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03.08.13 / Auf den Schuh gekommen / Frauen schauen auf Masse, Männer auf Qualität – Es müssen rahmengenähte Treter sein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Auf den Schuh gekommen
Frauen schauen auf Masse, Männer auf Qualität – Es müssen rahmengenähte Treter sein

Hier ein Flyer, da ein Plakat, hier eine Anzeige, dort ein Zeitungsartikel: Überall ist plötzlich die Rede von rahmengenähten Schuhen. „Hochwertige, rahmengenähte Schuhe nach alter Tradition hergestellt – heute noch so wie vor 200 Jahren“, heißt es da beispielsweise in einem Angebot des Rabatt-Portals Groupon. Mit Sprüchen wie „Ein Gentleman besitzt nicht nur gute Manieren, sondern auch Stil“ wird versucht, einen Bedarf beim Mann zu wecken.

Nicht die Designerbrille oder der Anzug – nein, das wichtigste Kleidungsstück eines richtigen Mannes sei sein Laufwerk, versichern die Schuhfetischisten. Es schütze seinen Träger vor den Härten der Straße, begleite ihn durch den rauen Tag und verleihe ihm Persönlichkeit: „Eleganz und Individualität beginnen beim Schuh.“ Und bei einem norddeutschen Radiosender meinte eine Psychologin, dass rahmengenähte Schuhe das neue Statussymbol beim Mann seien.

Männer und Schuhe? Nach gängigem Klischee passt das wie Frauen und Technik, wenn man vor hat, damit Geld zu verdienen. Doch offenbar irrt hier das Klischee beziehungsweise ist ungenau, denn während Frauen tendenziell bei Schuhen auf Masse stehen, schauen Männer eher auf Klasse. Nur so ist es zu erklären, dass in den letzten Jahren gleich mehrere Internet-Start-ups den Mann in seiner Funktion als Schuhkäufer entdeckt haben.

So zum Beispiel die Firma Oliver Grey, die es im Gegensatz zum Groupon-Angebot der Firma Hammerstein mit der Historie sehr genau nimmt: „Es war einmal vor langer Zeit, im sogenannten Viktorianischen Zeitalter“, beginnt es dort wie in einem Märchen, als im Jahr 1869 durch eine Erfindung das Konstruktionsprinzip von Schuhen neu gestaltet worden sei. Gemeint ist das Good­year-Welt-Verfahren, bei dem es um eine stabilere Verbindung von Schaft und Sohle bei Schuhen geht. „Am rahmengenähten Schuh werden alle wesentlichen Bestandteile wie die Quartiere des Schaftes – das sogenannte Oberleder, die Innensohle und die Brandsohle miteinander verbunden. Die Rahmennaht ist von außen nicht sichtbar“, lautet die Erklärung bei Oliver Grey.

Die Firma Shoepassion macht aus Schuhen wiederum gleich ein Kulturgut. Und wirbt auf ihrer hochwertig gestalteten Internetseite so mitreißend für Schuhe, dass man danach das Gefühl hat, sich selbst und der Welt etwas Gutes zu tun, wenn man diese nachhaltigen Produkte kauft. „Dabei wollen wir das Scheinwerferlicht, das in unserer Gegenwart auf die vielen Discounter mit ihren billigen Importwaren aus Fernost gerichtet ist, auf die atemberaubenden Erzeugnisse eines Jahrhunderte alten Traditionshandwerks lenken“, wird hier erfolgreich versucht, Qualität und Tradition zu verbinden.

„Von Schuhen, die Leiden schaffen, hin zur Leidenschaft für Schuhe“, lautet eine der vielen gut gemachten Werbebotschaften, die zusammen mit der eleganten Darbietung der Produkte in dem On­line-Shop und dem oft unter 200 Euro liegenden Preis dafür sorgen, dass Shoepassion die Kunden nach eigenem Bekunden zufliegen. Zudem betreibt jeder, der bei dem jungen Unternehmen kauft, indirekt auch noch ein Stück Euro-Rettung, denn produziert wird in Spanien und nicht in Asien, das den Ruf hat, vor allem Wegwerfware zu produzieren.

Dass man mit dem Verkauf von Schuhen Schlagzeilen machen und Preise als erfolgreiches Start-up-Unternehmen erhalten kann, dürfte nicht nur den erfolglosen Schuhverkäufer Al Bundy aus der US-Serie „Eine schrecklich nette Familie“, die in den 80er und 90er Jahren beliebt war, überraschen. Auch große deutsche Schuhhäuser wie Goertz und Deichmann haben offenbar den Trend zum Vertrieb übers Internet unterschätzt und verschlafen. Nachdem Zalando und Mirapodo für das Massengeschäft Frauen massiv umworben und an Land gezogen haben, versuchen sich nun kleine Unternehmen daran, den Männern Geld für Schuhe aus dem Portemonnaie zu locken.

Den Shoepassion-Gründern Tim Keding und Henry Bökemeier gelingt auch ohne teures Marketing á la Zalando – denen mit ihrem „Schrei vor Glück“ durchaus eine einprägsame Werbung gelungen ist – das erhoffte Wachstum. Wie Keding betont, sei Shoepassion im Gegensatz zu Zalando profitabel und habe nur bei der Sparkasse Berlin nach einem weiteren Kredit anfragen müssen, um das anstehende Wachstum zu finanzieren. Und zwar, um unter anderem ein repräsentables Geschäft in Berlin zu eröffnen, da viele der über das Internet gekommenen Kunden sich gern vor Ort die Produkte anschauen wollen.

Auch die Werkstatt, in der auch nicht bei Shoepassion gekaufte hochwertige Schuhe repariert werden können, gehört zum Geschäftsmodell der Firma. Sie plant jetzt sogar, ins Ausland zu expandieren. Rebecca Bellano


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