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10.08.13 / BER: Ein Posten, den keiner will / Niemand will Matthias Platzeck als Aufsichtsratschef des Pleiteflughafens beerben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-13 vom 10. August 2013

BER: Ein Posten, den keiner will
Niemand will Matthias Platzeck als Aufsichtsratschef des Pleiteflughafens beerben

Bizarr: Aufsichtsratsposten großer Unternehmen sind sonst heiß begehrt, besonders Politiker reißen sich um die oft gutbezahlten Stellen. Auf den Stuhl des BER-Oberaufsehers aber will dem scheidenden brandenburgischen Ministerpräsidenten niemand folgen.

Mit Matthias Platzecks Rückzug tut sich die Politik sichtbar schwer. Jetzt, da seine SPD und die rot-rote Koalition wissen, wen sie mit ihrem Moderator und „Deichgrafen“ verlieren, wird die am schwersten zu füllende Lücke erst offenbar: Es gilt, einen Nachfolger für die BER-Aufsichtsratsspitze zu finden. Platzecks Nachfolger als Ministerpräsident, Dietmar Woidke (SPD), will den Posten offenbar nicht: „Man wird sehen.“

Woidke wünscht sich einen „politischen Fachmann“ und vor allem, dass es schnell weitergehe. Flughafenchef Hartmut Mehdorn, der den Flughafen BER im Herbst bereits probeweise betreiben will, hat somit zwischenzeitlich freie Hand. Ohne neue Spitze droht eine politische Verweigerungshaltung, um missliebige Debatten um Steuergeld und Fluglärm zu umsteuern.

„Sie sind dauerbelastbar, krisenerprobt, ein/e ewige/r Optimist/in und scheuen keine Kritik? Dann sind Sie genau der/die Richtige für uns.“ Mit der scherzhaften Stellenausschreibung reagierte das „Handelsblatt“ auf den frei gewordenen Aufsichtsratsposten bei Berlin-Brandenburgs Pannenflughafen BER. Platzecks Abgang kommt zu einem für das Projekt denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Laut einem Beitrag des „Focus“ werden im BER-Aufsichtsrat erneut höhere Kosten befürchtet. Baurisiken, der längere Betrieb des Altflughafens Tegel und der Lärmschutz könnten demnach die Kosten insgesamt von 4,3 auf 4,7 Milliarden Euro hochtreiben. Auch wenn Flughafensprecher Ralf Kunkel solche Zahlen als „reine Spekulationen“ bezeichnete, so belastet die Aussicht, dreistellige Millionenzuschläge verkünden zu müssen, jeden neuen BER-Verantwortungsträger.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom April, dass der Lärmschutz nicht ausreiche, sorgt bereits für schwer kalkulierbare neue Ausgaben. Jeder Monat Verzögerung kostet nach bisherigen Erkenntnissen noch einmal 40 Millionen Euro. Hinzu kommt die Blamage um die verschobenen Eröffnungstermine. Mehdorn heizte im Juli die Erwartungen noch zusätzlich an, als er einen baldigen Probebetrieb ankündigte. Zum Probefliegen wird es nach Informationen des „Tagesspiegel“ vorerst nicht kommen. Erst im Frühjahr könne ein Testlauf beginnen. Positive Nachrichten wie die 100 Millionen Euro Einsparung durch die unerwartet gut erhaltene Rollbahn des alten Flugplatzes Schönefeld fallen so kaum ins Gewicht.

Die Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) fordern über ihren Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck nun einen „externen Fachmann“ für den Posten des Aufsichtsratschefs. Auch der Bund will einen solchen notfalls gegen Berlin und Brandenburg durchsetzen. Bei einem solchen Experten entfalle der Spagat zwischen Landesinteressen und Flughafengesellschaft, so der UVB. Diese Lösung würde Woidke aber auch erlauben, sich im Wahlkampf ganz auf die Seite des erfolgreichen Volksbegehrens zum Nachtflugverbot zu stellen.

Die Gelegenheit, mehr Fachkundige die Entscheidungen treffen zu lassen, ist zudem nur eine theoretische Chance. Kaum jemand möchte die Aufgabe übernehmen. Der Ingenieur und Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Rainer Bomba sagte dankend ab. Sein Dienst-herr Peter Ramsauer (CSU) sagte ebenfalls nein, denn das „sollte das Land Brandenburg klären“.

Manager mit Luftfahrterfahrung reißen sich bisher ebenfalls nicht um den Posten. Das ist kaum verwunderlich: Zeit, sich einzuarbeiten, gibt es kaum. Fragen der Haftung überschatten die Aufgabe. Ein Rechtsgutachten des alten Aufsichtsrats zur Haftungsfrage wurde bereits angefertigt. Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel forderte im Juni von Platzeck: „Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, inwieweit neben der Geschäftsführung auch der Aufsichtsrat und seine einzelnen Mitglieder für die durch die Verschiebungen des BER-Eröffnungstermins ausufernden Kosten in Verantwortung genommen werden können.“ Für Platzeck selbst wie für dessen Nachfolger bedeutet das eine anhaltende Gefahr: Die Eröffnungsfrage bleibt heikel, auch ohne offiziellen Termin. „Die Kunst, ein Budget einzuhalten, das längst gesprengt wurde“, wie die Scherzausschreibung es formuliert, könnte leicht in eine Anklage wegen Untreue münden.

Zumindest lässt sich nicht erkennen, in welchem Umfang die Unternehmen, die auf einen rechtzeitigen Start des Flughafens bauten, Schadenersatz einklagen. „Drei Gesellschafter, die zuverlässig vor allem ihre eigenen Interessen verfolgen“, wie das „Handelsblatt“ weiter ätzt, sind kein verlockendes Arbeitsumfeld.

Die Auseinandersetzung mit gestärkten Fluglärmgegnern fällt ebenfalls in den Aufgabenkatalog des neuen Aufsichtsrats. Platzeck zeigte Verständnis, doch sein Nachfolger wird zu einer klaren Aussage kommen müssen. So verwundert es wenig, wenn die nun als Nachfolger Gehandelten sich bedeckt halten. Das gilt für Platzecks Flughafenkoordinator Rainer Brettschneider ebenso wie für BER-Berater Wilhelm Bender, der lange die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport leitete. Bender lehnte allerdings schon Mehdorns jetzigen Posten ab. Sverre Gutschmidt


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