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24.08.13 / Mit Empacher-Booten auf Titeljagd / Beginn der Ruder-WM auf dem Tangeum-See in Chungju (Südkorea) – Traditionswerft aus Königsberg wird 90 Jahre alt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Mit Empacher-Booten auf Titeljagd
Beginn der Ruder-WM auf dem Tangeum-See in Chungju (Südkorea) – Traditionswerft aus Königsberg wird 90 Jahre alt

Von diesem Sonnabend bis zum 1. September fnden in Südkorea die diesjährigen Ruder-Weltmeisterschaften statt. Ein Großteil der Mannschaften wird dabei mit Material der Bootswerft Empacher an den Start gehen. Vor 90 Jahren wurde das heute in Eberbach am Neckar sitzende Unternehmen in Königsberg gegründet.

Der Auftrag, drei Segelyachten zu bauen, stand am Anfang. Im Alter von nur 21 Jahren gründete Willy Empacher am 18. Dezember 1923 in Königsberg eine Werft. Auf ihr baute der gelernte Bootsbau-, Ober- und Innungsmeister Willy Empacher mit seinem damaligen Kompagnon Wilhelm Karlisch Motor- und Segel­yachten sowie auch Eissegelboote, aber kaum Ruderboote, die heutige Domäne des Unternehmens. Aber auch so hatte sich die Bootswerft bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zur größten deutschen östlich Berlins gemausert. Über 100 Mitarbeitern gab das Unternehmen Lohn und Brot. Während des Krieges wurden, wie überall in Deutschland, Marine- und Pionierboote gebaut.

1945 flüchtete die sechsköpfige Familie auf dem Wasserweg von Ostpreußen nach Schleswig-Holstein. Ohne Hab und Gut gelangten die Empachers 1947 nach Eberbach. Einen zusätzlichen Schlag versetzte die Währungsreform 1948, die zur Annullierung fast aller Aufträge führte. Mit einfachsten Mitteln gelang es Willy Empacher trotzdem, sich und seiner Familie eine neue Existenz aufzubauen. Erst mietete er nur die örtliche Bootswerft Seibert, dann bot sich ihm die Möglichkeit der Übernahme. Erst hier in Eberbach erfolgte die Spezialisierung auf die Ruderboote, für die das Unternehmen mittlerweile so berühmt ist. Wie bei so vielen deutschen Unternehmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder von vorne anfangen mussten, bildeten Reparaturen und kleinere Neubauten den Anfang. 1952 wurde der erste Renn-Gig-Achter in Klinkerbauweise und 1953 das erste Rennboot aus Sperrholz gebaut. 1953 wurde auch die erste neue Werkshalle in der Neckarstraße auf eigenem Gelände errichtet.

Nach gut zwei Jahrzehnten in Eberbach gelang bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko der große internationale Durchbruch, als Jochen Meißner im Einer die Silbermedaille gewann. Danach nahm die Produktion der formverleimten Holzrennboote aus Zedernholz einen stürmischen Verlauf. Bis Mitte der 80er Jahre blieb sie die tragende Säule der Firma. Doch bereits im Jahre 1955 hatte man mit dem Experimentieren mit Kunststoff begonnen. Das weltweit erste Kunststoff-Ruderskiff entstand 1956 in Zusammenarbeit mit der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik Aktiengesellschaft (BASF). Bei den Olympischen Spielen 1972 im eigenen Land gewann der „Bullen- oder Bodensee-Vierer“ mit Steuermann die erste Goldmedaille in einem Kunststoff-Ruderboot. Dies war zugleich das erste renntaugliche Kunststoffboot in Sandwichbauweise.

Trotzdem gelang es erst seit 1983, im Kunststoffbootsbau kostendeckend zu arbeiten und Gewinne zu erwirtschaften. Bis dahin und darüber hinaus wurden die schwarzen Zahlen und Gewinne durch die Holzbootswerft in der Neckarstraße erzielt, auch wenn die Produktionsstückzahlen beider Bereiche bereits seit etwa 1976 vergleichbar waren.

Mittlerweile hatte Willy Empachers ältester Sohn, Hans Empacher, Jura studiert und in der Luft- und Raumfahrtindustrie bei Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) Karriere gemacht. Für den erfolg­reichen Industriemanager war die Bootswerft des Vaters bis 1970 eher ein Hobby. Da der Vater sich altersbedingt zurückziehen wollte, keiner der Geschwister die Nachfolge anstrebte und ansonsten nur der Verkauf geblieben wäre, übernahm Hans Empacher nolens volens die Geschäftsführung und die Geschäftsanteile des seinerzeit einfachen Handwerksbetriebs.

