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03.08.13 / Zukünftige Kulturhauptstadt Breslau als Bindeglied / Skulpturen des gebürtigen Ostpreußen Wysocki mit hohem Wiedererkennungswert sind über Sommer im Haus Schlesien zu sehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Zukünftige Kulturhauptstadt Breslau als Bindeglied
Skulpturen des gebürtigen Ostpreußen Wysocki mit hohem Wiedererkennungswert sind über Sommer im Haus Schlesien zu sehen

Die Kunstwerke von Sta-nisław Wysocki sind europaweit in Galerien und Ausstellungen sowie in öffentlichen Stadträumen anzutreffen. Wer die Skulpturen des heute in Breslau lebenden Künstlers schon einmal eingehend betrachtet hat, erkennt sie immer wieder – ganz gleich, wo sie sich befinden mögen. So weisen auch die zum Teil über zwei Meter hohen Bildhauereien, die während der Sommermonate im Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott ausgestellt sind, den typischen Erkennungswert in Sachen Thematik, Form, Geometrie und Verarbeitung auf. Ob vor dem Hauptgebäude, im Fronhof oder im Ausstellungssaal – von jeder der insgesamt rund 70 bronzenen Gestalten geht eine besondere Faszination aus.

Bei der Einrichtung der Ausstellung „Schönheit der Form“ im Haus Schlesien hat es sich Stan Wys (so der Künstlername von Stanisław Wysocki) nicht nehmen lassen, in seiner gewohnt professionellen Art „Regie“ zu führen. Schließlich hat der Bildhauer als „Schöpfer“ seiner meist kopf- und gesichtslosen Skulpturen genaue Vorstellungen davon, wie seine Arbeiten im besten Licht erstrahlen sollen. Es wäre durchaus in seinem Sinne, so Stan Wys, wenn in der Ausstellung Schilder mit der Aufforderung „Bitte anfassen!“ stehen würden. Er streicht die Konturen einer der Figuren nach und erklärt: „Ich will, dass der Ausstellungsbesucher diesen Werken näherkommt, sie anfasst und deren Oberfläche streicheln möchte. Er soll spüren, was ich in Bronze verpackt habe.“

Wysocki wurde am 15. August 1949 in Lyck [Ełk] in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren geboren. Bekanntlich liegt Lyck im historischen Ostpreußen, rund 120 Kilometer östlich der Stadt Allenstein [Olsztyn] in Masuren am Lyck-See [Jezioro Ełckie]. Die Familie des Künstlers zog im Jahre 1956 nach Białystok, wo Wysocki die Grundschule und das allgemeinbildende Lyzeum absolvierte. Der gebürtige Ostpreuße studierte zunächst an der Breslauer Sporthochschule und war dort anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Später begann er ein Fernstudium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Posen und kam 1980 nach Berlin.

Wertvolles theoretisches Wissen und viele praktischen Erfahrungen im Bereich der Bildhauerei sammelte er an der renommierten Skulpturengießerei „Hermann Noack“ und an der Akademie der Künste in Berlin. Er traf in Deutschland unter anderem Henry Moore, eine der wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten des

20. Jahrhunderts, dessen Arbeiten Wysockis eigenes Werk entscheidend mitprägten. Heute gilt Stan Wys als Meister der Bronze-Bildhauerei, der in seinen Skulpturen die Vollkommenheit von Henry Moore und die kubistische Vision von Picasso mit der Leichtigkeit des Jugendstils kreativ miteinander kombiniert.

Im Jahre 1986 kehrte er nach Breslau zurück, wo er seine Skulpturen in einer Ausstellung in der Galerie „Desa“ zeigte und danach eine Künstlerkarriere startete.

Bei der in Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa Potsdam ausgerichteten Vernissage hob Nicola Remig, die Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums für schlesische Landeskunde in Königswinter, die Verbundenheit des Künstlers zur Metropole Breslau hervor und betonte: „Am heutigen Tag bildet die für uns (räumlich) so ferne Stadt Breslau sowohl mit ihrer Vergangenheit als auch mit ihrer Gegenwart sozusagen das ‚schlesische‘ Bindeglied: Mit Stanisław Wysocki dürfen wir Werke eines Breslauer Künstlers ausstellen, der zwar nicht dort geboren wurde, der aber in Breslau am Ufer der Oder seit über

25 Jahren sein Atelier betreibt und sich nicht zuletzt in seinem Werk mit der Stadt unter kulturhistorischen Gesichtspunkten beschäftigt.

Viele Künstler haben sich im Laufe der Jahrzehnte zu Breslau, der zukünftigen Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2016, bekannt. Auch der Bildhauer Wysocki ist inzwischen in dieser Stadt fest verankert. Einige seiner imposanten Bronzeskulpturen stehen im öffentlichen Raum der Metropole und sind zu Wahrzeichen der Stadt geworden. Zu den bekanntesten Figuren zählen die Hochwasserfrau auf der Universitätsbrücke, das Denkmal Papst Johannes Paul II. im Stadtteil Psie Pole und die Figur des Breslauer Schwarzen Mannes am Blücherplatz [Plac Solny]. Eines der jüngsten Projekte ist die historische Eichendorff-Skulptur des Bildhauers Alexander Kraumann, die Wysocki wiederhergestellt hat. An diesem Werk hat übrigens auch Michal, der 27-jährige Sohn des Künstlers, mitgewirkt. Ein Vorentwurf der Eichendorff-Figur, deren Original übrigens im Botanischen Garten der Universität Breslau steht, ist im Garten von Haus Schlesien zu besichtigen.

Ein interessanter Programmpunkt der Vernissage war das Gespräch zwischen dem Künstler und Maciej Lagiewski, dem Direktor des Breslauer Stadtmuseums, zur Entwicklung und Bedeutung Breslaus als Kulturmetropole in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Den promovierten Historiker und Jurist Lagiewski kann man, so Nicola Remig in ihrem Vortrag, als den Kenner der Breslauer Stadtgeschichte und ihrer Entwicklung im Bereich der Kultur und Kunst bezeichnen. Er ist Herr über vier große Museen, die unter dem Dach des Breslauer Stadtmuseums firmieren.

In der Ausstellung im Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott ist eine repräsentative Auswahl von typischen Stan Wys-Gestalten zu besichtigen. Es handelt sich um aus Bronze geschaffene weibliche Figuren, die für Lebensbejahung, Vitalität, Schönheit und schöpferische Kraft stehen. Die eleganten, stromlinienförmigen Skulpturen tragen Namen wie Elektra, Flora, Karina oder Olympia. Auch Titel, die verschiedene emotionale Lebenssituationen wiedergeben wie etwa „Verlangen“, „Berührung“ oder „Erwartung“ sind anzutreffen.

Wysocki verriet, dass sein künstlerisches Ziel nicht darin liege, konkrete Abbilder zu schaffen, vielmehr konzentriere er sich darauf, die Essenz der Weiblichkeit festzuhalten. „Ich habe keine Lust, anderen Menschen zu sagen, was sie zu denken haben, wie sie fühlen sollen und sie auf die wichtigsten Probleme dieser Welt hinweisen. Nicht auf diese Art verstehe ich meine Rolle als Künstler. Ich will, dass der Betrachter meiner Skulpturen ein authentisches Vergnügen empfindet“, so Wysocki.

Was seine Arbeitsmethoden und -techniken betrifft, stehen diese in der Tradition der Meister der italienischen Renaissance. Ähnlich wie seine Vorgänger konzentriert er sich – zuerst im Ton, dann in der Bronze – auf das Wiederfinden perfekter Linien und Proportionen. Die Einzelteile der Figuren werden in der eigenen Werkstatt von langjährigen und erfahrenen Handwerkern gegossen, zusammengepasst, geschweißt und abgeschliffen. Zuletzt geht es ans Finissieren und Patinieren. Einige Details glänzen golden, sind jedoch vom Meister geschliffene und hochglanzpolierte Oberflächen.

Zu den bekanntesten Werken des Künstlers gehört sicherlich die Figur „Silesia“, die seit einigen Jahren bei der Verleihung des „Kulturpreises Schlesien“ als Auszeichnung vergeben wird. Wy-

socki wurde übrigens selbst mit dieser renommierten Auszeichnung des Landes Niedersachsen im Jahre 2011 geehrt.

Signierte Wysocki-Unikate sind in Polen, Dänemark, Schweden, Österreich, Tschechien, England, Italien, Türkei und Frankreich zu sehen sowie bis zum 27. Oktober 2013 auch im Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott. Dieter Göllner


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