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20.07.13 / Libyen droht der Zerfall / Ratlose Regierung bittet Nato um Hilfe, doch die fürchtet weitere Engagements

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Libyen droht der Zerfall
Ratlose Regierung bittet Nato um Hilfe, doch die fürchtet weitere Engagements

Milizen krimineller Banden und radikaler Islamisten terrorisieren Libyen und machen das Land zusehends unregierbar. Die Nato, die 2011 den damaligen Diktatur Muammar Ghaddafi gestürzt hat, soll jetzt wieder helfen.

Zwei Jahre nach dem Sturz von Machthaber Ghaddafi steht das Land vor dem Zerfall. Zu diesem Schluss kam die Nato-Delegation, die Ende Juni das Land bereiste. „Armee und Polizei sind derzeit nicht in der Lage, die Sicherheit für das Land zu garantieren“, zitiert „Spiegel Online“ aus dem Bericht. Kriminelle Banden und radikale Islamisten nutzen dieses Vakuum aus. Libyen habe das „weltweit größte ungesicherte Arsenal von Waffen, darunter Minen, Munition und tragbare Flugabwehrsysteme“, so der Bericht der Nato-Delegation.

Libyens Regierung soll nach internen Berichten die Nato um militärische Unterstützung gebeten haben, um ein Abgleiten des Landes ins völlige Chaos zu verhindern. Die Nato hatte 2011 versprochen, dem Land auf dem Weg zur Demokratie beizustehen. Das Bündnis ist deshalb auch in der Pflicht. Nun soll die Regierung in Tripolis nach dem Besuch der Delegation die Nato gebeten haben, den Aufbau einer bis zu 35000 Mann umfassenden Nationalgarde zu unterstützen. Ein direktes militärisches Eingreifen mit Nato-Truppen in Libyen zur Stabilisierung der Regierung ist völlig undenkbar. Denkbar sind militärische Berater und Ausbilder sowie technische Hilfe. Aufgrund schlechter Erfahrungen im nordafrikanischen und arabischen Raum wie auch in Afghanistan wird die Nato dabei sehr zurückhaltend bleiben. Die Nato befürchtet zudem Kompetenzstreitigkeiten im Land. Generell mangele es den Regierungsstellen an der „Fähigkeit, Rat aufzunehmen und umzusetzen“.

Anfang Juni hatte Generalstabs-chef Yussef al-Mangush nach den Kämpfen zwischen früheren Rebellen und Demonstranten im libyschen Bengasi mit 31 Toten seinen Rücktritt erklärt. Die Demonstranten wollten erreichen, dass die Rebellen Bengasi verlassen und dass statt ihnen die Armee die Kontrolle übernimmt. Seit Monaten versucht die noch bestehende Zentralregierung, die Kontrolle wenigstens in der Hauptstadt zu übernehmen, wo unterschiedliche Milizen rund 500 öffentliche und private Gebäude kontrollieren. In den Monaten zuvor hatte eine Miliz, die ein Gefängnis betreibt, das Justizministerium gestürmt. Zeitgleich wurde Mohamed Ali al Gattous, Berater von Premierminister Ali Zeidan, an einer von einer Miliz errichteten Straßensperre festgenommen und entführt. Mehrere Regierungsmitglieder hatten Todesdrohungen von Milizen erhalten, denen es nicht recht war, dass Beamte aus der Zeit von Ghaddafi wieder eingestellt worden waren. Gewalt und Androhung von Gewalt gehen hauptsächlich von salafistischen Banden aus, die von Saudi-Arabien unterstützt werden.

Einen weithin beachteten Höhepunkt erreichte die Gesetzlosigkeit in Libyen mit der Ermordung des US-Botschafters Christopher Stevens und vier seiner Mitarbeiter am 11. September 2012 in Bengasi. Zum Anschlag bekannte sich damals der jemenitische Zweig von al-Kaida. Die USA beschränkten sich darauf, von den libyschen Behörden die Aufklärung der Tat zu fordern, die bis heute nicht erfolgt ist. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass eine konsequente Aufklärung die engen Verbindungen zutage fördern könnte, die seit Beginn des Krieges gegen Libyen zwischen den USA sowie Katar und Saudi-Arabien bestehen.

Unter den chaotischen Verhältnissen leiden vor allem schwarze Arbeitsmigranten, die oft ohne die nötigen Papiere über die Südgrenzen eingewandert sind. Die Bewohner der Stadt Tawergha, libysche Staatsbürger schwarzer Hautfarbe, wurden vertrieben. Viele sind gelyncht, einigen Tausend gelang die Flucht nach Ägypten oder Tunesien. Nach Angaben des nigrischen Staatssekretärs Boubacar Yayé befinden sich allein 3000 seiner Landsleute in libyschen Gefängnissen, deren Standort oft unbekannt ist. Schwarzafrikanische Flüchtlinge wagen es deshalb kaum noch, Libyen als Transitland für das Erreichen der EU zu nutzen.

Libyen reiht sich ein in die lange Kette zerfallener Staaten, die sich als Folge westlicher Interventionen von Somalia über Afghanistan und Irak nun bis Libyen zieht und der demnächst wohl Syrien hinzuzufügen ist. Saudi-Arabien und Katar versuchen durch Ausbreitung eines fanatisch-dschihadistischen Islams, ihre neue Führungsrolle in der sunnitisch-arabischen Welt zu sichern. Im Gegenzug soll der Westen freien Zugang zu den Energieressourcen der Region behalten.

Nur die Gas- und Ölproduktion funktioniert in Libyen wieder wie vor dem Krieg. Während es im Flugverkehr zu Engpässen bei der Kerosinversorgung kam und der Flughafen von Bengasi zeitweilig geschlossen werden musste, hat die Öl- und Gasproduktion Libyens fast wieder Vorkriegsniveau erreicht, allerdings dank des Einsatzes ausländischer privater Sicherheitsunternehmen, die den Schutz der Einrichtungen übernommen haben. Bodo Bost


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