20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.08.13 / Mord und Elend als Folge von Abtreibungen? / US-Wissenschaftsjournalistin über die Folgen vorgeburtlicher Selektion in Asien zugunsten von Söhnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Mord und Elend als Folge von Abtreibungen?
US-Wissenschaftsjournalistin über die Folgen vorgeburtlicher Selektion in Asien zugunsten von Söhnen

Auf den ersten Blick ist die Tatsache, dass in Asien mehr Jungen als Mädchen geboren werden, nicht spektakulär neu. Doch dass es beispielsweise in China Orte gibt, bei denen auf 100 Mädchen eines Jahrgangs 176 Jungen kommen, ist für die US-Wissenschaftsjournalistin Mara Hvistendahl, der Aufhänger ihres Buches „Das Verschwinden der Frauen. Selektive Geburtenkontrolle und die Folgen“. Hvistendahl schreibt selbst, dass sie nie gedacht hätte, im Rahmen der Recherche eine Reise anzutreten, die sie „mit Prostituierten, von Menschenhändlern gekauften Ehefrauen und per Mail-order erworbenen Bräuten in Kontakt bringen würde, mit Waffennarren …; auch mit Genetikern und Aids-Forschern – und einem für den Pentagon tätigen Unternehmer“.

Was sich hier so spannend anhört, ist dann in der Umsetzung zwar oft etwas zu wissenschaftlich und zu abstrakt formuliert, trotzdem rüttelt der Inhalt auf. Beeindruckend ist die im Buch geschilderte Erinnerung eines indischen Arztes, der seinen ersten Klinikeinsatz als Student in den 70er Jahren schildert. An dem Tag fanden mehr Abtreibungen als Geburten statt. Auch rannte an ihm eine Katze mit einem Fötus im Maul vorbei, worauf der entsetzte junge Mann jedoch mit den Worten beruhigt wurde, dass das nicht so schlimm sei, denn es sei ja nur ein weiblicher Fötus, die sie ja sowieso täglich in Massen abtreiben würden.

Zu Beginn ihrer Ausführungen schildert die Autorin das derzeitige Geschlechterverhältnis in China und Indien, betont, dass Jungen historisch betrachtet nicht grundsätzlich mehr wert gewesen seien, sondern erst in China die Ein-Kind-Politik und in Indien neben dem Kastensystem auch die Zeit der britischen Besatzung dazu geführt hätten, dass aufgrund neuer Erbrechtsregelungen die Tötung von Mädchen zunahm. Die Möglichkeiten, schon während der Schwangerschaft via Ultraschall das Geschlecht eines Kindes zu bestimmen, hätten vor allem in China und Indien zur Folge gehabt, dass die Zahl der Kindstötungen zwar zurückging, doch das hätte daran gelegen, erklärt die Autorin, dass die Mädchen bereits im Mutterleib abgetrieben worden seien. Gut 160 Millionen Frauen seien auf diese Weise vor allem in Asien, aber auch auf dem Balkan nicht geboren worden, was sie vor allem gebildeteren Frauen zu „verdanken“ hätten. Denn auch wenn in jenen Gesellschaften der Druck, einen Sohn zu gebären, sehr hoch sei, so würden vor allem gut ausgebildete und vermögende Frauen den Weg der Abtreibung bevorzugen.

Und während im Westen ewig darüber diskutiert werde, ob man im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik befruchtete Eizellen im Falle einer vorliegenden Erbkrankheit oder Behinderung aussortieren dürfe, würden in Asien massenweise abgetrieben, nur weil der Fötus weiblich ist. Hauptursache für dieses Verhalten sei, so die These der Autorin, vor allem der Westen, der mit seinen Versuchen, das Bevölkerungswachstum zu reduzieren, diese Ideen in jene Länder getragen habe (siehe S. 4 unten).

Hvistendahl schildert die Folgen dieser Art von Bevölkerungspolitik am Beispiel des Wilden Westens, aber auch am Beispiel Vietnams. Dort habe keine vorgeburtliche Selektion zulasten des weiblichen Nachwuchses stattgefunden und so würden vor allem ärmliche Familien gezielt die Verheiratung ihrer Töchter gen China oder Südkorea betreiben, wo es viele heiratswillige Männer gebe, die dort wegen des künstlich geschaffenen Frauenmangels keine Ehefrauen fänden. Dies geschehe oft nicht im Interesse der Frauen, erklärt Hvistendahl, die so nur von einer Abhängigkeit in die nächste gelangen würden und dann in der Fremde alleingelassen, nur noch dem Ziel dienten, den Eltern daheim Geld zu überweisen. Überhaupt sei die Entwicklung den Rechten der Frauen abträglich, so Hvistendahl, da Zwangsverheiratungen, aber auch Prostitution und Vergewaltigungen durch frauenlose Männer – siehe Indien – zunehmen würden. Auch verweist die Autorin auf Studien, nach denen ein unverheirateter Mann in der Altersklasse zwischen 24 und 35 Jahren mit einer drei Mal so hohen Wahrscheinlichkeit zum Mörder würde wie ein verheirateter. Die Aussichten für die von Geburtenselektion betroffenen Länder sind also nicht optimal. Rebecca Bellano

Mara Hvistendahl: „Das Verschwinden der Frauen. Selektive Geburtenkontrolle und die Folgen“, dtv, München 2013, gebunden, 424 Seiten, 24,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren