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20.07.13 / Chance auf Annäherung / Sudeten-Sprecher Bernd Posselt zu Besuch im Kulturzentrum Ostpreußen Ellingen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-13 vom 20. Juli 2013

Chance auf Annäherung
Sudeten-Sprecher Bernd Posselt zu Besuch im Kulturzentrum Ostpreußen Ellingen

Ergänzend zur Ausstellung „Angekommen – Die Integration der Vertriebenen in Deutschland“ im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen hielt Bernd Posselt, der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, den Vortrag „Die Sudetendeutschen – Bindeglied im Herzen Europas“.

„Geschichte ist die Basis für die Zukunft“, so leitete Bernd Posselt, Mitglied des Europäischen Parlaments, seinen Vortrag über die aktuelle Situation zwischen Bayern und der Tschechischen Republik ein. Er ging auf das Heilige Römische Reich ein, in dem der erste Versuch unternommen wurde, Völker auf einer übernationalen Basis zusammenzuführen. Das heute synthetisch, künstlich und als neu gegründet betrachtete Europa ist nicht die Idee der Gründerväter der heutigen europäischen Einigung, sondern nur die Wiederentdeckung einer historischen Realität. Bereits vor 1700 Jahren war mit der Mailänder Vereinbarung die Freiheit der Glaubensentscheidung für alle Religionen festgelegt worden. Die europäische Identität hat nach Posselts Worten ihre Wurzeln im christlichen Glauben, in der griechischen Philosophie und im römischen Recht. Auch Karl der Große war im übertragenen Sinne dieser Grundpfeiler ein Urvater Europas, wobei die Annäherung der „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg eine Wiedervereinigung von Ost- und Westfranken darstellt. Nicht vergessen werden dürfen die Slawen als dritte große Völkerfamilie Europas neben Romanen und Germanen. Andere kleinere Völker wie etwa die Albaner bilden „bunte Tupfer“ und bereichern die europäische Geschichte.

Die sudetendeutsche Geschichte war immer übernational. Böhmen, Mährer und Schlesier lebten problemlos zusammen. Der Nationalismus entwickelte sich dann durch Sprache und Sprachgruppen. Noch 1867 war mit dem österreichischen Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger die Gleichberechtigung aller im Staate lebenden Nationen festgelegt und keine Minderheitenrechte eingeführt worden. Auch der „Mährische Ausgleich“ von 1905 sei ein Vorbild für Minderheitenregelungen, dessen wertvolle Ansätze nach dem Ersten Weltkrieg zerstört wurden. Dies führte zur brutalen völkerrechtswidrigen Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Posselt erläuterte, dass bereits in den 1950er Jahren Kontakte zwischen Deutschen und Tschechen aufgenommen wurden. Als vierter Stamm in Bayern und eines der beiden Völker der Böhmischen Länder bis zur Vertreibung aus dem Sudetenland konnten Verbindungen zwischen den in Tschechien verbliebenen sowie den in Bayern lebenden Sudetendeutschen ein grenzüberschreitendes Netzwerk aufgebaut werden, das schon beim Fall des Eisernen Vorhanges existierte. Die Bemühungen erlitten allerdings Rückschläge, als Václav Havel als tschechoslowakischer und tschechischer Staatspräsident nicht den nötigen Rückhalt in der politischen Klasse seines Landes fand, um die Annäherung zu beschleunigen. Nach Posselts Meinung ist dies auch ein Versagen der deutschen Außenpolitik, namentlich durch Hans-Dietrich Genscher, der der Meinung war, dass Politik zwischen Regierungen und nicht zwischen Menschen gemacht werde. Allerdings war 1989 auch niemand auf die damaligen unerwarteten Ereignisse ausreichend vorbereitet, so Posselt im Rückblick.

Der Europaabgeordnete analysierte auch die Wahlergebnisse in Tschechien, wo die Ängste vor einer Annäherung in den Vertreibungsgebieten eher geringer sind als dort, wo niemals Deutsche lebten. Obwohl bei der letzten Wahl Karl Schwarzenberg als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten die Vertreibung der Deutschen als ein Verbrechen bezeichnet hatte und erklärte, dass Politiker wie Edward Benesch heute vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt werden müss-ten, erhielt dieser immerhin 46 Prozent der abgegebenen Stimmen. Seine Wähler seien vor allem im gebildeten und im städtischen Bereich zu finden, zudem fand er bei 70 Prozent der Jungwähler Gehör.

Die Aussagen von Ministerpräsident Petr Necas in seiner historischen Rede in München Anfang dieses Jahres hinsichtlich der Normalisierung der politischen Beziehungen wird nach Aussage von Bernd Posselt eine rote Linie für die Zukunft sein. Die Kollektivschuld-These des tschechischen Staatspräsidenten Miloš Zeman hat Necas zurückgewiesen. Deshalb müssen die geschichtliche Wahrheit dokumentiert und die historische kulturelle Brückenfunktion wieder hergestellt werden. Bei dieser einmaligen Chance der Annäherung muss nach Posselts Worten aber Geduld geübt werden, auch wenn es vor allem den Älteren zu langsam gehe. Während über die Vertreibung in Deutschland seit 70 Jahren gesprochen werde, ist dies in Tschechien erst seit 22 Jahren der Fall. Vorher war dies ein Tabu-Thema. Aktuell müsse man abwarten, wie sich die politische Lage in Prag entwickle. Eine beamtengesteuerte Regierung des Staatspräsidenten oder eine Beteiligung der Kommunisten an der nächsten Regierung nach den Neuwahlen wäre nicht die optimale Konstellation, endete Posselt. Manfred E. Fritsche


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