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03.08.13 / Unter dem Kindersommertuch / Von Badefreuden, Brombeeren und Bernstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Unter dem Kindersommertuch
Von Badefreuden, Brombeeren und Bernstein

Kindersommer sind aus zwei Tüchern gemacht, ein langes, leuchtendes für den Tag, ein kurzes besterntes für die Nacht“, beginnt ein Gedicht der Königsbergerin Tamara Ehlert, und schöner kann man sie nicht beschreiben, die Kindersommer in Ostpreußen. Was in der Erinnerung geblieben ist, fasst die Dichterin in diese Worte zusammen: „Und wenn du groß bist, und wenn es Nacht ist, dann träumst du, dass du tief in Gottes Schoß und von dem Kindersommertuch ganz überdacht bist!“ Das Kindersommertuch, in das sich Eva Droese noch immer hüllt, wenn sie an ihren Heimatort Balga denkt, breitet sie auch für unsere Leserinnen und Leser in ihren Erinnerungen aus.

„Wir Kinder probierten schon ab und zu mit bloßen Füßen die Wassertemperatur des Haffs, denn die Sonne schien immer wärmer, und wir warteten ungeduldig auf die Badezeit, die schönste des Jahres. In den Ferien packte die Mutter das Körbchen mit Essen und Trinken, und wir liefen schon am frühen Morgen zum Haff, wo wir uns tagsüber mit Baden und Spielen die Zeit vertrieben. Oft lagen wir an der Quelle, sie kam aus einem der Haffberge, und wir erfrischten uns an dem eisklaren, sauberen Wasser. Die reifen Brombeeren, die in großen Mengen an den Hängen der Strandhalle wuchsen, schmeckten besonders gut. Unser Dorf lag oberhalb der Steilküste, geschützt durch einen Gürtel von Misch- und Kiefernwald. Die Haffberge waren ein beliebtes Ziel, denn sie boten einen herrlichen, weiten Ausblick über das Haff. Die Frische Nehrung zog sich wie ein dunkler Streifen am Horizont entlang und wirkte irgendwie geheimnisvoll. Man konnte Teile von Pillau erkennen und auf dem Wasser Segelboote und Fischerkähne.

Ein großes Vergnügen für uns Kinder brachte uns das ,Badefest‘ am Samstagabend. Das Haff lag ruhig wie ein Spiegel, ohne Wellengang, und lud zum Baden ein. Das Wasser war flach und gefahrlos auch für Nichtschwimmer. Wir freuten uns immer, wenn unsere Mutter mitkam, denn dann begann das große Badevergnügen. Mütter und Kinder seiften sich ein, dann tauchte man ins Wasser und war wieder sauber. Diese Prozedur hätten wir eigentlich gar nicht nötig gehabt, denn wir lagen doch ständig im Wasser, aber zum Sonntag musste alles seine Ordnung haben. Das Leben im Dorf bestand aus Fleiß und Arbeit, doch der Sonntag hatte eben seine eigenen Regeln, zu dem auch der Kirchgang gehörte, genau wie der sonntägliche Spaziergang. Nach dem Mit­tag­essen ging man in aller Ruhe zum Friedhof, schaute nach den Gräbern und traf dabei Freunde und Nachbarn. Nicht weit entfernt grüßte uns die massige Burgruine, für uns ein vertrautes Bild, aber Ausflügler und Sommergäste besuchten gerne das Museum und genossen die wunderbare Aussicht vom obersten Stockwerk. Beim sonntäglichen Spaziergang führte uns der Weg über den Schloss­platz, wir gingen um den Signalberg herum und vorbei an dem Signalmast, bei dem vor dem Sturm die Warnungskörbe hochgezogen wurden, und kamen an den Cauerstieg, der mit vielen Stufen hinunter zum Haff führte. Hier war das Wasser durch Geröll und Mauerreste, die im Laufe der Jahrhunderte hinabgestürzt waren, sehr flach, aber uns Kinder lockte diese landschaftlich sehr schöne Stelle weniger. Der Weg führte weiter bis zur Strandhalle, in der man Durst und Hunger stillen konnte, bis zum Hohlweg, an dem es eine Lagerpause gab. Hier bevölkerten vor allem die Ausflügler und Badegäste den Strand, und der Eismann aus Heiligenbeil hatte bald sein Eis verkauft. Hier standen die Geräteschuppen der Fischer, Netze trockneten auf den Pfählen. Und es gab auch Fisch: Wenn der Fischhändler mit einem vollgepackten Tablett frisch geräucherter Aale kam, war es im Nu leer. Eine Reichsmark zahlte man damals für einen stattlichen Aal.

Die schöne Sommerzeit neigte sich ihrem Ende zu und damit auch das Badevergnügen. Im September sah man kaum noch ein Kind im Wasser. Wenn der Wind über die Stoppelfelder ging, holten wir unsere Drachen hervor und ließen sie steigen. Erste Herbststürme trieben das Haff zu hohen Wellen, kein Boot fuhr hinaus. Aber nach dem Sturm waren wir wieder am Haff, denn die Bern­steinsuche begann. Wir zerpflückten den grünen, angeschwemmten Tang, und unsere Beute war oft beträchtlich. Ein Kästchen voller Bernstein, kleine und größere, hatten wir immer im Hause.“

Eine Kindheit im Bernsteinland leuchtet eben noch lange nach. R.G.


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