© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Steht Putindämmerung bevor?
von Manuela Rosenthal-Kappi

Ich bin überzeugt davon, dass Putin selbst meine Freilassung befohlen hat“, sagte Alexej Nawalnyj, der sich wegen des angeb-lichen Diebstahls aus einem Staatsbetrieb vor Gericht verantworten muss. Da der Prozess ähnlich wie der gegen den Ex-Ölmilliardär Chodorkowskij als politisch motiviert gilt, um den Oppositionspolitiker kaltzustellen, bevor er dem System Putin gefährlich werden könne, hatte Nawalnyj selbst mit mindestens sechs Jahren Isolationshaft gerechnet.

Woher kommt die plötzliche Wende? Es scheint, als hätte Putin sich dem Druck der Opposition gebeugt. Sollte an den Gerüchten über bevorstehende Massendemonstrationen und eine mögliche Revolution im Juli etwas dran gewesen sein, dass Putin, der sich bislang nicht erweichen ließ, plötzlich auf die Opposition zugeht?

Zunächst geht es darum, die Bürgermeisterwahl in Moskau für den Regierungskandidaten zu entscheiden. Der amtierende Bürgermeister Sergej Sobjanin, ein Putingetreuer, der 2010 den in Ungnade gefallenen Jurij Luschkow beerbte, ist beim Volk nicht sonderlich beliebt. Man hat nichts gegen ihn, aber auch nichts für ihn. Deshalb, so vermutet man, soll Nawalnyj als Gegenkandidat antreten, um die sichere Wiederwahl Sobjanins als überzeugende und faire Wahl erscheinen zu lassen. Während Nawalnyj seit Jahren den etablierten Kremlherren den Kampf ansagt, haben sich die zugelassenen Oppositionsparteien längst mit dem System Putin arrangiert. Nawalnyj selbst glaubt nicht an faire Wahlen. Er ist sich sicher, dass er danach wieder verfolgt werden wird. Es ist in der Tat kaum damit zu rechnen, dass Putin einen Mann auf dem zweitwichtigsten Posten in Mos-kau dulden wird, der ihn offen bekämpft. Für die Regierung ist die Kandidatur Nawalnyjs auch ein Mittel, um von den wachsenden wirtschaftlichen Problemen und dem Druck, unter dem die Regierung Putin steht, abzulenken. Die Wirtschaft stagniert, viele Menschen fliehen ins Ausland, zu vieles erinnert an die Breschnew-Ära.

Dabei hat sich das Land veränder. Im modernen Russland hat sich ein neues Bürgertum entwickelt, das den Lügen der Regierenden, auch dank der Informationsmöglichkeiten über das Internet nicht mehr glaubt. Und diese Bürger fordern immer drängender notwendige Veränderungen, einen Abgang Putins inklusive.

Immer öfter wird über die Zeit nach Putin diskutiert, der 2018 nicht wiedergewählt wird, wenn es nach dem in Umfragen geäußerten Wählerwillen geht. Schon heute wird über mögliche Nachfolger räsoniert. Alexej Nawalnyj, Dmitrij Medwedjew, Michail Prochorow und Alexej Kudrin sind Namen, die in diesem Zusammenhang fallen, wobei letzerem, Putins langjährigem Finanzminister, die größten Kompetenzen zugesprochen werden. Die Putindämmerung könnte bald Wirklichkeit werden.