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10.08.13 / Abgefahrene Safari / Foto-Jagd nach letzten Spuren der Mauer – In Berlin machen Touristen im Trabi echte »Grenz«-Erfahrungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-13 vom 10. August 2013

Abgefahrene Safari
Foto-Jagd nach letzten Spuren der Mauer – In Berlin machen Touristen im Trabi echte »Grenz«-Erfahrungen

Am 13. August 1961 wurde in Berlin die Mauer errichtet, die 28 Jahre lang die Stadt teilte. Mit touristischen Trabi-Fahrten kann man sich jetzt auf die Spurensuche nach dem „antiimperialistischen Schutzwall“ begeben.

Kaiserwetter. Die Sonne strahlt von einem azurblauen wolkenlosen Himmel auf uns herab.

„Da könn’ ma ja heute Kabrio fahren, sozusajen oben ohne“, freut sich der Mann im Hof der Trabi-World in der Zimmerstraße und schiebt das Dach eines in leuchtendem Rosa gespritzten Fahrzeuges der Marke Trabant auf. Allgemeines Erstaunen unter den Teilnehmern an der Trabi-Safari durch Berlin. „Nee, zu DDR-Zeiten jab et noch keene Schiebedächer. Da ham wa’n bisschen nachjebessert. Is ja auch viel luftiger bei soonem Wetterchen“, erklärt der Urberliner und bittet uns, in den vier bereitstehenden Wagen Platz zu nehmen.

Doch bevor es auf die Piste geht, erscheint noch ein Vertreter der einst berüchtigten Grenzpolizei in grau-grüner Uniform und verteilt „Visa“. Ordnung muss nun mal sein, verkündet er und tippt an seine Mütze. „Jut uffbewahrn, damit ihr ooch nachher wieder in die BRD einreisen könnt.“

So nett wie dieser Mann seien die Grenzer vor der Wende nie gewesen, lacht der Chauffeur der aus drei Trabis zusammengebauten Stretch-Limousine, die den Kopf des Konvois der Selbstfahrer bildet. Eine Prise vergilbten DDR-Feelings durch die Mitarbeiter der Trabi-World kommt bei den Touristen immer gut an.

Die gut zweistündige Fahrt mit Reiseleiter Marco beginnt in unmittelbarer Nähe von Check­point Charlie und folgt der Streckenführung des einstigen „antiimperialistischen Schutzwalls“. Heute Nachmittag folgen drei farbenfrohe Trabis der roten Limousine – einer im schwarz-gelben Leopardenmuster, der nächste himmelblau gespritzt und der dritte kunterbunt gestreift.

So recht klappen will es in Wagen Nummer zwei mit der Gangschaltung nicht. Der Motor stottert, und Cicerone Marco muss Erste Hilfe leisten. Doch kurz darauf geht es mit Tempo 30 durch die Hauptstadt, begleitet von den wohlmeinenden Blicken der Passanten und der freundlichen Duldung anderer Automobilisten, die sich schon mal über das rasende Tempo der „Pappbomber“ lustig machen.

Die Safari führt durch große Teile Berlins, vorbei an Hermann Görings ehemaligem Luftfahrtministerium, am Brandenburger Tor und Gendarmenmarkt, zum einst legendären „Café Moskau“ und schließlich zur Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße, wo am 13. August 1961 die Teilung der Stadt durch den später 1378 Kilometer langen, mit Wachtürmen bestückten Grenzstreifen festgeschrieben wurde. Und dies trotz der Beteuerung des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht noch einige Tage zuvor, dass keiner die Absicht habe, eine Mauer zu bauen.

„Menschen, die dem totaltären Regime in letzter Minute entgehen wollten, sprangen aus den Fenstern der Grenzhäuser in den Tod“, berichtet Marco. Besonders gekennzeichnet sind die einst mit Selbstschutzanlagen gespickten Todesstreifen, die Berlin wie offene Wunden durchschnitten. „How shocking. That can’t be true!“ Die zwei Amerikaner in der Gruppe sind zutiefst erschüttert. Zusammen mit anderen Teilnehmern nutzen sie die Pause, um einen Blick in das Besucher- und Dokumentationszentrum zu werfen, in dem der Mauerbau genau nachgezeichnet ist.

Jetzt heißt es Gas geben und auf zur East-Side-Gallery, einem Stück Rest-Mauer, an der sich auf insgesamt 1,3 Kilometer Länge gleich nach der Wiedervereinigung 118 Künstler mit ihren Graffitiwerken verewigen durften. Besonders spektakulär ist der Bruderkuss zwischen Erich Honecker und Leonid Breschnew mit dem lakonischen Untertitel „Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben.“

Voller Empörung weist Marco darauf hin, dass Grundstücksspekulanten dieses prachtvolle Relikt abreißen lassen wollen, um hier Luxusanwesen zu bauen. „Da würde wieder ein wunderbares Stück Berlin verloren gehen“, sagt er. Aber der Volkszorn der Berliner sei groß genug, um die Spekulanten in ihre Schranken zu verweisen. Da kann man nur das Beste hoffen. Es wäre wirklich jammerschade um diese Kunstmeile, die die einstige Teilung der Stadt auf makaber-humorvolle Weise dokumentiert.

„Das sowjetische Ehrenmal kann ich Ihnen leider nicht ersparen.“ Marco, unser junger italienischer Reiseführer aus Bologna, der mit seinen rotblonden Locken und der stattlichen Größe aussieht wie ein Nachfahre der Westgoten, weist den Fahrer an, Kurs auf den Stadtteil Tiergarten zu nehmen. Auf dem Weg erzählt er uns viel Wissenswertes über den Trabi, dieses Meisterwerk real existierender sozialistischer Ingenieurskunst! „Nix mit Pappe“, korrigiert er unser Vorurteil. „Das Fahrzeug wurde zum Teil aus in der Sowjetunion angebauter Baumwolle produziert. Da diese sich nicht zum Färben und somit nicht für die Textilindustrie eignete, verwirklichte man mit einem Gemisch aus dieser Faser und verschiedenen anderen Materialien den Stoff, aus dem der Traum der DDR-Bürger vom eigenen Auto wurde. Allerdings mussten diese bis zu zwölf Jahre auf die Auslieferung warten.“

Die beiden Panzer des Ehrenmals, mit denen die Rote Armee der Sowjetunion 1945 Berlin eroberte, rücken jetzt allmählich in unser Blickfeld. Hoch oben auf einem Sockel erhebt sich die klobige Heldenstatue eines Rotarmisten mit Stahlhelm und aufgepflanztem Bajonett. „Ehe ich’s vergesse“, legt Marco nach, „der Trabi verdankt übrigens seinen Namen dem ersten künstlichen Erdtrabanten – dem Sputnik –, den die Russen im Oktober 1957 ins All schossen.“

Kurz vor Sonnenuntergang kehrt der Konvoi an den Ausgangspunkt der Safari zurück. Auf ihrem weitläufigen Hof unterhält die Trabi-World (Infos unter www.trabi-world.de) mit insgesamt 130 Fahrzeugen die größte Trabant-Sammlung Deutschlands. Eine wahrlich sehenswerte Kollektion. Uta Buhr


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