20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.08.13 / Ausflug ins wilhelminische Deutschland / Interessante Informationen und Bilder zum Lebensalltag zur Kaiserzeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Ausflug ins wilhelminische Deutschland
Interessante Informationen und Bilder zum Lebensalltag zur Kaiserzeit

An einem Klingelschild eines Berliner Hauses um 1900 steht, dass Betteln und Hausieren verboten ist. Lieferanten und Angestellte dürfen nur durch den Nebeneingang. Im Deutschland um 1900 wurde die Klassentrennung schon am Hauseingang überdeutlich. Da gab es einmal den unerreichbaren Adel und in seinem Schatten, das im Zuge der Industrialisierung oft schnell reich gewordene Großbürgertum mit seinen ausgedehnten Villen und Parkanlagen in besseren Stadtgegenden. Zum anderen das intellektuelle Kleinbürgertum mit dem immerwährenden Anspruch, sozial aufzusteigen, verbunden mit dem Bestreben, sich nach „unten“ abzugrenzen. Und dann die Arbeiterschaft, eine neue soziale Schicht. Gekennzeichnet mit einem Leben in Elendsquartieren und extrem langen Wochenarbeitszeiten.

Dank Heinrich Zille sind ausgezeichnete und sehr ergreifende Milieubilder aus der Zeit erhalten. Einige davon kann man sich nun erstmals im Band „Leben im Kaiserreich. Deutschland um 1900“ anschauen. Andreas von Seggern, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Otto-von-Bismarck-Stiftung und Leiter der Abteilung Forschung am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam, und Michael Epkenhans, Lehrender im Fach Geschichte an der Universität Hamburg, laden den interessierten Laien zu interessanten und hintergründigen Einblicken in das wilhelminische Deutschland ein und thematisieren den „Obrigkeitsstaat“, den „Aufbruch in die Moderne“ sowie „Kultur, Wissenschaft und Technik zwischen Tradition und Fortschritt“.

Deutschland sei um 1900 ein Land der Widersprüche, behaupten die Verfasser in der Einleitung. Eine im Aufbruch begriffene und gleichzeitig rück-wärtsgewandte Welt. So lobt die „Frankfurter Rundschau“ Silvester 1899 die unendlich großen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert: „Es sind für ein Jahrhundert so viele, um mehrere Jahrhunderte damit versorgen zu können.“ Der erste verliehene Nobelpreis überhaupt ging 1901 an Conrad Wilhelm Röntgen wegen der 1895 entdeckten nach ihm benannten Strahlung. Die Zahl der angemeldeten Patente beim 1877 gegründeten Kaiserlichen Patentamt stieg von 6000 im Jahr 1880 auf 45000 um 1900. Eine ungeheure, nie da gewesene technische Revolution, Forschergeist und Wissensdrang zeichnete die Jahrhundertwende aus. Gleichzeitig lebte man in einer auf Ewigkeiten betonierten undurchlässigen Dreiklassengesellschaft, die Reichsverfassung ähnelte eher, so Wilhelm Liebknecht, einer „Versicherungsgesellschaft gegen die Revolution“ und emanzipatorische Bestrebungen der Frauen wurden in „Kirche, Küche, Kinder“ erstickt. Wer sich auf die Zeitreise ins Deutschland um 1900 begibt, wird mit ungeahnten Erkenntnissen ins Heute zurückkehren. Silvia Friedrich

Michael Epkenhans, Andreas von Seggern: „Leben im Kaiserreich: Deutschland um 1900“, Theiss, Darmstadt 2012, geb., 176 Seiten mit 125 Abbildungen, 24,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren