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24.08.13 / Wille zum Niveau / Vor 50 Jahren starb der Kultusminister Preußens und Niedersachsens sowie Generaldirektor des NWDR Adolf Grimme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Wille zum Niveau
Vor 50 Jahren starb der Kultusminister Preußens und Niedersachsens sowie Generaldirektor des NWDR Adolf Grimme

Der bedeutendste Fernsehpreis der Bundesrepublik, der Grimme-Preis, wurde nach ihm benannt. Preußens Ministerpräsident Otto Braun holte ihn als Kultusminister in sein Kabinett; die Nationalsozialisten steckten ihn wegen „Nichtanzeigen eines Hochverrats“ ins Zuchthaus; und die britische Besatzungsmacht beauftragte ihn mit dem Aufbau des Rundfunks in ihrer Zone. Am 27. August jährt sich der Todestag Adolf Grimmes zum 50. Mal.

Was hat das „Dschungelcamp“ mit Adolf Grimme zu tun? Feuilletonisten quer durch alle Medien bemühten sich Anfang dieses Jahres um eine Antwort. Sie fanden keine. Warum das „Dschungelcamp“ mit seinen Maden mampfenden C-Promis aus den Niederungen der Fern­seh­unterhaltung für eine Hochkulturtrophäe, den Grimme-Preis, vorgeschlagen war, blieb allen ein Rätsel. Es kam nicht zum Schlimmsten, das Camp ging leer aus.

Vielleicht war die Nominierung gar nicht so abwegig. Als Volkshumanist hat der erste Direktor des 1945 gegründeten Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) die Volksnähe immer gesucht. Er wünschte sich, dass „der Rundfunk so Mittelpunkt der Familie werden sollte wie früher die Petroleumlampe“. Ein Vergleich, der ihm in den beginnenden Wirtschaftswunderjahren, in denen überall die elektrischen Lichter wieder hell erstrahlten, manchen Spott eintrug. Mit den vielen trüben Funzeln, die seit der ersten Fernsehausstrahlung des NWDR 1952 über den Bildschirm flimmerten, hatte Grimme sicher nicht gerechnet.

Der Auftrag war klar, den Adolf Grimme, noch SPD-Kultusminister in Hannover, 1948 von dem britischen Rundfunk-Controller Hugh Carlton Greene erhielt. Nach dem Vorbild der BBC sollte der NWDR ein Instrument der Meinungsbildung, der Nachrichtenvermittlung und der Kultur werden. Aufgrund seiner hohen Ämter in der Endphase der Weimarer Republik und seines aktiven Widerstands gegen das NS-Regime erschien der aufrechte Preuße dem Briten als richtiger Mann. Mit ausschlaggebend war für den Bruder des Schriftstellers Graham Greene wohl auch das Bekenntnis Adolf Grimmes zum Christentum. Von ihm stammt der Ausspruch „Ein Sozialist kann Christ sein, ein Christ muss Sozialist sein.“

Adolf Grimme wurde 1889 als Sohn eines Bahnhofvorstehers in Goslar geboren. Er studierte von 1908 bis 1914 Philosophie und Germanistik in Halle, München und Göttingen mit dem Ziel, Lehrer zu werden. 1919 erhielt er seine erste Anstellung als Studienrat in Hannover und engagierte sich im Bund Entschiedener Schulreformer. Die Vereinigung forderte eine Erneuerung des antiquierten Bildungswesens und wandte sich gegen „alle Ungerechtigkeiten sozialer Privilegierungen, gegen den Geist des Militarismus und gegen Völker-, Rassen- und Konfessionsverhetzung“. Eine Schulform sollte die individuellen Fähigkeiten der einzelnen Schüler fördern sowie Theorie und Praxis im Unterricht vereinen.

Adolf Grimme machte schnell Karriere. Vom Oberschulrat für höhere Mädchenschulen in Magdeburg führte sein Weg über die Berufung zum Ministerialrat im Preußischen Kultusministerium bis hin zum Amt des letzten Kultusministers in der Preußischen Staatsregierung. Im März 1933 enthoben ihn die Nationalsozialisten seines Amtes. Die Schule war nun ein Instrument der Nationalsozialisten, ihre rassische Ideologie zu verbreiten. Über seinen Studienkollegen Adam Kuckhoff kam Adolf Grimme in Kontakt zu einer Widerstandsorganisation, welche die Gestapo „Rote Kapelle“ nannte. Grimme gehörte ihr nicht an, wurde aber dennoch verhaftet und wegen „Nichtanzeigen eines Hochverrats“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Dass er auch Flugblätter gegen das NS-Regime verfasst hatte, fand die Gestapo zu seinem Glück nicht heraus.

Nach seiner Befreiung 1945 durch die Engländer in Hamburg-Fuhlsbüttel wurde Grimme von den Besatzern zum Leiter der Abteilung für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung in der damaligen Provinz Hannover berufen. 1946 wurde das Land Niedersachsen gebildet und er dessen erster Kultusminister, was er bis September 1948 blieb. Mit seiner zweiten Heirat ging er eine problematische Ehe ein. Josefine Kopf geborene von Behr war nicht nur die Frau des niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf, sondern hatte auch als junges Mädchen zwischen 1927 und 1929 als Joseph Goebbels’ Sekretärin gearbeitet und Zugang zu Adolf Hitler und Hermann Göring gehabt. Das, schreibt der Grimme-Biograf Kai Burk­hardt, „machte die Heirat zu einer Pikanterie ersten Ranges … von der Presse und der Opposition drohten unausgesetzt Angriffe“. Grimme reichte im September 1948 seinen Abschied ein. Das Angebot der Briten, die sich nicht an der Heirat störten, hatte er bereits in der Tasche.

Am 15. November 1948 nahm Grimme seine Arbeit als Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks in Hamburg auf. In seiner Antrittsrede versprach er, den Rundfunk zu einem überparteilichen Organ mit anspruchsvollem Inhalt zu machen. „Der Wille zum Niveau“ werde nicht stets „den Majoritätsgeschmack auf seiner Seite“ haben. Der Rundfunk dürfe aber nicht „der verführerischen Jagd nach Popularität“ verfallen. Viel Freude hatte Grimme auf seinem Chefsessel am Rothenbaum nicht. Die Jahre seines Direktoriums waren geprägt von zahllosen Querelen und Kritik an seiner Amtsführung. Mit der Teilung des NWDR in den Norddeutschen und den Westdeutschen Rundfunk, die er nicht verhindern konnte, trat er 1955 mit 66 Jahren in den Ruhestand. 1963 starb er in Degerndorf am Inn. Klaus J. Groth


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