht davon aus, dass Spanien nach einem Umbruch noch an dem von Brüssel auferlegten Sparkurs festhält.

Damit geriete alles ins Rutschen, was Grundlage ist für die bisherigen Übereinkommen der Euro-Zone mit Madrid. Das wiederum dürfte die gesamte Architektur des ohnehin schwer angeschlagenen Euro-Währungssystems ins Wanken bringen. Somit ist das, was sich dieser Tage in Madrid abspielt, auch für deutsche Steuerzahler von höchster Bedeutung. Hans Heckel


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