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03.08.13 / »Kaiser der Arbeiter und der kleinen Leute« / Vor 100 Jahren starb der Mitbegründer und langjährige Vorsitzende von SDAP und SPD August Bebel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

»Kaiser der Arbeiter und der kleinen Leute«
Vor 100 Jahren starb der Mitbegründer und langjährige Vorsitzende von SDAP und SPD August Bebel

Volkstümliche Bezeichnungen wie „Gegenkaiser“ und „Arbeiterkaiser“ sprechen Bände über die Bedeutung von „Kaiser Bebel“ für die Arbeiterbewegung und sein Verhältnis zum Deutschen Kaiser. Er gehört zu den Gründern der SPD und stand ab 1892 bis zu seinem Tode erst mit Paul Singer und dann mit Hugo Haase an der Spitze der Partei.

August Bebels am 22. Februar 1840 begonnener Lebensweg führte vom Kind, dessen größter Wunsch es gewesen sei, sich „einmal an Butterbrot tüchtig satt essen zu können“, über den politischen Radikalen, der 1903 auf dem Parteitag der SPD ein Bekenntnis zum revolutionären Marxismus ablegte („Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und Staatsordnung bleiben, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben, und sie, wenn ich kann, beseitigen.“) bis zu jenem Bericht der „Chronik der Stadt Zürich“, in dem es hieß, der Tod des 73-Jährigen habe größeres Aufsehen ausgelöst als der Tod eines gekrönten Hauptes. Willy Brandt zitierte zum 90. Todestag im „Vorwärts“ diesen Bericht und fügte hinzu: „August Bebel starb wie ein Kaiser. Und er war es ja auch gewesen – lange zu Lebzeiten: ein Kaiser der Arbeiter und der kleinen Leute.“

Die Wiege von August Bebel war wahrlich nicht mit Rosen bekränzt. Sie stand in den Kasematten der Festung von Köln-Deutz. Sein Vater war der in preußischen Diensten stehende Unteroffizier Johann Gottlob Bebel. Dieser starb 1844 mit 35 Jahren an Lungentuberkulose. Die Witwe, Wilhelmine Johanna, heiratete daraufhin den Zwillingsbruder ihres ersten Mannes. Der arbeitete als Aufseher in der Provinzial-Korrektionsanstalt Brauweiler. In der düsteren Atmosphäre dieses Arbeitshauses lebte August Bebel – allerdings nur zwei Jahre. Dann starb auch der Stiefvater. Verarmt kehrte die Mutter in ihre Heimatstadt Wetzlar zurück, wo sie mit Heimarbeit den Lebensunterhalt verdiente. Sie starb, als August 13 Jahre alt war. Er kam bei einem Drechsler in die Lehre und machte sich nach deren Abschluss auf die Wanderschaft. In Leipzig trat er in einen größeren Betrieb ein. Er wurde Mitglied im Gewerblichen Bildungsverein. Als einige Mitglieder versuchten, den Verein zu politisieren, stimmte er für deren Ausschluss. Noch sah sich August Bebel als Handwerker. Er machte seinen Meister und eröffnete eine eigene kleine Werkstatt.

Doch bald schon sollte die Politik für ihn eine immer wichtiger werdende Rolle spielen. Als im Herbst 1862 die Gründung eines Deutschen Arbeitertages geplant wurde, gehörte Bebel dem Vorbereitungsausschuss an und ein Jahr später saß Bebel für Leipzig unter den Delegierten beim Vereinstag der liberalen Arbeitervereine. Bebel war in der Politik angekommen.

Allmählich änderte sich das Weltbild Bebels, aus dem Liberalen wurde der Marxist. Bebel selbst erklärte diese Wandlung so: „Im beständigen Kampfe mit den Lassalleanern, musste ich Las­salles Schriften lesen, um zu wissen, was sie wollen, und damit vollzog sich im Bälde eine Wandlung in mir … Ich bin …, wie fast alle, die damals Sozialisten wurden, über Lassalle zu Marx gekommen.“

Das wurde forciert, als Wilhelm Liebknecht 1865 nach Leipzig kam. Der war in London Teil der Kreise um Karl Marx und Fried­rich Engels gewesen, von ihm gab es Informationen und Ansichten aus erster Hand.

Beide Männer wurden bald als die „Unzertrennlichen“ bezeichnet. Gemeinsam gründeten sie verschiedene Parteiorganisationen und Gewerkschaftsverbände, bis es schließlich 1869 zu einer neuerlichen Parteigründung kam, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Den Parteivorsitz führte August Bebel. Das Parteiprogramm hatten August Bebel und Wilhelm Liebknecht auf marxistischer Grundlage gemeinsam entworfen.

Dem Reichstag gehörte Bebel seit dessen Konstituierung bis zu seinem Tod (mit wechselnden Wahlkreisen) an. Während Liebknecht wenig von der parlamentarischen Arbeit hielt – er lehnte es ab, zu „paktieren und parlamenteln“ – konnte Bebel seine rhetorischen Fähigkeiten voll entfalten. Der Chefredakteur der „Neuen Preußischen Zeitung“, Hermann Wagener, urteilte: „Bebel ist nicht allein ein hervorragender Naturredner, sondern er hat auch eine staatsmännische Ader …“ Und Otto von Bismarck bescheinigte ihm, der „einzige Redner“ im Reichstag zu sein. Diese Bemerkung Bismarcks ist umso bemerkenswerter, als sich beide Männer nichts geschenkt haben. Im ersten Reichstag des Kaiserreiches wütete Bebel, der Säbel habe als Geburtshelfer des Reiches gedient, „der Säbel wird es auch ins Gras begleiten“. Mit vergleichbar drastischem Vokabular solidarisierte er sich 1871 mit der zerschlagenen Pariser Kommune: In wenigen Jahrzehnten werde in ganz Europa der Schlachtruf des Pariser Proletariats: ‚Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang‘, der Schlachtruf des gesamten Proletariats sein.“

Nach dieser Brandrede stand Bebels Partei unter polizeilicher Beobachtung. Schon 1870 war gegen Bebel und Liebknecht wegen Hochverrats ermittelt worden. Nun wurden sie erneut angeklagt. Bebel versicherte zwar, die SDAP wolle ihre Ziele nicht mit Gewalt erreichen, das Urteil aber lautete: zwei Jahre Festungshaft für Bebel und Liebknecht. Für Bebel kamen später noch neun Monate wegen Majestätsbeleidigung obendrauf, weil er in einer Broschüre die Höhe des Militärbudgets kritisiert hatte. Seinem Ansehen geschadet haben beide Verurteilungen nicht. Er und Liebknecht wurden von vielen als Opfer einer Willkürjustiz angesehen, die Arbeiterbewegung wurde gestärkt.

Bebel selbst sah die Haft als eine Art Erholungsurlaub, der ihm die Möglichkeit zur Weiterbildung bot. Er nannte das seine „Haftuniversität“. Bemerkenswerterweise standen ihm dort hochaktuelle Werke der sozialistischen Vordenker zur Verfügung. Allerdings litt er darunter, auf die sich anbahnende Vereinigung seiner SDAP mit dem weniger staatsfeindlichen lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) keinen direkten Einfluss nehmen zu können.

Am 11. Mai 1878 feuerte der Klempner Max Hödel zwei Revolverschüsse auf Kaiser Wilhelm I., der in einer offenen Kutsche „Unter den Linden“ fuhr. Die Kugeln trafen nicht. Hödel war kurz zuvor aus der SAP ausgeschlossen worden. Er wurde zum Tode verurteilt und enthauptet. Nur drei Wochen später wurde das nächste Attentat auf Wilhelm I. verübt. Wieder saß der Kaiser in einer offenen Kutsche, als ihn eine Doppelladung Schrot traf. Er wurde schwer verletzt. Der Attentäter, der psychisch kranke Landwirt Karl Eduard Nobiling, erschoss sich.

Für beide Attentate machte Bismarck die Sozialisten verantwortlich. Das noch im selben Jahr verabschiedete Sozialistengesetz verbot die sozialistische Partei und deren Nebenorganisationen, führende Parteimitglieder wurden aus Berlin ausgewiesen. Die Abgeordneten aber behielten ihr Mandat. In dieser Zeit wuchs Bebel zur zentralen Figur der Partei heran. Mehrere illegale Parteitage fanden im Ausland statt. 1889 gelang es Bismarck nicht, das Sozialistengesetz zu verlängern. Die Partei, die sich nun SPD nannte, ging gestärkt aus dieser Phase hervor.

Bei den zunehmend heftiger geführten Flügelkämpfen mit Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Wilhelm Liebknecht auf den linken Positionen, gab sich Bebel als Mann der Mitte, betonte jedoch stets den revolutionären Charakter der Bewegung. Die Revolution werde „ein großer Kladderadatsch“ sein, der sich von ganz alleine einstelle. Die bürgerliche Gesellschaft stehe kurz vor ihrem Ende.

So revolutionär sich Bebel auch gab, der Reichstag war für ihn tatsächlich das Hohe Haus, das er nur in Feiertagskleidung betrat. Und allmählich legte er auch die revolutionären Parolen beiseite. Rosa Luxemburg maulte, Bebel habe sich für den Parlamentarismus gänzlich aufgegeben.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Bebel hauptsächlich in der Schweiz. 1897 hatte er eine Villa in Küsnacht am Zürichsee bauen lassen, später bezog er eine Wohnung in Zürich. Er starb an einem Herzleiden am 13. August 1913 in einem Sanatorium in Passugg. Beigesetzt wurde August Bebel in Zürich. Klaus J. Groth


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