Mit kaufmännischem Geschick und unternehmerischem Weitblick gestaltete er die Weiterentwick­lung der Bootswerft. Es gelang ihm, die zwei Betriebe Holz und Kunststoff mit den jeweiligen Betriebsmeistern Kurt Pahl und Leo Wolloner im internen Wettbewerb auf eine rationelle, funktionelle und wirtschaftliche Produktionsweise zu fokusieren.

Das Know-how im Kunststoffbootsbau förderte Hans Empacher, indem er seine Kontakte von MBB mit der Bootswerft verknüpfte und Wolloner zu MBB nach München-Ottobrunn schickte. Die Rationalisierung des einfachen Betriebs schaffte er mit seinem zuverlässigen Freund Kurt Pahl und dem Neubau der Holzwerft 1977. 1983 wurde von der Holzabteilung Meister Heckmann in den Kunststoffbetrieb auf der gegenüberliegenden Neckarseite als Werksmeister bestellt. Seit dieser Zeit erwirtschaftete man dann auch dort schwarze Zahlen.

Die Kunststoffabteilung wurde 1982/83 durch einen Neubau von Verwaltung und Produktion erweitert. Diese entsprach damit damals etwa der Größe der Holz­werft. Entwicklungstechnisch waren die Holz-Rennruderboote etwa ab Mitte der 80er Jahre unterlegen, so dass eine erneute Expansion der Kunststoffwerft anstand. 1989/90 wurden der heutige Neubau der Kunststoffwerft an der Rockenauer Straße projektiert und der erste Bauabschnitt mit Büro- und Verwaltungs­trakt, Foyer und Eingangshalle sowie die neuen, modernen Produktionshallen über zwei Etagen gebaut.

Dem 1996 verstorbenen Juristen Hans Empacher folgte mit Helmut Empacher in der dritten Generation ein Wirtschaftsingenieur. Nach seinem Studium an der TH Karlsruhe war er zwar 1983 ein Jahr in Eberbach tätig, ging dann aber auch zum Technologiekonzern MBB, wo er an Hightech-Projekten mitwirkte und mit für die Werft strukturell interessanten Aufgaben betraut wurde. 1987 kehrte er als Geschäftsführer in die Bootswerft Empacher nach Eberbach zurück. Sein erster großer Erfolg war die Neuentwick­lung des Achters K82 in Zusammenarbeit mit Ralf Holtmeyer, mit dem der Deutschland-Achter bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul die Goldmedaille gewann.

Im selben Jahr trat Rainer Empacher in die Firma ein. Individuelle Kundenberatung, Marketing und Vertriebsaufgaben sowie die Organisation des Regattaservices gehören zum Aufgabengebiet dieses weiteren Vertreters der dritten Generation. An dem Zentralbau von 1989/90 und dem Erweiterungsbau von 1997 war der studierte Architekt maßgeblich beteiligt. Er ist heute gemeinsam mit seinem Bruder geschäftsführender Gesellschafter der Bootswerft Empacher GmbH.

Noch zur zweiten Generation gehört Hans Empachers Bruder Dieter Empacher. Der Schiffsbauingenieur ist zwar überwiegend in den USA tätig, arbeitet aber auch jedes Jahr einige Wochen im Konstruktionsbüro, wo er sich bemüht, die Erfahrungen aus der Regattasaison sowie die Impulse von Trainern und Sportlern in erfolgreiche neue Risse umzusetzen. Das Büro ist stets mit zwei Ingenieuren besetzt. Jedes Jahr entstehen so zirka zwei neue Bootsformen. Daneben werden zahlreiche Details kontinuierlich weiterentwickelt.

Heute ist der ständige Kontakt zwischen der Geschäftsleitung, den Trainern, sowie Sportlern und Aktiven nicht mehr wegzudenken. Maßgeschneiderte Boote, individuell angepaßt, aus über 35 verschiedenen Bootsformen und -rissen, für Leichtgewichte und offene Klassen, werden stets innovativ abgestimmt, getestet und möglichst erfolgreich gemeinsam zum Ziel gebracht. Über 100 Mitarbeiter wie vor Krieg, Flucht und Vertreibung hat Empacher zwar (noch) nicht wieder, aber über 70 sind es immerhin, darunter vier Bootsbaumeister und drei Inge­nieure. Sie versorgen ungefähr die Hälfte aller an internationalen Regatten und Meisterschaften teilnehmenden Ruderer mit ihren traditionell gelb lackierten Wettkampfbooten, darunter auch den größten Teil der deutschen Nationalmannschaft. PAZ


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